Sammeln
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Der Begriff Sammeln bezeichnet die systematische Suche, Beschaffung und Aufbewahrung einer abgegrenzten Art oder Kategorie von Dingen oder Informationen.
Seit ungefähr fünf (?) Millionen Jahren, vom Austritt aus dem Tier-Mensch-Übergangsfeld bis zur Jungsteinzeit, war das wildbeuterische Sammeln und Horten von v.a. Lebensmitteln überlebenswichtig (vgl. „Jäger und Sammler)“.
Heute wird Sammeln von Einzelnen hauptsächlich als Hobby betrieben und ist vor allem ein Phänomen der westlichen Industrieländer. Bedeutender ist das professionelle und institutionalisierte Anlegen von Sammlungen, z. B. von Museen, Bibliotheken und Archiven.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Sammeln als Hobby
Grundsätzlich kann und wird alles gesammelt, aus Platzgründen vor allem aber handliche Dinge. Dabei gibt es den systematischen Sammler, der Objekte eines bestimmtes eingegrenzten Gebiets (einer Region, Epoche, Gattung bzw. Thematik) oder Produkte eines Herstellers möglichst vollständig besitzen will, und den eher unsystematischen Sammler, der nur die Dinge sammelt, die ihm gefallen oder die ihn an etwas erinnern. Dabei wecken besonders seltene Gegenstände (Raritäten) häufig ein besonderes Interesse bei Sammlern, beliebte Sammelobjekte werden teilweise schon bei der Produktion künstlich verknappt (limited Editions / begrenzte Auflagen).
Viele Sammler organisieren sich in Vereinen. Auch Tauschbörsen werden veranstaltet, wo die Sammler miteinander Kontakt aufnehmen können und Sammlerstücke austauschen oder kaufen. In beliebten Sammelgebieten können Händler damit ihren Lebensunterhalt verdienen, und viele Objekte werden auch aus kommerziellem Interesse eigens für Sammler in limitierten Auflagen (mit Sammlerzertifikat) hergestellt. Einige besonders begehrte Hersteller organisieren eigene Sammlerklubs mit Sonderangeboten.
Fundquellen für Sammler sind oft Auktionen, Flohmärkte, Antiquitätenläden oder Antiquariate und zunehmend Online-Angebote. Das Internet hat besondere Bedeutung für Sammler sehr exotischer Dinge, die sich so einfach und schnell weltweit austauschen können. Meist ist der Erhaltungsgrad der Sammelobjekte mitentscheidend für die endgültige Festsetzung des Preises.
Wertvolle Sammelstücke werden gefälscht: Siehe dazu Fälschung, Kunstfälschung, Briefmarkenfälschung; auch: Falschgeld.
[Bearbeiten] Populäre Sammelgebiete
Es gibt ungezählte Dinge, die gesammelt werden: Aktien und Wertpapiere, Ansichtskarten, Antiquitäten, Autogrammkarten, Autos (insbesondere wertvolle Oldtimer), Auto- oder Eisenbahnmodelle, Banknoten, Bierdeckel (Bierfilze), Bierdosen oder Flaschen, Bierkrüge, Blechspielzeug (insbesondere Märklin-Modellbahnen oder Schuco-Autos), Briefmarken, Briefpapier, Briefbeschwerer, Bücher, Champagnerdeckel (Capsules de champagne), Comics und Comic-Merchandise, zum Beispiel Disneyana, Fotografien, Feuerzeuge (und besonders Zippos), Gemälde, Gläser, Grafiken, Handtaschen, Kameras (insbesondere Leicas), Keramik, Kleidungsstücke einzelner Marken (z.B. Carlo Colucci Pullover), Kronkorken (von Glasflaschen), Kunstwerke, Lesezeichen, limitierte Kleidungsstücke eines Genres, Militaria, Mineralien und Fossilien, Münzen (siehe Münzen sammeln) und Medaillen, Porzellan, PEZ, Sammelbilder, Schallplatten, Schmetterlinge, Schmuck, Schneemann, Schuhe, Servietten, Spardosen, altes Spielzeug, Streichholzschachteln, Telefone, Telefonkarten, Figuren aus Überraschungseiern, Waffen, Zigarettenbilder, Zuckertütchen und vieles mehr.
[Bearbeiten] Professionelle Sammlungen
Im Bereich der Museen und Archive erhält das Sammeln seinen offiziellen Rahmen. Diese gehen in vielen Fällen auf private Sammlungen von Fürsten und Herrschern zurück, welche durch das Anlegen der Sammlung ein Abbild des Kosmos einfangen wollten, um damit ihre Macht zu demonstrieren. Zum Beispiel waren Rudolf II. und August der Starke als begeisterte Sammler bekannt. Für Museumssammlungen ist die systematische Dokumentation der Fundumstände und des Gebrauchskontexts der Dinge wesentlich. Im Museum geht es allerdings nicht nur um Sammeln und Dokumentieren, sowie um Archivieren und Konservieren, sondern auch um pädagogische Präsentation und Vermittlung (Museumspädagogik).
Auch Gelehrte und Wissenschafter sind als Sammler in Erinnerung geblieben: Petrarca etwa vermachte seine riesige Büchersammlung dem venezianischen Staat mit der Bedingung, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Johann Wolfgang von Goethe karikiert sich und seine Sammelleidenschaft in dem Dialog Der Sammler und die Seinigen (ISBN 90-5705-066-8) selbst als der Beherrscher, der „die Welt nach seiner Idee“ modelliert. Er soll eine Kunstsammlung mit über 25.000 Einzelstücken besessen haben.
[Bearbeiten] Psychologie des Sammelns
Psychologisch betrachtet hat das Sammeln mehrere Aspekte:
- Jagen und Sammeln
- Urinstinkte des Menschen, nämlich das Jagen und das Sammeln, treten hier zu Tage: Das Jagen nach noch fehlenden Einzelstücken in der Sammlung und das Sammeln als Ausdruck des Besitzens. Diese beiden Instinkte waren für den Urmenschen überlebensnotwendig, da sie ihm den Zugriff auf Nahrung ermöglichten.
- Dominanztrieb
- Im „Besitzen wollen“ von Sammlerstücken drückt sich eine Machtdemonstration und das „Beherrschen wollen“ aus.
- Ausweichverhalten
- Menschen, die von ihrem Alltag überfordert sind, flüchten oft ins Sammeln, weil sie sich dort, auf einem eingeschränkten und überschaubaren Betätigungsfeld, bewähren können. Auch die Angst vor sozialen Kontakten kann zu einem Rückzug und zu einer bevorzugten Beschäftigung mit Gegenständen führen.
- Kompensation unerfüllter sozialer Wünsche
- Menschen, die im Alltag nicht ausreichend Bestätigung und Anerkennung erfahren, bekommen diese mit Hilfe ihrer Sammlung im Kreise anderer Sammler.
- Kompensation unerfüllter sexueller Wünsche
- Sigmund Freud (der selbst mit Begeisterung Skarabäen, Ringe und Statuetten sammelte) sieht die Sammlerleidenschaft auch als Ersatzbefriedigung zur Kompensation unerfüllter sexueller Wünsche.
- Bewältigung unterbewusster Ängste
- Dem Sammeln und Horten kann auch eine unterbewusste Angst vor Mangel zugrunde liegen, die mit dem Sammeln kompensiert werden kann. Das Sammeln ist daher häufig bei Menschen, die in ihrer Kindheit Mangel erfahren haben (z. B. Armut, Kriegserfahrungen, Mangel der Nachkriegszeit etc.).
Sammler können dem Krankheitssymptom der Sammelwut verfallen und sich selbst, die Partnerschaft und andere soziale Kontakte vernächlässigen. Im Extremfall kann das als Sucht dazu führen, dass nicht nur eine Sammlung in einem klar abgegrenzten Sachgebiet angelegt wird, sondern dass alles gesammelt wird: jedes Stück Verpackungspapier, jeder Kassenbon, alles was dem Sammler in die Hände kommt. (vgl. z. B. Bibliomanie und Messie-Syndrom).
Siehe auch: Zwangsneurose.
[Bearbeiten] Positive psychologische Aspekte des Sammelns
Neben den oben genannten eher negativen psychologischen Aspekten des Sammelns gibt es jedoch eine ganze Reihe positiver Aspekte, die hier auszugsweise aufgeführt werden:
- Entspannung: Sammeln kann in einer Welt, die von Hektik und Stress geprägt ist, als entspannende Tätigkeit dem entgegen wirken.
- Freizeitbeschäftigung: In Zeiten, wo die Menschen mehr Freizeit haben, dient das Sammeln bestimmter Objekte dem Zeitvertreib und steuert der Langeweile entgegen.
- Weiterbildung: Sammeln dient der Weiterbildung in der Freizeit, da sich Sammler in der Regel mit historischen, kunsthistorischen und geographischen Aspekten auseinandersetzen müssen.
- Kontakt zu anderen Menschen: In der modernen Gesellschaft, wo viele Menschen gegen eine Vereinsamung ankämpfen müssen, ermöglicht der Austausch mit gleichgesinnten Sammlern Kontakt und persönliche Kommunikation mit diesen Sammlern.
- Gesellschaftliche Stellung: Da der Sammler einer große Sammlung zu einem ganz bestimmten Sammelgebiet Anerkennung zumindest bei gleichgesinnten Sammlern finden wird, bessert sich seine Stellung in der Gesellschaft.
[Bearbeiten] Philosophie des Sammelns
Neuere philosophische Überlegungen kritisieren eine einseitige, psychopathologisierende Betrachtung des Sammelns (als „zwangsneurotisch“) und legen demgegenüber den Akzent auf die kreative Potenz des Sammelns als Gestaltung einer eigenen „Wunschwelt“.
[Bearbeiten] Sammeln als Phänomen der Industrieländer
Die Komplexität der modernen Industriegesellschaft weckt oft den Wunsch nach Einfachheit und Überschaubarkeit, deren Illusion durch die Beschäftigung mit überschaubaren Sammelgebieten erzeugt werden kann. Die Vereinzelung und Individualisierung führt zudem zu einem Mangel an Sozialkompetenz, so dass sich viele Menschen bevorzugt der Beschäftigung mit Gegenständen widmen. Als weiterer Punkt führt die hochgradige Arbeitsteilung zu einem ausgeprägten Spezialistentum, das zu einem Mangel an Kompetenzen in anderen Lebensbereichen führt. Die Folge ist eine allgemeine subtile Lebensunsicherheit, die wiederum das Bedürfnis weckt, sich mit überschaubaren Themen zu beschäftigen, um ein Gefühl der Sicherheit wiederherzustellen. Die allgemeine Angst vor Arbeitsplatzverlust und sozialem Abstieg wirkt in gleicher Weise.
Siehe auch: Simple living
[Bearbeiten] Allgemeine Literatur
- Andreas Grote (Hrsg.): Macrocosmos in Microcosmo. Die Welt in der Stube. Zur Geschichte des Sammelns 1450 bis 1800, Opladen 1994, S. 909-918.
- Werner Muensterberger: Sammeln. Eine unbändige Leidenschaft, Frankfurt am Main 1995.
- Andreas Urs Sommer / Dagmar Winter / Miguel Skirl: Die Hortung. Eine Philosophie des Sammelns, Düsseldorf 2000. ISBN 3-930450-54-2.
- Philipp Blom: Sammelwunder, Sammelwahn. Szenen aus der Geschichte einer Leidenschaft, Frankfurt am Main 2004.
- Lothar Beinke, Sammeln und Sammler, Tönningen 2005, ISBN 3899593596
- Lindemann, Adam: Collecting Contemporary, Taschen Verlag, Köln 2006, ISBN 978-3-8228-4938-5
- Schloz, Thomas: Die Geste des Sammelns. Eine Fundamentalspekulation, Stuttgart 2000, ISBN 3-8311-0671-1
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: sammeln – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |