Plattenbau
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Plattenbauten sind vorwiegend aus Betonfertigteilplatten hergestellte Gebäude, die Plattenbauweise beschreibt demnach ein weit verbreitetes Bauverfahren. In der Umgangssprache wird der Begriff Plattenbau häufig verengt auf einheitlich gestaltete Wohnplattenbauten in Großwohnsiedlungen, wie sie insbesondere in der ehemaligen DDR vebreitet waren.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Bautechnik
Das Plattenbauverfahren ist ein Bauverfahren innerhalb der Gruppe des Fertigteilbaus. Hier werden Bauwerke aller Art aus Konstruktionselementen zusammengefügt, welche in Werkstätten vorgefertigt werden. Die Zusammenfügung der Bauteile erfolgt danach vor Ort. Konstruktionen in Plattenbauweise vereinen mehrere Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen zählt, dass zahlreiche Arbeitsschritte wetterunabhängig in Fabrikgebäuden durchgeführt werden können, zudem entstehen geringere Baukosten durch die standardisierten Produktionsverfahren. Die Qualität der industriell gefertigten Bauteile kann vor den Zusammenbau sichergestellt werden. Zu den Nachteilen zählt, dass oft sperrige Elemente transportiert werden müssen. Zudem führt eine umfassende Standardisierung der Bauelemente zu geringerer, individueller Gestaltungsmöglichkeit.
Die Abgrenzung zu verwandten Begriffen wie Fertighaus ist unscharf. Obwohl die Bauweise vergleichbar ist, wird der Begriff Plattenbau meist nur für Massivbauten mit Betonfertigteilplatten verwendet. Der Begriff Großtafelbauweise beschreibt die selbe Art der Konstruktion. Andere verbreitete Formen der Baukonstruktion sind Mauerwerksbau oder Holzbau. Ein ähnlich verwendeter Begriff zu Plattenbau ist Wohnblock, der aber keiner speziellen Bauweise zuzuordenen ist.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Entstehung
Die Bautechnik war vor 1920 häufig gekennzeichnet durch eine historisierende Formensprache, es wurden zahlreiche Verzierungen aus verschiedenen vorhergehenden Architekturepochen verwendet. Entsprechend waren handwerkliche Qualität und hoher personeller Aufwand notwendig. Die Grundmauern der Gebäude wurden mit einem Mauerwerk (Stein auf Stein) errichtet, die Kosten und der Zeitaufwand waren entsprechend hoch. Ein anhaltendes Bevölkerungswachstum und zunehmende Einwanderungen in die Städte erforderten mehr Wohnraum und neue Bautechniken. Die Bauweise mit vorgefertigten, standardisierten Platten verringerte die Bauzeiten und Baukosten.
Nach 1920 entwickelte sich eine neue Architekturepoche, die heute als Klassische Moderne oder als Internationaler Stil bezeichnet wird. Die Grundgedanken waren die Abkehr vom Historismus und seinen verspielten Formen, sowie Reduktion auf das Wesentliche und die Verwendung neuer Materialien wie Spannbeton, Stahl und Glas. Die Bauweise setzte sich immer mehr durch und damit wurde die Plattenbautechnik zur anerkannten Architektur. Der Verzicht auf Dekoration und die Verwendung einheitlicher Materialien förderte ein uniformes Erscheinungsbild der Gebäude.
Die ersten Häuser, bei denen vorgefertigte Großplatten in Stahlbetonbauweise verwendet wurden, entstanden ab 1910 im Gartenstadtprojekt Forest Hills Gardens in Queens, einem Stadtteil von New York. Benannt nach dem Ingenieur und Architekten Grosvenor Atterbury wurde das Konstruktionsprinzip als System Atterbury auch in Europa bekannt. Vorangegangen waren namentlich in Großbritannien und Frankreich Experimentalbauten und Serienfertigung sowohl mit anderen Ausgangswerkstoffen (Holz, Metall, Stampfbeton), als auch mit kleinerformatigen Betonelementen.
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In Deutschland wurden die ersten Gebäude in Tafelbauweise in den Jahren 1926 bis 1930 in Berlin-Lichtenberg, Ortsteil Friedrichsfelde, nach Entwürfen des damaligen Stadtbaurats Martin Wagner errichtet. Bei dieser als Kriegerheimstättensiedlung erstellten Wohnanlage handelt es sich um einen zwei- bis dreigeschossigen Siedlungsbau mit ursprünglich 138 Wohnungen, der heute den Namen Splanemann-Siedlung trägt. Vor Ort wurden dabei bis zu 7 Tonnen schwere, mehrschalige Betonplatten gegossen und von einem Portalkran an die Montagestellen gebracht, die jedoch noch in tradtioneller Ziegelbauweise vorbereitet wurden. Das Verfahren hatte Wagner um 1921 beim Bau des Betondorp kennengelernt, einer Siedlung im Amsterdamer Stadtteil Oost/Watergraafsmeer.
Das Unité d'Habitation von Le Corbusier war als Hochhaustyp das Vorbild moderner Plattenbauten in Architektur und Wohnphilosophie. Den Kern der Idee stellte Corbusier bereits 1925 in Paris vor, mit dem Pavillon de l'Esprit Nouveau. Die Wohneinheiten wurden zwischen 1947 und 1965 realisiert in vier französischen Orten und in Berlin. Die Projekte sollten den Wohnungsmangel nach dem Zweiten Weltkrieg lindern. Corbusier sah seinen Gebäudeentwurf als ideale Lösung für eine massenhafte Wiederholung an vielen Orten. Durch standardisierte Serienproduktion wollte er ein hohes Maß an Effizienz erreichen. Diese Wirtschaftlichkeit und die weite Verbreitung sollten der Masse der Bevölkerung einen erhöhten Wohnkomfort ermöglichen. Hier wurden Plattenbauten bewußt einheitlich und kostengünstig konstruiert, der Bekanntheitsgrad von Corbusier förderte die Verbreitung seines Standardbauwerkes.
Seit diesen Anfängen wurden und werden weltweit ganze Wohnsiedlungen, Bürohochhäuser, Industrie- und andere Großbauten aus vor Ort oder werkseitig gegossenen Betonplatten und Betonfertigteilen errichtet.
[Bearbeiten] DDR
Starke Verbreitung fanden Plattenbauten nach dem Zweiten Weltkrieg in der DDR. Dabei ging zunächst der Ausbau der Stadt Hoyerswerda einher mit der Suche nach immer rationelleren Baumethoden unter Anlehnung an Ideen, die schon vom Bauhaus entwickelt worden waren. Hoyerswerda wurde zum „Experimentierfeld“ auf diesem Gebiet; dort wurde 1957 erstmals in der DDR der industrielle Wohnungsbau in Plattenbauweise realisiert. Als Synonym für Plattenbauten der DDR entwickelten sich die ironischen Begriffe Arbeiterschließfach oder Schnarchsilo.
Mit dem Wohnungsbauprogramm von 1972, das die Beseitigung des Wohnraummangels bis 1990 zum Ziel hatte, wurde der Plattenbau zum wichtigsten Neubautyp erhoben. Neue Stadtteile, wie in Hoyerswerda, oder ganze Städte mit bis zu 100.000 Einwohnern, wie Halle-Neustadt, wurden meist gänzlich in Plattenbauweise errichtet. Insgesamt wurden über 3 Millionen Plattenbauwohnungen fertiggestellt; ein häufig vorkommender Typenbau beruhte dabei auf der Wohnungsbauserie 70 („WBS 70“).
Viele Plattenbauten verfügten über schlichte „Lochfassaden“, wiesen nur wenige Verzierungen auf und erzeugten durch stete Wiederholung des Fassadenbilds einen monotonen Eindruck. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde jedoch zuweilen an städtebaulich oder aus Repräsentationsgründen wichtigen Punkten versucht, das Erscheinungsbild von Plattenbauten aufzulockern oder dem umgebenden Stadtbild durch historisierende Formen anzupassen. Beispiele hierfür sind Bauten an der Berliner Friedrichstraße und am Gendarmenmarkt. Auch im Nikolaiviertel, das unter Anlehnung an den historischen Stadtgrundriss wiederaufgebaut wurde, überraschen Gebäude, deren kleinteiliges, abwechslungsreiches Format und spitze Giebel für Plattenbauten ungewöhnlich sind.
Viele Neubaugebiete außerhalb der Hauptstadt erfuhren solche Bemühungen um „Individualisierung“ hingegen nicht. So standen beispielsweise im Bautzener Stadtteil Gesundbrunnen als Fassadenfarben nur „dunkelgrau“ und „hellgrau“ zur Verfügung. Nachfolgearbeiten wie Wärmedämmung und Begrünung wurden oft mit jahrelanger Verzögerung ausgeführt. Es entstanden sogenannte „Mondlandschaften“ um die Wohnhäuser. Teilweise wurden Gelder, die für den Ausbau der Wohngebiete vorgesehen waren, nach Berlin abgezogen. Die Bewohner dieser Plattenbauten betrachteten die Entwicklung der Architektur in Berlin daher oft mit gemischten Gefühlen.
Dennoch waren die Plattenbauwohnungen zur Zeit ihrer Entstehung bei den städtischen DDR-Bürgern beliebt und begehrt, da diese Wohnungen mit Komfort wie fließendem warmen und kalten Wasser, Zentralheizung ohne Kohlenschleppen, Toilette in der Wohnung (Innen-WC) und Badewanne ausgestattet waren, den es in Altbauwohnungen oft nicht gab. Die Mieten waren zwar höher als für eine Altbauwohnung, für heutige Begriffe jedoch minimal (z. B. 3½ Zimmer-Wohnung, 68qm, mit Balkon - Warmmiete: 118 Mark)
Das Wohnungsbauprogramm war ein ehrgeiziges Programm, für das ein erheblicher Teil des Staatshaushaltes verwendet wurde. Dabei wurden die älteren Gebäude in den historischen Stadtkernen jedoch nicht in gleicher Weise gefördert. Diese Häuser - oft in Privatbesitz oder in Verwaltung durch kommunale Wohnungsverwaltungen (KWV) - konnten bei festgeschriebenen niedrigen Mietpreisen in der Regel nicht die Gelder erwirtschaften, die notwendig waren, um sie zu erhalten. Somit war der teilweise Verfall der historischen Innenstädte eine Kehrseite des DDR-Wohnungsbauprogramms. Seit Beginn der 1980er Jahre wurde auch in die Komplexsanierung von Altbauten in den Innenstädten investiert, was aber teilweise zum Flächenabriss zugunsten innerstädtischer Plattenbauten führte.
Insbesondere durch die fabrikmäßige Herstellung können Plattenbauten bis heute eine gute Qualität haben, sofern der notwendige Unterhalt durchgeführt wurde und man von der oft mangelhaften Wärme- und Schalldämmung absieht. Zu den bekannteren Plattenbau-Typen der DDR zählen unter anderem WBS70, WHH GT, P2 und Q3A.
[Bearbeiten] Bundesrepublik Deutschland vor 1990
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Große Plattenbauten sind auch in den Großsiedlungen der alten Bundesrepublik und Westeuropas der 1960er und 1970er Jahre entstanden. Der gebräuchliche Begriff hierfür war Bauten in Großtafelbauweise. Beispiele von derartigen Großsiedlungen in den alten Bundesländern sind unter anderem Berlin-Hansaviertel und Berlin-Gropiusstadt, Bremen-Blockdiek, Frankfurt am Main-Nordweststadt, Hamburg-Mümmelmannsberg, Köln-Chorweiler, Nürnberg-Langwasser und München-Neuperlach.
[Bearbeiten] Weitere Staaten
In der Schweiz werden Plattenbauten als „Bauten in Elementbauweise“ bezeichnet. Hier sind vor allem die Göhnerbauten bekannt. Auch in Frankreich entstanden zahlreiche Plattenbauten, am bekanntesten sind die Bauwerke von Le Corbusier, welche als Unité d'habitation auch in anderen Ländern gebaut wurden. Die Vororte zahlreicher Ballungsgebiete in Frankreich wurde als Großsiedlungen in Plattenbauweise angelegt. Auch in Norwegen und in Schweden wurden viele Plattenbauten geschaffen, die Vorstadtviertel Rinkeby (Stockholm), Angered (Göteborg) und Rosengård (Malmö) sind Ergebnis dieser Entwicklung. In den sozialistischen Ländern wurden Großsiedlungen in Plattenbauweise noch bis Ende der 80er Jahre angelegt. Der Begriff Plattenbau wurde auch in anderen Sprachen verwendet (Auswahl):
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[Bearbeiten] Moderner Plattenbau
Das Plattenbauverfahren ist heute vor allem bei größeren Gebäuden und Massivbauten sehr verbreitet. Hochhäuser werden fast ausschließlich aus vorgefertigten Platten zusammengesetzt. Alternative Bauweisen, wie die Verwendung von Mauerwerken oder Holzbauten finden vor allem im privaten Hausbau weiterhin große Verbreitung. Hauptargumente für die Bauweise mit vorgefertigten Betonplatten sind die Kostengünstigkeit und Planungssicherheit. Eine Weiterentwicklung des Plattenbauverfahrens ist die Raumzellenbauweise, bei der vollständige Räume vorgefertigt werden und vor Ort zusammengefügt werden.
Nach den negativen Erfahren mit uniformen Plattenbau-Wohnsiedlungen der letzten Jahrzehnte, bemüht sich die Architektur nun um ein abwechslungsreiches Erscheinungsbild der neuen Gebäude. Die Außenwände werden heute meist mit Putz versehen oder mit einer beliebigen Fassade überzogen, welche die Plattenbauweise nicht erkennen lässt. Zudem wird heute mehr Wert auf eine integrierte Wärmeisolierung gelegt.
[Bearbeiten] Kritik und Probleme
Bereits in den 60er Jahren wurde die Architektur zahlreicher Plattenbauten häufig als abstrakt, trist und seelenlos kritisiert. Die Kritik richtete sich vor allem gegen das einheitliche Erscheinungsbild der Großwohnsiedlungen, nicht jedoch gegen das Bauverfahren an sich. Als Gegenentwurf entwickelte sich in den 80er Jahren die dekorative postmoderne Architektur und auch die zum Teil historisierende Architektur der Gegenwart.
Die Probleme, die sich entwickelt haben sind ursächlich vor allem auf die Stadtplanung der Großwohnsiedlungen der 60er bis 80er Jahre in Plattenbauweise zurückzuführen. Diese wurden häufig als abgeschlossene Satellitenstädte oder Trabantenstädte angelegt. Die Entwicklung der Großwohnsiedlungen hat in den verschiedenen Staaten unterschiedliche historische Verläufe genommen.
Die Plattenbau-Wohnsiedlungen in der DDR waren ursprünglich begehrt, da sie mehr Komfort als unsanierte Altbauten geboten haben. Die Mietpreise waren staatlich reguliert auf einem niedrigen Niveau. Die Altbauviertel blieben meist unsaniert, denn die Vermieter konnten zu den nicht kostendeckenden Mieten kaum Sanierungen durchführen. Bedingt durch die Ost-West-Migration in Deutschland nach 1990 stehen heute besonders viele Plattenbauten im Osten Deutschlands leer. Inzwischen bemühen sich Architekten und Stadtplaner, die Attraktivität von Plattenbauhäusern und -siedlungen zu steigern. Durch Grundrissänderung, Modernisierung, Wohnumfeldverbesserung, Infrastrukturmaßnahmen, teilweise auch Verringerung der Geschosszahl, soll die Vermietbarkeit erhöht und Leerstand vermieden werden. Die sozialen Probleme der Ostplattenbausiedlungen sind dagegen vergleichsweise gering ausgeprägt, die positive Entwicklung bis 1990 wirkt bis heute nach. In Abhängigkeit von örtlichen Gegebenheiten gibt es auch einige in Plattenbauweise errichtete Großsiedlungen, die nach Modernisierung und architektonischer Aufwertung praktisch keinen Leerstand aufweisen, beispielsweise das Salvador-Allende-Viertel im Berliner Stadtteil Köpenick.
Die Großwohnsiedlungen in Plattenbauweise in Westdeutschland haben dagegen vor allem das Problem, als soziale Brennpunkte bekannt zu sein. Die Siedlungen zeichnen sich durch höhere Arbeitslosigkeit, Migrantenanteile und Kriminalität aus. Hier ist ein Leerstand in der Regel kaum ausgeprägt, so dass Rückbauten der Wohnviertel nicht oder nur in geringen Maßen durchgeführt werden. Eine vergleichbare Situation zeigt sich auch international. In Frankreich wurden die Vororte größerer Städte wie Paris oder Lyon ursprünglich bewußt als Viertel für niedrige Einkommensklassen oder als Zuwandererviertel konzipiert. Mit Sanierungsprogrammen, wie dem „mixité sociale“ (soziale Mischung) versucht man nun, die Situation nachträglich zu ändern. Die Entwicklung als soziale Brennpunkte fand 2005 einen Höhepunkt in den Unruhen in Frankreich, welche vor allen in den Wohnsiedlungen der Außenbezirke stattfand.
[Bearbeiten] Forschung
Das Institut für Erhaltung und Modernisierung von Bauwerken e.V. (IEMB) an der TU Berlin erforscht und dokumentiert Technik und Probleme von Plattenbauten, insbesondere im Zusammenhang mit der Erhaltung und Modernisierung von Wohngebäuden in den neuen Bundesländern. Modellhaft wurde zudem die Wiederverwendung von Platten bei neu errichteten Einfamilienhäusern erprobt.
Im Juli 2004 wurde in Dresden eine Plattenbauausstellung eröffnet.
[Bearbeiten] Weiterführende Informationen
[Bearbeiten] Siehe auch
- Portal:Architektur und Bauwesen
- Bausünde
- Stadtplanung
- Satellitenstadt
- Trabantenstadt
- Liste von Plattenbaugebieten in Thüringen