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Quastenflosser

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Quastenflosser
Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae)
Komoren-Quastenflosser (Latimeria chalumnae)
Systematik
Stamm: Chordatiere (Chordata)
Unterstamm: Wirbeltiere (Vertebrata)
Überklasse: Kiefermäuler (Gnathostomata)
Reihe: Knochenfische (Osteichthyes)
Klasse: Fleischflosser (Sarcopterygii)
Unterklasse: Quastenflosser
Wissenschaftlicher Name
Coelacanthimorpha
Arten

Die Quastenflosser (Coelacanthimorpha) sind eine Unterklasse der Fleischflosser (Sarcopterygii). Die Fischgruppe der Quastenflosser existierte seit dem mittleren Devon vor 400 Millionen Jahre mit etwa 70 Arten und zahlreichen Gattungen bis zur Mittleren Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren, als sie scheinbar komplett ausstarb. Überraschenderweise wurde 1938 eine überlebende Art des Quastenflossers im indischen Ozean wiederentdeckt, die damit zum bekanntesten lebenden Fossil wurde. 1997 wurde in Sulawesi noch der Restbestand einer zweiten Art entdeckt. Ihre nächsten Verwandten sind die Lungenfische und die Landwirbeltiere (Tetrapoda).

Ein wesentliches Kennzeichen sowohl der Quastenflosser als auch der Lungenfische ist das teilweise verknöcherte und mit Muskulatur versehene Skelett der Brust- und Bauchflossen. Sie werden deshalb zur Unterklasse der Muskelflosser (alternativ Fleischflosser) (Sarcopterygii) zusammengefasst.

Der Name Quastenflosser leitet sich davon ab, dass sich an der Spitze der Schwanzflosse eine pinsel- beziehungsweise quastenförmige Verlängerung befindet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Körperbau

Der Bau der Brust- und Bauchflossen ähnelt dem Bau der Gliedmaßen der Landwirbeltiere (Tetrapoden). Vermutlich haben frühe Quastenflosser-Arten ihre muskulösen Flossen zur Fortbewegung am Meeresboden, möglicherweise auch an Land benutzt. Ein mit Fett gefülltes blasenartiges Organ am Darm, das homolog zur Schwimmblase ist und das als Rudiment einer als Lunge genutzten luftgefüllten Schwimmblase interpretiert wird, gilt als Indiz für die Fähigkeit der Ur-Latimeria, Luft atmen zu können. Bei den rezenten Lungenfischen ist ein solches Organ vorhanden und funktionsfähig. Quastenflosser sind die einzigen lebenden Tiere, die über ein funktionsfähiges Gelenk im Schädelknochen verfügen. Dieses Gelenk erlaubt es ihnen, den Oberkiefer gegenüber dem hinteren Schädelteil anzuheben, um so beim Fressen die Maulöffnung zu vergrößern. Latimeria wird bis zu 1,9 Meter lang und 100 kg schwer.

[Bearbeiten] Evolution

Relativ enge Verwandte der Quastenflosser und Lungenfische, die Rhipidistia, werden in der Paläontologie vielfach als Vorfahren der ersten Landwirbeltiere angesehen. Der Aufbau des Skelettes ähnelt Ichthyostega, einem Fossil, das als eines der ersten Amphibien und damit als Landwirbeltier angesehen wird. Der Quastenflosser verwendet seine Flossen in einer Art „Kreuzgang“, aber er bewegt sich nur schwimmend, die Evolution hatte somit eine Art des Gehens entwickelt, die erst später verwendet wurde.

Quastenflosser werden oft als die Urahnen der Landwirbeltiere (Amphibien etc.) dargestellt. Dabei bezieht sich diese didaktische Darstellung nicht auf die heute lebenden Latimeria, sondern auf die letzten gemeinsamen Vorfahren der heutigen Quastenflosser und der anderen aus diesen hervorgegangen Wirbeltiere. Hierdurch wird klar, dass Genomvergleiche der heute gefangenen Quastenflosser keine Aussage über die evolutionäre Verwandtschaft der "Ur-Quastenflosser" zu den rezenten Wirbeltieren zulassen. Die genetische Anpassung der vom Aussehen her den ursprünglichen Quastenflossern sehr ähnlich erscheinenden rezenten Tiere an den Lebensraum Tiefsee hatte ebenso lange Zeit wie die Entwicklung aller heute lebenden Landwirbeltiere. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Genome der heutigen Quastenflosser den fossilen Quastenflossern gleichen, ist daher wohl sehr gering. Tatsächlich ergaben genetische Vergleiche, dass die rezenten Lungenfische eine deutlich größere genetische Übereinstimmung mit den Höheren Wirbeltieren aufweisen als die rezenten Quastenflosser.

Quastenflosser, die schon vor circa 400 Millionen Jahren die Meere bevölkerten, waren bis weit in das 20. Jahrhundert nur als 80 Millionen Jahre alte Versteinerung bekannt. Die ältesten Fossilien stammen aus dem Devon, die jüngsten aus der Kreidezeit. Die Blütezeit lag in der Trias. Daher glaubte man lange, dass die Quastenflosser mit den Dinosauriern ausgestorben seien.

[Bearbeiten] Wiederentdeckung eines „lebenden Fossils“

Quastenflosser von vorne
Quastenflosser von vorne
Quastenflosser von der Seite
Quastenflosser von der Seite
Latimeria chalumnae
Latimeria chalumnae

1938 entdeckte Marjorie Latimer, Leiterin des Städtischen Meeresmuseums im südafrikanischen East London, in einem großen Fischfang einen stahlblauen, 1,50 m langen und 52 kg schweren Fisch. Auffallend waren große Schuppen, fleischige Flossen, die wie Gliedmaßen abstanden, und ein mächtiger Unterkiefer. Das Exemplar war durch die Druckverringerung bereits tot. Sie schickte eine Skizze des Fisches an Professor James L. B. Smith, einen berühmten Fischkundler an der Rhodes-Universität in Grahamstown, Südafrika. „Ich wäre kaum erstaunter gewesen, wenn ich auf der Straße einem Dinosaurier begegnet wäre“, war seine erste Reaktion. Quastenflosser kannte man zu dieser Zeit nur aus versteinerten Abdrücken. Man glaubte daher, dass sie vor über 350 Millionen Jahren im Devon entstanden und vor rund 70 Millionen Jahren gegen Ende der Kreidezeit ausgestorben seien. Smith untersuchte den Fund genauer und identifizierte ihn tatsächlich als Nachfahren der fossilen Quastenflosser. Das Tier, der Komoren-Quastenflosser, wurde nach seiner Entdeckerin und dem Fluss Chalumna, in dessen Nähe er ins Schleppnetz gegangen war, taxonomisch Latimeria chalumnae benannt.

Erst 14 Jahre später, im Jahr 1952, wurde in der Gegend zwischen den Komoreninseln und Madagaskar, 3000 km von der ersten Fundstelle entfernt, ein zweiter Quastenflosser gefangen. Hier war der Fisch den Eingeborenen längst unter dem Namen Kombessa bekannt und wurde als wenig begehrter Fisch verzehrt. Seine rauen Schuppen verwendete man als Ersatz für Sandpapier. Es konnten dann noch weitere Exemplare gefangen werden, einmal sogar ein lebendes. Erst 1987 gelang es einer deutschen Forschergruppe des Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie unter Professor Hans Fricke erstmals, den Quastenflosser in seinem natürlichen Lebensraum vor den Komoren zu beobachten. Dabei entdeckte der Münchner Biologiestudent Olaf Reinicke am 17. Januar 1987 vom Tauchboot Geo aus in 198 Metern Tauchtiefe den ersten Quastenflosser in seinem natürlichen Lebensraum. Dort entstanden auch die ersten Filmaufnahmen von lebenden Quastenflossern. Von 1989 an wurde mit Unterstützung der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt ein Projekt zur Erforschung der Quastenflosser durchgeführt.

Eine erneute Sensation gab es, als 1997 und 1998 tote Quastenflosser auf dem Fischmarkt von Manado Tua (Sulawesi) in Indonesien von dem englischen Studentenehepaar Erdmann entdeckt und als Quastenflosser identifiziert wurden, rund 10.000 Kilometer von den Komoren entfernt. Inzwischen fand Fricke auch dort lebende Quastenflosser, die als Manado-Quastenflosser (Latimeria menadoensis) bezeichnet werden.

Im April 2004 ist eine deutsche Unterwasser-Expedition in Südafrikas Küstengewässern auf weitere Exemplare der Komoren-Quastenflosser gestoßen. Am südlichsten Ende der Sodwana-Bucht nahe der Grenze zu Mosambik entdeckte das Team von Hans Fricke zwei weitere Tiere. Damit erhöht sich nach Angaben der Zoologin Karen Hissmann der dort bekannte Bestand auf 21 Exemplare. Seit Beginn der 1990er Jahre sind drei Exemplare vor Mosambik und Tansania gefangen worden.

[Bearbeiten] Verbreitung

Latimeria chalumnae kommt in dem Gebiet zwischen den Komoren und Madagaskar in einer Tiefe von 150 bis 400 m vor. Besiedelt sind Höhlen der Komoreninseln Grande Comore und Anjouan. Eine zweite Art von Quastenflossern gibt es in den indonesischen Meeresgebieten zwischen Borneo und Celebes der sogenannte Manado-Quastenflosser (Latimeria menadoensis). Diese Tiere unterscheiden sich morphologisch kaum von den Tieren von den Komoren. Molekulargenetische Untersuchungen der Mitochondrien zeigen jedoch Unterschiede. Diese lassen darauf schließen, dass die beiden Populationen seit etwa zehn Millionen Jahren getrennt sind.

Im Jahr 2000 entdeckten Tiefseetaucher in Südafrikanischen St. Luzia-Schutzgebiet am oberen Rand des Cayons mehrere Quastenflosser der Art Latimeria chalumnae in einer Höhle in 100 Meter Tiefe.

[Bearbeiten] Lebensweise

Durch die beinartigen Brust- und Bauchflossen kann sich der Fisch in einer Art „Kreuzgang“ bewegen. Für diese alternierenden Bewegungen seiner Flossen hat er in seinem Nervensystem bestimmte „neuromuskuläre Koordinationen“, wie es Hans Fricke nennt. Nach seiner Ansicht können solche Koordinationen den Verwandten des Quastenflossers den Schritt an Land erleichtert haben. Tiere der modernen Art gehen jedoch nicht am Meeresboden herum und berühren mit ihren Flossen nicht mal den Boden, etwa beim Beschleichen ihrer Beute, wobei die Brustflossen um 180 Grad um die eigene Achse gedreht werden können. Wenn der Quastenflosser schnell schwimmen will, benutzt er seine mächtige Schwanzflosse.

Quastenflosser sind Nachtjäger und Driftschwimmer, die auch die schwächste Wasserströmung für ihre Fortbewegung ausnutzen. Ihre großen Brust- und Bauchflossen verwenden sie zum Ausbalancieren.

Tagsüber halten sich die Quastenflosser in Lavahöhlen auf, die auf den Komoren zwischen 150 und 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegen. Die in Sulawesi gefundenen Tiere lebten in einer 155 Meter tief gelegenen Kalksteinhöhle. In den zum Teil sehr geräumigen Höhlen leben bis zu 16 Tiere. Mit Sonnenuntergang velassen die Tiere einzeln ihre Höhle. Ihre Beutezüge führen sie nur wenige Kilometer von ihrer Höhle weg und bis in 700 Meter Tiefe.

Schwimmt ihnen ein Beutefisch vors Maul, dann können sie mit einem Schlag ihrer breiten Schwanzflosse sehr stark beschleunigen. Ein bei anderen Fischen längst verlorenes Gelenk zwischen Oberkiefer und Schädeldach hilft ihnen ihr Maul rasch aufzureißen und so eine blitzartige Saugschnappbewegung durchzuführen mit der sie ihre Beute rasch hinter die spitzen Zähne ihres Mauls bringen. Die deutschen Wissenschaftler Karen Hickmann und Prof. Hans Fricke haben 127 von ca. 500 bis 600 der sehr standorttreuen Tiere der Komoren beobachtet und beschrieben.

[Bearbeiten] Siehe auch

[Bearbeiten] Literatur

  • Hans Fricke: Im Reich der lebenden Fossilien in Peter-Matthias Gaede (Hrsg): Die Seele des weißen Bären. Hamburg 1998, ISBN 3-455-11256-0
  • Samantha Weinberg: Der Quastenflosser. Die abenteuerliche Geschichte der Entdeckung eines seit siebzig Millionen Jahren vermeintlich ausgestorbenen Tieres. ISBN 3-87024-517-4

[Bearbeiten] Weblinks

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