Schönheit
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Schönheit ist ein abstrakter Begriff, der stark mit allen Aspekten menschlichen Daseins verbunden ist. Mit der Bedeutung dieses Begriffes beschäftigt sich hauptsächlich die philosophische Disziplin der Ästhetik. Wie jede Wertung, ist dieser emotional positiv belegte Begriff von Wertvorstellungen (Bewertungsmaßstäben) und Bewertungszielen abhängig, die auch durch gesellschaftliche Konventionen geprägt werden. Welche Wertmaßstäbe dem Begriff „Schönheit“ zu Grunde liegen, und wie diese zustande kommen, ist auch Untersuchungsgegenstand von Natur- und Geisteswissenschaften.
Inhaltsverzeichnis |
Allgemein
Psychologie und Soziologie
Psychologie und Soziologie betrachten die Bewertung „schön“ in Abhängigkeit von psychogenetisch bzw. gesellschaftlich geprägten Wertvorstellungen. Diese fundamentale Bewertung wird sowohl auf Empfindungen des Einzelnen angewendet, wie auch auf die gesamte menschliche und nicht-menschliche Umwelt eines Menschen. Die Bewertung hat daher Rückkopplungen auf die Psyche, auf alle Bereiche der menschlichen Gesellschaft und auf die außermenschliche Umwelt - mithin auf die Bildung und Änderung von Konventionen (siehe auch: Wertewandel).
Zur Soziologie der Schönheit haben Kunst- und Literatursoziologie viel beigetragen, während z.B. die „Schönheit eines Weibes“ in den Gender Studies eher unter Ideologie-Verdacht gestellt wird und die Biosoziologie hierzu oft schweigt.
Philosophie
In der Philosophie beschäftigt sich die Ästhetik mit der Frage, was Schönheit sei. Als Erfinder des Namens dieser philosophischen Disziplin gilt Alexander Gottlieb Baumgarten (1714-1762), dessen Aesthetica (1750/58) ein ganz neues Feld philosophischer Arbeit eröffneten. Dennoch gibt es natürlich auch in der älteren Philosophiegeschichte Überlegungen zur Schönheit. In der Philosophie des Mittelalters gilt Schönheit etwa als „Glanz der Wahrheit“, eine Eigenschaft von Gedanken, die von deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit abhängt. In der Neuzeit wird Schönheit nicht mehr als Eigenschaft von Gegenständen definiert, sondern als Urteil des Verstandes.
Baumgarten
Für Baumgarten ist Schönheit die Vollkommenheit der sinnlichen Erkenntnis. Ähnlich wie seine philosophischen Ahnen Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff teilte er die Erkenntnisvermögen des menschlichen Verstandes in obere und untere Vermögen ein, in logische und sinnliche Erkenntnis. Während die logischen Vermögen als einziges Mittel galten, zu sicherem Wissen zu gelangen, betrachtete man die sinnliche Erkenntnis mit Misstrauen: Einerseits war sie fehlerbehaftet, andererseits bot sie nicht genug Klarheit und Deutlichkeit. Baumgarten nun argumentierte, dass man zur klaren und deutlichen Erkenntnis nur über den Zwischenschritt der „dunklen“ Sinneswahrnehmung gelangen könne. Diese sollte nun Gegenstand der neuen philosophischen Theorie namens Ästhetik sein.
In der (Theoretischen) Ästhetik geht es Baumgarten um die Vervollkommnung der sinnlichen Erkenntnis (perfectio cognitionis sensitivae). Die Vollkommenheit dieser Erkenntnis ist die Schönheit, ihre Unvollkommenheit die Hässlichkeit (§14). Dabei geht es Baumgarten hauptsächlich um das „schöne Denken“. Dessen Schönheit ist definiert als innere Kohärenz der Gedanken sowie die Kohärenz des Ausdrucks mit dem Gegenstand und mit sich selbst.
Kant
Die einflussreichste philosophisch Definition von Schönheit in der Neuzeit stammt wohl von Immanuel Kant. Das maßgebliche Werk ist seine Kritik der Urteilskraft (1790). Hier definierte Kant Schönheit als Gegenstand einer bestimmten Tätigkeit der Urteilskraft: das ästhetische Urteil oder Geschmacksurteil.
Ästhetische Urteile basieren nach Kant auf privaten, subjektiven Empfindungen des Gefallens oder der Abneigung, der Lust oder Unlust. Insofern könnte man meinen, schön sei einfach, was uns persönlich angenehm sei. Kant stellt jedoch einen Unterschied fest: Über das Angenehme lässt sich nicht streiten, denn jeder empfindet etwas anderes als angenehm und wird dies auch zugeben. Ästhetische Urteile dagegen sind zwar subjektiven Ursprungs, sie haben jedoch Anspruch auf Allgemeingültigkeit - wer über die Schönheit eines Gegenstandes urteilt, behauptet zugleich, ein Urteil zu fällen, dem auch andere zustimmen müssten. Schönheit hat daher den Anspruch subjektiver Allgemeinheit. Anders als über das Angenehme lässt sich über Schönheit und Geschmack durchaus sinnvoll streiten, da jedes Geschmacksurteil sich anmaßt, über die Empfindungen anderer mit zu urteilen.
Die Grundlage dieser Argumentation ist die Abgrenzung zwischen dem Guten, dem Angenehmen und dem Schönen. Das Gute ist etwas, an dem wir ein motiviertes Interesse haben - es macht für uns einen Unterschied, ob etwas Gutes vorhanden ist oder nicht. Auch am Angenehmen haben wir Interesse, da die Empfindung des Angenehmen für uns begehrenswert ist (und wir das Unangenehme meiden). Das Gute, das Schöne und das Angenehme beruhen auf unserer subjektiven Empfindung des Wohlgefallens, der Lust im Gegensatz zum Missfallen und zur Unlust. Das Urteil über das Schöne allerdings ist das einzige, welches das persönliche Interesse an dem Gegenstand nicht berücksichtigt (und nicht berücksichtigen darf, da es sonst verfälscht wird). Daher definiert Kant Schönheit in einer berühmten Formulierung als „interesseloses Wohlgefallen“.
Kunst
Seit der Moderne ist die Kategorie der „Schönheit“ auch für die Kunst kritisch angefochten. Das „Schöne“ ist nicht mehr der „Glanz der Wahrheit“, sondern im Gegenteil das „Schöngemachte“, „Geschmeichelte“ und von daher „Unwahre“. Der ganze Begriff der „Mode“ und „Moden“ bekommt deshalb gerade in Bezug auf Kunst den Charakter des „Unernsten“ und „Unwahren“ und deshalb „Unkünstlerischen“. Im Extremfall wird das zu schöne, dekorative Bild dem „Kitsch“ zugerechnet. Alternative Ästhetiken wie die des „Erhabenen“, „Hässlichen“, „Interessanten“ oder „Authentischen“ ersetzen in der Kunst der Moderne zunehmend das „Schöne“, von dem man sich keinen Begriff mehr machen kann.
Naturwissenschaft
Naturwissenschaftliche Versuche, „Schönsein“ zu definieren, beschränken sich meist auf die Angabe von „Idealmaßen“ für das, was gemeinhin als schön empfunden wird, wobei umstritten bleibt, ob diese „Ideale“ allgemeingültig sind oder nur Ausdruck einer immer wieder wechselnden Mode.
Alltag
Im Alltag wird als „schön“ meist etwas bezeichnet, was einen besonders angenehmen Eindruck hinterlässt: ein schöner Körper, ein schönes Musikstück, eine schöne Bewegungsabfolge im Tanz, aber auch Erlebnisse wie z.B. Gestreichelt-Werden. Eine Nähe zu Begriffen wie Harmonie und Symmetrie fällt auf, eine Abgrenzung gegenüber sinnlicher Überwältigung oder dem „nur“ Hübschen, dem das Besondere fehlt, ist nicht immer leicht.
Was in diesem alltäglichen Sinne als „schön“ bezeichnet wird, ist bis zu einem gewissen Grade von wechselnden „Schönheitsidealen“ abhängig, die sich beispielsweise in Schönheitswettbewerben äußern. So gibt es die These, dass in den Industriegesellschaften heutzutage nur deswegen besonders schlanke Menschen als schön gelten, weil Nahrung im Überfluss vorhanden ist, während unter anderen Umständen beleibte Menschen, die durch ihre Körperfülle Wohlgenährtheit signalisieren, als schön bezeichnet werden. Diese These scheitert aber wohl schon an dem Umstand, dass eine schlanke Figur als Ideal im Okzident weit älter ist als Industrialisierung und allgemeiner Wohlstand. Diese Argumentation gehört in den Kontext des Biologismus, demzufolge das als schön und erstrebenswert gilt, was einen biologischen Vorteil, z.B. bei der natürlichen Auslese, verspricht. Solchen Theorien zufolge ist z.B. Symmetrie ein Zeichen dafür, dass eine Person gesund aufwuchs und frei von sichtbaren genetischen Defekten ist. Diese Theorie wird allerdings zunehmend durch neue Ergebnisse relativiert (siehe hierzu eine aktuelle Studie der Uni Regensburg). Auch gibt es die Annahme, dass in allen Kulturen Frauen mit einem Taille-zu-Hüfteverhältnis von ungefähr 75% als schön gelten würden. Die Theorie des Taille-zu-Hüfte-Verhältnisses (Waist-to-Hip-Ratio) entdeckte der Psychologe Devendra Singh; es sei bei den meisten Frauen ein Zeichen für ihre Fruchtbarkeit. Dass Schönheit als Kriterium vor allem an Frauen gemessen wird, ist wohl ein Attribut der patriarchalen Gesellschaft. Der Begriff Lookism benennt die Diskriminierung aufgrund von Schönheitsnormen.
Die Einflüsse der Antike und des Christentums (Differenzierung von Körper und Geist, Askese) sollten für ein Verständnis okzidentaler Ästhetik nicht außer Acht gelassen werden.
Schönheitsideal
Bestimmte Menschen vermögen ihren Schönheitssinn zu entwickeln und zu verändern. Geringste Abweichungen eines Ideals empfinden sie als unschön. Viele Musiker hören minimale Abweichungen vom vorgegebenen Ton als Dissonanz. Je tiefer man sich auf ein bestimmtes ästhetisches Gebiet spezialisiert, desto höher wird in der Regel der Schönheitsanspruch.
In der Philosophie gibt es seit der Antike Versuche zu verstehen, was Schönheit ist. Die den Pythagoräern zugeschriebenen Schriften zeigen, dass sie einen engen Zusammenhang zwischen Schönheit und bestimmten mathematischen Verhältnissen sahen, z.B. dem goldenen Schnitt oder den Zahlenverhältnissen, die den musikalischen Intervallen zu Grunde liegen. (Die moderne Forschung scheint dieses zu bestätigen: Menschen, deren Gesichter symmetrisch und dem goldenen Schnitt gemäß proportioniert sind, gelten attraktiver als andere.)
Insbesondere im Gefolge Platons verbreitete sich die Ansicht, schön sei, was „gut“ ist. „Gut“ ist dabei weniger im Sinne eines moralischen Urteils zu verstehen, sondern als Maß dafür, inwieweit ein Objekt mit seiner Idee übereinstimmt. So ist ein Tisch dann schön, wenn er ein besonders guter Tisch ist, also besonders geeignet dafür, ihn als Tisch zu verwenden. Auf diese Weise wird versucht, dem Begriff „Schönheit“ eine allgemeine, zeitübergreifende Bedeutung zu geben. In diesem Sinne können auch Dinge „schön“ sein, deren Auswirkungen aus menschlicher Sicht alles andere als gut sind, z.B. Wirbelstürme.
Die Bewertung von Kunstwerken auf Basis dieser Vorstellung ist weniger offensichtlich und steht nicht selten in Widerspruch zu modernen Einschätzungen. Allerdings werden auch heute nicht alle als ästhetisch anspruchs- und wertvoll geltenden Kunstwerke als „schön“ bezeichnet, z.B. bestimmte groteske oder sarkastische Werke.
Schönheit und Komplexität
Gelegentlich wird versucht, den Begriff der Schönheit über den Begriff der Komplexität, insbesondere theoretisch anhand der Kolmogorow-Komplexität zu fassen. Dass hier kein einheitlicher Ansatz existiert, zeigt die Tatsache, dass einmal Objekte mit hoher Komplexität, ein andermal solche mit niedriger Komplexität als „schön“ definiert werden.
Ein schöner Kreis hat beispielsweise niedrigere Komplexität als ein schönes Pferd. Deswegen ist er nicht notwendigerweise schöner, und viele würden sagen, Kreise und Pferde sind gar nicht vergleichbar. Jürgen Schmidhubers komplexitätsbasierte Theorie der Schönheit sieht daher das subjektiv schönste Muster aus einer Reihe vergleichbarer Muster als dasjenige mit der kürzesten Beschreibung in der Musterkodiersprache des subjektiven Beobachters. Dieser Ansatz führte ihn auch zum Konzept Kaum Komplexe Kunst, der Minimalkunst des Informationszeitalters.
Siehe auch
- Ästhetik, Wissenschaftsästhetik
- Attraktivität, Attraktivitätsforschung
- Schönheitsideal
- Kunstbegriff
- Lookism, Mode
- Anmut, Sexappeal
- Paradox der Hässlichkeit
- Weiblichkeit
- Wert, Werttheorie
- Vier Schönheiten Chinesisches literarisches Motiv
Literatur
Allgemeinverständlich
- Ulrich Renz: Schönheit – eine Wissenschaft für sich, Berlin Verlag, 2006, ISBN 3827006244
- Umberto Eco: Die Geschichte der Schönheit. München 2004. (Ita.: Storia della bellezza, 2004)
- Menninghaus, Winfried: Das Versprechen der Schönheit. Frankfurt am Main 2003.
- Etcoff, Nancy: Nur die Schönsten überleben. Die Ästhetik des Menschen. München 2001. (Eng.: The Survival of the Prettiest, 1999)
- Chahine, Nathalie: Schönheit. Eine Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. München 2000. (Frz.: La beauté du siècle, 2000)
- Andreas Hejj: Traumpartner - Evolutionspsychologie der Partnerwahl, 1996, ISBN 3540605487
- Drolshagen. Ebba D. Des Körpers neue Kleider: Die Herstellung weiblicher Schönheit, Frankfurt a. M.: Fischer, 1995
- Cramer, Friedrich ; Kaempfer, Wolfgang: Die Natur der Schönheit. Zur Dynamik der schönen Formen. Frankfurt am Main 1992.
Für Fachpublikum
- Was ist Schönheit, archithese 5.2005, ISBN 3-7212-0553-7
- Degele, Nina: „Sich schön machen.“ Zur Soziologie von Geschlecht und Schönheitshandeln. Opladen: VS-Verlag, 2004
- Henss, Ronald: „Spieglein, Spielglein an der Wand ...“ Geschlecht, Alter und physische Attraktivität. München: Beltz, 1992
- Henss, Ronald: Gesicht und Persönlichkeitseindruck. Göttingen: Hogrefe, 1988
- Degele, Nina: Ganz schön inszeniert. Überlegungen zu Heteronormativität und Schönheitshandeln. in: Feministische Studien, 22 Jg., Heft 1, Mai 2004: 6-21
- Degele, Nina: Bodification and Beautification. Zur Verkörperung von Schönheitshandeln. in: Sport und Gesellschaft, Jg. 1, Heft 3 (2004): 244-268
Weblinks
- FaceResearch – Aktuelle wissenschaftliche Forschungsberichte und Onlinestudien zur Rolle des Gesichts für die Schönheit
- Aktuelle Studie der Uni Regensburg zu Symmetrie und Kindchenschema als Schönheitskriterien
- [1] – Frauenbeschreibung in der mittelhochdeutschen Minnelyrik - Eine Studie mit Textbeispielen
- Kommentierte Bücherliste zum Thema Attraktivitätsforschung