Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996
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Die Reform der deutschen Rechtschreibung von 1996 war von Anfang an heftig umstritten und führte zu Auseinandersetzungen zwischen Befürwortern und Gegnern, die bis heute andauern. Die rechtliche Verbindlichkeit des der Reform zugrundeliegenden Regelwerks ist gemäß einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf den Bereich der Schulen beschränkt. [1] In den Jahren 2004 und 2006 wurde das Regelwerk in besonders strittigen Punkten überarbeitet. Im Folgenden wird die Geschichte des bisherigen Streits nachgezeichnet. Argumente für und wider die Reform, Inhalt und Regelwerk sowie die Geschichte der deutschen Rechtschreibung sind an anderer Stelle dargelegt.
[Bearbeiten] Vorgeschichte (1876 bis 1996)
[Bearbeiten] Die Orthographische Konferenz von 1876
Im Jahr 1876 wurde von der preußischen Regierung eine Konferenz zur Herstellung größerer Einigung in der Deutschen Rechtschreibung nach Berlin einberufen. 1879 und 1880 erfolgte dann die Veröffentlichung der bayrischen und preußischen offiziellen Regelbücher, die dann mit geringen Veränderungen auch im übrigen Deutschland angenommen wurden.
[Bearbeiten] Dudenmonopol
Im Jahr 1880 hatte Preußen die amtliche Orthographie auf Grundlage des Wörterbuchs von Konrad Duden geregelt. Dudens Wörterbuch blieb maßgeblich, als der Bundesrat 1902 für das gesamte Deutsche Reich verbindliche „Regeln für die Deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis“ erließ, denen sich Österreich und die Schweiz alsbald anschlossen.
In den folgenden Jahrzehnten wurde die Deutsche Rechtschreibung de facto von der Redaktion des „Duden“ weiterentwickelt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde diese Tradition in Leipzig und in Mannheim doppelt fortgeführt (Ost- und West-Duden). In Westdeutschland griffen zu Beginn der 1950er Jahre einige Verlage das faktische Dudenmonopol an, indem sie Wörterbücher mit abweichenden Schreibweisen herausbrachten. Daraufhin erklärten die Kultusminister der westdeutschen Bundesländer den Duden per Beschluss vom November 1955 in allen orthographischen Zweifelsfällen für verbindlich.
Die Dudenredaktion ging einerseits konservativ vor, indem sie es als ihre primäre Aufgabe betrachtete, im Wörterbuch den vorherrschenden Sprachgebrauch zu dokumentieren. Andererseits entwickelte sie im Regelwerk zur Klärung immer neuer Zweifelsfälle immer feinere Verästelungen.
[Bearbeiten] Reformdebatte in der Nachkriegszeit
Die fachwissenschaftliche Debatte politisierte sich im Gefolge der 1968er-Bewegung: normierte Rechtschreibung wurde als repressiv und als Mittel der sozialen Selektion kritisiert. Reformvorschläge bemühten sich nun nicht mehr nur um die Klärung von Zweifelsfällen, sondern wollten die deutsche Rechtschreibung grundlegend vereinfachen und dadurch insbesondere das Schreibenlernen vereinfachen.
Vielen Vorschlägen gemeinsam war die Forderung nach „gemäßigter Kleinschreibung“: die generelle Großschreibung von Substantiven sollte abgeschafft, die von Eigennamen dagegen beibehalten werden. Eine solche Reform hatte nach dem Zweiten Weltkrieg Dänemark durchgeführt.
Allerdings ergab eine viel beachtete Untersuchung in den Niederlanden, dass eine dem Deutschen entsprechende Groß- und Kleinschreibung einen großen Einfluss auf die Lesegeschwindigkeit hat. Die Probanden waren mit einer solchen Groß- und Kleinschreibung in der Lage, Texte in ihrer Muttersprache sehr viel schneller zu lesen als in gemäßigter Kleinschreibung. (Darstellung und Literaturhinweise in der Grammatik das Wort/der satz.) Als Reaktion wurde in verschiedenen europäischen Ländern, darunter Großbritannien, darüber diskutiert, eine dem Deutschen entsprechende Groß- und Kleinschreibung einzuführen. Die Diskussionen verliefen jedoch ausnahmslos im Sande.
[Bearbeiten] Institutionalisierte Reformberatungen seit 1980
1980 wurde der „Internationale Arbeitskreis für Orthographie“ gegründet und mit Germanisten aus der Bundesrepublik Deutschland, der Deutschen Demokratischen Republik, Österreich und der Schweiz besetzt.
Die Vorüberlegungen wurden vorangetrieben durch die zwei „Wiener Gespräche“ von 1986 und 1990, zu denen die österreichische Bundesregierung Vertreter aus allen Gebieten, in denen Deutsch gesprochen wird, eingeladen hatte. An der Schlusserklärung des 1. Wiener Gesprächs wurde angekündigt, die „umstrittene Groß- und Kleinschreibung“ vorerst auszublenden, um sie später in einem „zweiten Schritt“ in Angriff zu nehmen.
1987 erteilte die deutsche Kultusministerkonferenz (KMK) dem Institut für Deutsche Sprache in Mannheim den Auftrag, zusammen mit der Gesellschaft für Deutsche Sprache in Wiesbaden ein neues Regelwerk zu entwerfen. 1988 übergaben diese einen noch unvollständigen Vorschlag mit zahlreichen, sehr weitreichenden Neuregelungen (zum Beispiel neu „Bot“ statt „Boot“ oder „Keiser“ statt „Kaiser“), der in der Öffentlichkeit und bald auch von der KMK als unannehmbar zurückgewiesen wurde.
Parallel dazu hatte die Schweizer Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren eine Expertengruppe mit dem gleichen Auftrag eingesetzt; beim Österreichischen Bundesministerium für Unterricht und Kunst gab es eine 'Wissenschaftliche Arbeitsgruppe des Koordinationskomitees für Orthographie'; in der DDR die 'Forschungsgruppe Orthographie' am Zentralinstitut für Sprachwissenschaft an der Akademie der Wissenschaften.
1992 veröffentlichte der Internationale Arbeitskreis einen alle Bereiche der Orthographie behandelnden Vorschlag unter dem Titel „Deutsche Rechtschreibung – Vorschläge zu ihrer Neuregelung“ (Narr, Tübingen).
1993 lud die KMK 43 Verbände zur Stellungnahme ein. Anhörungen fanden in Deutschland, Österreich und der Schweiz statt. Der IAR zog daraufhin die Forderung nach gemäßigter Kleinschreibung zurück. Es blieb auch bei der Unterscheidung von das/daß.
Auf dem 3. Wiener Gespräch, auch Wiener Orthographiekonferenz genannt, das vom 22. bis zum 24. November 1994 stattfand, wurde das Beratungsergebnis den politischen Entscheidungsinstanzen zur Annahme empfohlen. Im Anschluss an die „politische Willensbildung in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz“ solle Ende 1995 ein Abkommen geschlossen werden. Der Dudenverlag machte die Ergebnisse der Wiener Orthographiekonferenz im Dezember 1994 in einer Broschüre publik und vertrat die Auffassung: „Bei der Neuregelung handelt es sich nicht um eine ‚Reform an Haupt und Gliedern', sondern um eine ‚kleine Reform der Vernunft' “.
1995 beschlossen die deutschen Kultusminister in der KMK, die Neuregelung mit einigen Änderungen spätestens ab dem 1. August 1998 mit einer Übergangsphase bis zum 31. Juli 2005 einzuführen.
Am 1. Juli 1996 verpflichteten sich die deutschen Bundesländer, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und weitere Staaten mit deutschsprachigen Bevölkerungsteilen durch die Wiener Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung, die neue Orthographie bis zum 1. August 1998 einzuführen. Einige Bundesländer führten bereits mit Schulbeginn 1996/97 die neuen Regeln im Unterricht ein. Es entbrannte ein Wettrennen um die Herausgabe der ersten Wörterbücher in neuer Rechtschreibung. Für die Verlage zahlte sich die Rechtschreibreform aus: für viele Jahre belegte der Duden Spitzenplätze auf Bestsellerlisten; der Schulbuchmarkt erlebte eine Sonderkonjunktur.
[Bearbeiten] Öffentliche Auseinandersetzungen seit 1996
Erst nach Unterzeichnung der zwischenstaatlichen Absichtserklärung wurde die Neuregelung in der breiten Öffentlichkeit bekannt. Durch das Erscheinen der neuen Wörterbücher im Juli/August 1996 wurde die Kritik der Reformgegner bestätigt. Sie drängten nun darauf, die Neuregelung zurückzunehmen. Die Kultusministerkonferenz lehnte jedoch die daraufhin von den Reformern vorgeschlagenen Nachbesserungen ab. Auch die Duden-Redaktion räumte ein, dass viele Probleme im Zusammenhang mit der alten Rechtschreibung vor allem mit der unverständlich formulierten und spitzfindigen Darstellung der Rechtschreibregeln im Duden zusammenhingen.
[Bearbeiten] Frankfurter Erklärung (1996)
Auf der Frankfurter Buchmesse 1996 unterzeichneten hunderte Schriftsteller und Wissenschaftler die Frankfurter Erklärung für einen Stopp der Reform.
[Bearbeiten] Urteil des Bundesverfassungsgerichts (1998)
Nachdem Verwaltungsgerichte im Lauf des Jahres 1997 unterschiedlich geurteilt hatten, erklärte das Bundesverfassungsgericht am 14. Juli 1998 die Einführung der neuen Rechtschreibung per Kultusministererlass für die Bereiche Schulen und öffentlichen Dienst für rechtmäßig.
[Bearbeiten] Volksentscheid in Schleswig-Holstein (1998)
In Schleswig-Holstein wurde in einem Volksentscheid am 27. September 1998 die Wiedereinführung der herkömmlichen Rechtschreibung beschlossen. Ministerpräsidentin Heide Simonis hatte schon vorher angekündigt, den Volksentscheid mit der Landtagsmehrheit wieder aufzuheben. Das Volksgesetz wurde dann tatsächlich vom Kieler Landtag im September 1999 aufgehoben. In Bayern war 1996/97 eine Volksinitiative erfolgreich. Aber das dadurch mögliche Volksbegehren wurde von den Initiatoren um Friedrich Denk aufgegeben.
[Bearbeiten] Nachbesserungen am reformierten Regelwerk
[Bearbeiten] Zwischenstaatliche Kommission (1997 bis 2004)
1997 konstituierte sich die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung. Sie sollte im Auftrag der Kultusminister die Einführung der neuen Regeln begleiten und Zweifelsfälle ausräumen.
Anfang 2004 kündigte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn an, künftig solle die Zwischenstaatliche Kommission weitestgehend autonom über die deutsche Rechtschreibung entscheiden; nur noch Reformen von der Bedeutung etwa der gemäßigten Kleinschreibung bedürfen noch ministerieller Zustimmung. Der Vorstoß wurde scharf kritisiert.
Parallel dazu legte die Zwischenstaatliche Kommission ihren vierten Bericht zur Rechtschreibreform vor, in dem sie die neue Rechtschreibung in zahlreichen Punkten revidierte.
Anfang März 2004 tagte die Kultusministerkonferenz und vertagte den Beschluss über den von der Zwischenstaatlichen Kommission vorgelegten vierten Bericht auf Juni. Außerdem wurde der Zwischenstaatlichen Kommission aufgetragen, mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung zusammenzuarbeiten. Diese Entscheidung war insofern bemerkenswert, da die Akademie die Rechtschreibreform scharf kritisiert hatte und dafür von der Zwischenstaatlichen Kommission heftig angefeindet worden war. Ferner beschloss die Kultusministerkonferenz, dass die Zwischenstaatliche Kommission teilweise neu besetzt und erweitert werden solle.
Im Mai 2004 legte die Kommission einen Bericht über die Gespräche mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung vor und modifizierte dabei einige Formulierungen ihres Änderungsvorschlags aus dem vierten Bericht, ohne ihn im Kern zu verändern.
Im Juni 2004 stimmte die Kultusministerkonferenz dem vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für Deutsche Rechtschreibung sowie dem ergänzenden Bericht vom 18. Mai 2004 zu. Erneut kam es auch zu einer weiteren Rechtschreibreformierung. Die jetzt vorgeschlagenen Schreibweisen umfassen zum Beispiel „seit Längerem“ (neben: „seit längerem“), „leidtun“ (neben: „Leid tun“), „die Meisten“ (neben: „die meisten“); sie machten die bisherigen reformierten Schreibweisen, die 1998 in Kraft getreten waren, nicht falsch, sondern waren gleichberechtigt gültig. Zudem bekräftigten die Kultusminister, dass der Übergangszeitraum am 1. August 2005 - übrigens dem 94. Todestag Konrad Dudens - enden solle.
[Bearbeiten] Rat für deutsche Rechtschreibung (2004 bis heute)
Außerdem entschieden die Kultusminister im Juni 2004, einen Rat für deutsche Rechtschreibung einzurichten, der an die Stelle der Zwischenstaatlichen Kommission trat. Der Beschluss erfolgte einstimmig und kann auch nur einstimmig geändert werden.
Dieser Rat für Deutsche Rechtschreibung nahm am 17. Dezember 2004 seine Arbeit auf und sollte sich zunächst um die besonders umstrittenen Themen der Rechtschreibreform, wie z. B. der Zusammen- und Getrenntschreibung sowie der Eindeutschung von Fremdwörtern („Ketschup“, „Portmonee“) kümmern. Doch wurde gleich anfangs klargestellt, dass dieser Rat keine Rückkehr zur alten Rechtschreibung beschließen darf.
Am 27. Februar 2006 überreichte der Rat für Deutsche Rechtschreibung der Kultusministerkonferenz eine Reihe weiterer Empfehlungen für Änderungen. Sie betrafen vor allem reformierte Groß- und Klein- sowie Zusammen- und Getrenntschreibungen. So sollten Eigennamen wie „der Runde Tisch“ nun wieder großgeschrieben und Wörter wie „eislaufen“ wieder zusammengeschrieben werden. Zudem gab es eine Liste von Einzelentscheidungen, wie bei „es tut mir leid“. Weitere Änderungen betrafen das Trennen am Zeilenende. So sollten sinnentstellende reformierte Trennungen, wie „Urin-stinkt“ und Trennungen einzelner Buchstaben wie bei „E-sel“ nicht mehr zulässig sein. Die Neuerungen, die zum großen Teil eine Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung bedeuteten, traten mit dem neuen Schuljahr in Kraft, wobei die voherigen, reformierten Schreibweisen erst nach einer Übergangsfrist von einem Jahr als Fehler bemängelt werden sollten.
Die Kultusministerkonferenz stimmte am 2. März 2006 den Vorschlägen des Rates zu, so dass die erneut reformierte Rechtschreibreform bundesweit am 1. August 2006 in Kraft getreten ist.
[Bearbeiten] Rechtlicher Status
Dass die Neuregelung für Schulen und Behörden verbindlich sei, stimmt nicht ganz. Staatliche Organe haben entsprechende Weisungsbefugnis nur für einen bestimmten Bereich, Landesregierungen beispielsweise haben diese Befugnis nur für Landesbehörden (zu denen auch die Schulen zählen), für Kommunalorgane haben sie diese Weisungsbefugnis nicht.
[Bearbeiten] Zwischenstaatliche Absichtserklärung
Die Rechtschreibreform beruht auf einer am 1. Juli 1996 von den Vertretern der mehrheitlich deutschsprachigen Staaten Deutschland, Österreich und Schweiz unterzeichneten zwischenstaatlichen Absichtserklärung über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Es handelt sich demzufolge nicht um einen staatsrechtlichen Vertrag. Unterzeichner für Deutschland waren der Präsident der Kultusministerkonferenz, Karl-Heinz Reck, und der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums, Eduard Lintner.
[Bearbeiten] Deutschland: Erlasse der Kultusminister
Es gibt kein Rechtschreibgesetz; ein solches ist auch nicht notwendig, da das Bundesverfassungsgericht klargestellt hat, dass die Schulorthographie per Erlass geregelt werden kann. Die neue Rechtschreibung wurde in den Schulen etlicher Bundesländer bereits im Schuljahr 1996/97 mit Kultusministererlassen eingeführt, in den Behörden mit Innenministererlassen dagegen erst am 1. August 1998. Bis zum 31. Juli 2005 bestand eine Übergangsfrist. Während dieser Frist sollten in Schulen Schreibweisen, die nach der alten Rechtschreibung, nicht aber nach der neuen Rechtschreibung zulässig waren, zwar angestrichen, aber nicht als Fehler gewertet werden. Nach Ende der Übergangsfrist trat die alte Rechtschreibung endgültig außer Kraft.
[Bearbeiten] Österreich: Österreichisches Wörterbuch
In Österreich ist das Regelwerk das Österreichische Wörterbuch in seiner aktuellen Auflage.
[Bearbeiten] Stand der Umsetzung
Ein großer Teil der Periodika erscheint mittlerweile in einer Variante der reformierten Rechtschreibung, meist mit einer eigenen Hausorthographie. Von den fast 200 Zeitungen und Zeitschriften (Stand August 2005), die entweder immer noch in der vor der Reform 1996 üblichen Rechtschreibung publizieren, zur bisherigen Rechtschreibung zurückgekehrt sind oder diese Umstellung angekündigt haben, sind vor allem die Medien der Axel-Springer-AG nach einer weiteren „Reform der Reform“ zum 1. August 2006 zu einer reformierten Rechtschreibung übergegangen, die oft mit eigenen hausinternen Schreibvarianten verändert wurde. Von einer einheitlich geregelten und akzeptierten deutschen Rechtschreibung wie vor 1996 kann unter diesen Voraussetzungen keine Rede mehr sein.
Die FAZ kehrte im Jahre 2000 schon nach einem Erprobungsjahr wieder zur alten Schreibweise zurück, will jedoch zusammen mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung ab dem 1. Januar 2007 eine Hausorthographie einführen. Zeitungen wie die Jüdische Allgemeine, Forschung & Lehre, inamo, Junge Welt, Junge Freiheit und konkret erscheinen weiter in traditioneller Rechtschreibung. Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung kündigten im August 2004 ebenfalls eine Rückkehr an und führten schrittweise traditionelle Schreibweisen wieder ein. Die angekündigte große Umstellung blieb allerdings aus. Als sich eine teilweise Rückkehr zu den traditionellen Schreibweisen in der „Zehetmair-Kommission" abzeichnete, folgte der Spiegel ab dem 2. Januar 2006 „den bisherigen Ergebnissen des Rats für deutsche Rechtschreibung“.
Im Juli 2006 beschloss die Arbeitsgemeinschaft der deutschsprachigen Nachrichtenagenturen nach einer Kundenbefragung, künftig die klassischen Schreibweisen wieder vorzuziehen. Mitglieder dieser Arbeitsgemeinschaft sind neben Deutsche Presseagentur (dpa) und ddp auch APA, AFP, Associated Press (AP), Dow Jones, epd, KNA, Reuters und sid. Der Rückbau der Reformregeln soll nach einem Beschluss, der im Dezember 2006 veröffentlicht wurde, zum 1. August 2007 umgesetzt werden.
Während nur eine Minderheit der Medien die Reform voll anwendet, arbeitet der überwiegende Teil auf der Basis einer eigenen Hausorthographie mehr oder weniger nach den Regeln der reformierten Rechtschreibung bzw. traditionellen Rechtschreibung. In den reformierten Hausrechtschreibungen wird insbesondere die sogenannte Heyse'sche s-Schreibung, welche zwischen 1879 und 1901 erfolglos in Österreich-Ungarn getestet worden war, bevorzugt. Erwähnenswert sind hierbei der Springer-Verlag, die Zeit und die Neue Zürcher Zeitung (NZZ). Während die Neue Zürcher Zeitung mit ihrer Hausorthographie deutlich näher an der traditionellen Rechtschreibung als an der reformierten steht, geht die von Dieter E. Zimmer für die Zeit entworfene Hausorthographie teilweise noch weiter als die Rechtschreibreform selbst (z. B. „Foton“ statt „Photon“).
Bei den Buchverlagen richtet sich die Umsetzung der Rechtschreibreform stark nach dem jeweiligen Segment und ist daher oft auch innerhalb eines Verlages uneinheitlich: Schulbücher, Kinder- und Jugendbücher sowie Sachbücher folgen überwiegend der neuen Rechtschreibung, bei deutschsprachigen Romanen richten sich die Verlage in der Regel nach den Wünschen der Autoren. Bei Übersetzungen fremdsprachlicher Belletristik wird ähnlich verfahren.
Klassische Werke der Literatur werden häufig unverändert in der alten Rechtschreibung gedruckt, abweichend davon werden aber Klassiker, die für den Schulgebrauch gedacht sind, wie zum Beispiel die bekannten „Reclam-Heftchen“, durchaus an die neue Rechtschreibung angepasst. Insgesamt erscheinen, nach einer Umfrage des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, 80 % aller neu verlegten Bücher in neuer Rechtschreibung.
Am 28. August 2004 erschien die 23. Auflage des Dudens. Es handelt sich hierbei um den dritten Duden, der seit Beschluss der Rechtschreibreform im Jahre 1996 erschienen ist. In der neuesten Auflage berücksichtigt der Duden auch die im Juni 2004 von der Kultusministerkonferenz beschlossenen Änderungen.
Im August 2004 hatte die Stadtverwaltung von Braunschweig die Rückkehr zur alten Rechtschreibung beschlossen - als einzige Stadt bundesweit. Im August des folgenden Jahres wurde jedoch wieder entschieden, sich prinzipiell nach der neuen Rechtschreibung zu richten, auch wenn die alte Schreibweise immer noch akzeptiert wird. Im März 2005 hat der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen empfohlen, die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sollten die reformierten Schreibweisen „vor dem Hintergrund der vielfältigen Defizite und Widersprüchlichkeiten der reformierten Rechtschreibung“ nicht anwenden.
Am 8. Oktober 2004 haben die deutschen Ministerpräsidenten einstimmig beschlossen, dass die neue Rechtschreibung termingerecht eingeführt werden soll. Es ist ein „Rat für die deutsche Rechtschreibung“ eingesetzt worden, der sich um eine Verbesserung der neuen Rechtschreibung kümmern soll und zwar insbesondere in den Bereichen Getrennt- und Zusammenschreibung, Interpunktion, Worttrennung und Schreibung von Fremdwörtern. In diesem Rat sitzen sowohl Befürworter als auch Gegner der Rechtschreibreform. Die Verbesserungen sollten noch vor der offiziellen Einführung der neuen Rechtschreibung am 1. August 2005 erfolgen.
Die wenige Tage später vorgestellte Zusammensetzung des Rates für Rechtschreibung unterschied sich deutlich von der angekündigten „pluralen“ Verteilung der Sitze: Laut einer Meldung der Zeitung Deutsche Sprachwelt bestehe eine „erdrückende Mehrheit“ des designierten Rats aus Befürwortern der Rechtschreibreform. Die Besetzung sei daher auf Grund aktueller Umfrageergebnisse nicht repräsentativ.
Am 29. November 2004 stellte Doris Ahnen, Präsidentin der Kultusministerkonferenz, mit dem ehemaligen bayrischen Kultusminister Hans Zehetmair den designierten Vorsitzenden des Rates für Rechtschreibung vor. Zehetmair kündigte in einem dpa-Interview Korrekturen an. Eine Zurückführung zur alten Rechtschreibung, zur „Stunde Null“, schloss er aber aus.
Mit einer Änderung des Statuts am 17. Juni 2005 wurde die Arbeit des Rates für deutsche Rechtschreibung neu geregelt. (Obwohl diese Änderung die Grundlage für die Tätigkeit der Ratsmitglieder ist, wurde der neue Text den Mitgliedern zunächst nicht bekanntgegeben.) Darin legten die Kultusminister überraschend fest, dass der Rat für deutsche Rechtschreibung Änderungsvorschläge lediglich in den von den Kultusministern als „strittig“ eingestuften Bereichen
- Getrennt- und Zusammenschreibung
- Zeichensetzung
- Schreibung von Fremdwörtern
erarbeiten soll. Das Fehlen der Worttrennung am Zeilenende im Ratsstatut wurde später als Übertragungsfehler bezeichnet. Die Bereiche
- Laut-Buchstaben-Zuordnung
- Groß- und Kleinschreibung
- Schreiben mit Bindestrich
wurden dagegen von den Kultusministern als „unstrittig“ eingestuft, obwohl der Rat für deutsche Rechtschreibung auch in diesen Bereichen notwendige Änderungen angekündigt hat. Die Einführung der von der Kultusministerkonferenz als „unstrittig“ bezeichneten Teile der Rechtschreibreform soll nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz nicht verschoben werden. Bei den strittigen Bereichen soll von den Lehrern weiterhin Toleranz geübt werden.
Nach dieser Entscheidung gab es mehrere Versuche, ein bundesweites Moratorium zu erreichen, um dem Rat für deutsche Rechtschreibung mehr Zeit für seine Arbeit einzuräumen. Ein Vorstoß der Ministerpräsidenten der CDU-regierten Länder scheiterte jedoch am Minderheitsvotum der SPD-regierten Bundesländer.
Nachdem ein bundesweiter Aufschub gescheitert war, empfahl der Verfassungsrechtler Rupert Scholz denjenigen Bundesländern, die eine Verschiebung der Einführung der Rechtschreibreform wünschten, einen Alleingang. Dazu kam es dann am 16. Juli 2005, als die bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Bayern erklärten, die Einführung der Rechtschreibreform „bis auf weiteres“ auszusetzen. Man wolle die Ergebnisse des Rates für deutsche Rechtschreibung abwarten, um den „Empfehlungen des Rates zum Erfolg zu verhelfen“.
Seit 1. August 2005 galt die neue Rechtschreibung in den Schulen der Bundesrepublik Deutschland in den sogenannten unstrittigen Teilen, außer in Nordrhein-Westfalen und Bayern, wo weiterhin die Übergangsregeln verwendet wurden. Nachdem die Kultusministerkonferenz am 2. März 2006 den Vorschlägen des Rates für deutsche Rechtschreibung zugestimmt hat, ist die reformierte Rechtschreibreform ohne Ausnahmen durch einzelne Bundesländer in Deutschland am 1. August 2006 mit einjähriger Übergangsfrist eingeführt worden.
Am 30. März 2006 bestätigten die Ministerpräsidenten der Bundesländer in der Bundesrepublik die Reform der Reform für die BRD.
[Bearbeiten] Akzeptanz der Rechtschreibreform und Entwicklung in Deutschland
[Bearbeiten] Umfragen (2001 bis heute)
Die Zeitung Deutsche Sprachwelt schrieb am 20. Januar 2001: „Nach einer Umfrage des ,Allensbacher Institutes für Demoskopie' lehnen die weitaus meisten Deutschen die Rechtschreibreform ab. In einer repräsentativen Umfrage sagten nur 13 % von 2111 Befragten, sie hätten sich auf die neue Schreibweise eingestellt.“
Nach einer vom Fernsehmagazin „Panorama“ am 21. Juli 2004 veröffentlichten Studie zum Stand der Akzeptanz der Reform hielten auch sechs Jahre nach der Einführung 77 % der Deutschen die Rechtschreibreform für „nicht sinnvoll“. Nur jeder fünfte Bundesbürger (21 %) bewertete die Reform positiv.
Das Institut für Demoskopie in Allensbach untersuchte die Auswirkungen der Debatte im Sommer 2004 auf die Haltung der Bevölkerung gegenüber der Rechtschreibreform. In der repräsentativen Umfrage wollten nur 26 % der Deutschen über 16 Jahre die Rechtschreibreform beibehalten. Der Anteil der klaren Befürworter der Reform sank von 13 % im April 2004 auf 11 % im September 2004. Lediglich 19 % gaben an, sie beachteten die neuen Regeln. Die Demoskopen kommentierten, der Entschluss vieler Zeitungen, zur klassischen Schreibweise zurückzukehren, habe viele Bundesbürger zu einer ähnlichen Entscheidung veranlasst.
Im Gegensatz zur allgemeinen Volksstimmung, die mehrheitlich eine Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung forderte, sprang die deutschen Wirtschaft frühzeitig auf den Reformzug auf. Nach einer Umfrage des Handelsblatts vom Oktober 2004 war die Reform bei 70 % der deutschen Großunternehmen bereits umgesetzt, weitere 8 % wollten noch folgen. 71 % der befragten Unternehmen sprachen sich gegen eine Rückkehr zur alten Schreibung aus, hauptsächlich aus Kostengründen, zum Teil auch wegen der Verlässlichkeit getroffener Entscheidungen.
Im Juli 2005 wiederholte das Institut für Demoskopie in Allensbach seine Untersuchung zur Akzeptanz der Rechtschreibreform unter der Bevölkerung. Das Ergebnis zeigt eine klare Ablehnung der Rechtschreibreform in Deutschland: Nur 8 % der Befragten waren Befürworter der Reform, eine deutliche Mehrheit von 61 % sprach sich gegen die Reform aus.
Am 8. September 2006 veröffentlichte die Deutsche Sprachwelt in Zusammenarbeit mit dem Textdienstleister „Textfex“ ein „Stimmungsbild zur deutschen Sprache“. Wie in dem vergangenen Jahrzehnt seit der ersten Rechtschreibreform von 1996, zeigte sich eine erneute klare Ablehnung in Deutschland. Nur 28 Prozent der Befragten richteten sich nach den reformierten Schreibweisen, 16 Prozent schrieben nach eigenem Gutdünken und noch 56 Prozent hielten den traditionellen Regeln die Stange. Nur 14 Prozent aller Befragten befürworteten die Reform, 66 Prozent lehnen sie jedoch völlig ab.
[Bearbeiten] 2004: Die Reform auf dem Rückzug
Zum Welttag des Buches, am 23. April 2004, legte die Sprachzeitung Deutsche Sprachwelt erstmals eine Resolution zur Rücknahme der Rechtschreibreform vor, die bis Juni 2005 eine Vielzahl bekannter Autoren, Persönlichkeiten, Verlage, Organisationen, Schulen (u.a. das Hans und Sophie Scholl-Gymnasium Ulm) und Verbände unterschrieben.
Am 6. August 2004 erklärten die Verlage Axel-Springer-Verlag (u. a. BILD) und Der Spiegel sowie die Süddeutsche Zeitung (mit Einschränkungen) ebenfalls ihre Absicht, zu den alten Schreibweisen zurückzukehren, was erneut heftige Diskussionen um die Reform nach sich zog. Andere Verlage und Zeitungen kritisierten dieses Verhalten. Die taz ließ aus Protest ihre Ausgabe vom 12. August 2004 in Kleinschreibung erscheinen und bezeichnete die Anhänger der traditionellen Rechtschreibung als „Ewiggestrige“. Wenige Tage nach dem Vorstoß von Spiegel und Springer gab der Rheinische Merkur als weitere große Zeitung bekannt, ebenfalls zur traditionellen Rechtschreibung zurückkehren zu wollen.
Auf einem Treffen am 25. September 2004 beschloss die Kultusministerkonferenz mit großer Mehrheit, am Termin für die verbindliche Einführung zum 1. August 2005 festzuhalten und Nachbesserungen nur in einzelnen Bereichen durchzuführen. Daher wurde die Reform am 1. August 2005 in 14 von 16 Bundesländern durchgesetzt, wie im Vertrag zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz vereinbart worden war. Eine Sonderstellung hatte nur Bayern und Nordrhein-Westfalen in. Man unterrichtete zwar auch dort nach den Regeln der neuen Rechtschreibung, akzeptierte jedoch bis zum Inkrafttreten der dritten Fassung zum 1. August 2006 auch noch die traditionellen Schreibweisen.
Am 6. Oktober 2004 erklärte die Süddeutsche Zeitung, dass sie - entgegen ihrer Ankündigung - doch nicht zur alten Rechtschreibung zurückkehren werde.
Im Hinblick auf die notenrelevante Einführung der reformierten Rechtschreibregeln an den Schulen erklärten im Juli 2005 mehrere bereits zur klassischen Rechtschreibung zurückgekehrte Druckmedien (unter anderem die Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt), auch weiterhin die klassische Rechtschreibung verwenden zu wollen.
[Bearbeiten] 2006: Rechtschreibfrieden?
Nach einer Überarbeitung durch den Rechtschreibrat und einer Entscheidung der Kultusministerkonferenz wurde die dritte Fassung der Reform am 1. August 2006 bundesweit in den Schulen mit einjähriger Übergangsfrist eingeführt. Zu diesem Termin stellten auch Bild, Die Welt, Hörzu und die übrigen Medien der Axel-Springer-AG auf diese Schreibweise um. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wendet seit dem 1. Januar 2007 eine Hausorthographie an, die sich im großen und ganzen an der Reformschreibung von 2006 orientiert, jedoch einige Ausnahmen wie zum Beispiel „Stengel“ oder „rauh“ enthält. Die deutschsprachigen Presseagenturen wollen ab dem 1. August 2007 eine neue Hausorthographie einführen, die zwar von der Reformschreibung von 2006 ausgeht, diese jedoch weiter der traditionellen Rechtschreibung annähert, indem sie bei Varianten, zum Beispiel bei der Getrennt- und Zusammenschreibung, der traditionellen Schreibweise den Vorzug gibt. Bezüglich der Medien, die weiterhin die traditionelle Rechtschreibung verwenden, siehe: Liste der Druckmedien in alter Rechtschreibung. Andere Presseorgane haben wiederum eigene Hausorthographien, die aus den zahlreichen Alternativschreibweisen der neuen Rechtschreibmöglichkeiten verbindliche Schreibungen auswählen.
[Bearbeiten] Akzeptanz der Rechtschreibreform in Österreich
In Österreich wird die deutsche Rechtschreibung nach der Reform von 1996 verwendet. Verbindliches Regelwerk ist das Österreichische Wörterbuch in der 40. Auflage. Einige Zeitungen erscheinen aber auch hier weiter in traditioneller Rechtschreibung.
Nach einer im August 2004 veröffentlichten Gallup-Umfrage sprachen sich 62 % der Österreicher für eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung aus. Aus der österreichischen Presse verlautete, dass noch keine Entscheidung getroffen sei, man schloss eine Rückkehr zur alten Rechtschreibung ausdrücklich nicht aus. Viele österreichische Medien benutzen Hausregeln statt der offiziellen Orthographie.
Am 1. August 2005 wurden die Regeln der neuen Rechtschreibung für Ämter und Schulen verpflichtend. Zuvor galt eine siebenjährige Übergangsfrist, in der beide Rechtschreibungen gleichberechtigt nebeneinander verwendet werden durften, wobei in den Schulen nur noch nach der neuen Rechtschreibung unterrichtet wurde. Während der Frist wurden auch die österreichischen Schulbücher an die neue Schreibung angeglichen und mit einem eigenen Logo versehen, um auf den Umstand hinzuweisen.
Der Großteil der österreichischen Bevölkerung hat auch 2006 an der traditionellen Rechtschreibung festgehalten.
[Bearbeiten] Akzeptanz der Rechtschreibreform in der Schweiz
In der Schweiz gilt offiziell die reformierte Rechtschreibung gemäß der Version der 23. Duden-Auflage aus dem Oktober 2004. Die anhaltenden Rechtschreibdebatten in Deutschland wurden zeitweilig aus eher distanzierter Sicht betrachtet. Inzwischen gibt es aber eine deutliche Rückkehrbewegung.
In einer Presseerklärung vom 30. Juli 2005 kündigte die Schweizerische Depeschenagentur (SDA) jedoch an, in Kürze im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft mit weiteren deutschsprachigen Nachrichtenagenturen über die weitere Anwendung der reformierten Schreibweisen zu entscheiden. Die SDA erklärte, sich alle Optionen offenhalten zu wollen, „einschließlich einer vollkommenen Rückkehr zur herkömmlichen Rechtschreibung“. Außerdem lehne die gesamte Arbeitsgemeinschaft „grammatisch falsche Schreibweisen (z. B. Leid tun, Recht haben, das 8-Fache) sowie die unnötige Veränderung gewohnter Wortbilder und falsche Ableitungen ab (z. B. aufwändig; einbläuen, Quäntchen)“.
Am 1. August 2005 wurden die Regeln der reformierten Rechtschreibung für Schüler verbindlich, bis auf den Kanton Bern, dessen Lehrerverband die Reform nicht einführen will (das Schulwesen in der Schweiz wird kantonal betreut). Für Ämter und Behörden wurde die Übergangsregelung bis zum Vorliegen von Ergebnissen des Rates für deutsche Rechtschreibung verlängert.
Im Dezember 2006 kehrte die große Neue Zürcher Zeitung (NZZ), welche seit Mai 2000 die Reformen, soweit sie die Schweiz betrafen, umgesetzt hatte, zu einer internen Hausrechtschreibung um, welche in einer Reihe von Fällen die traditionelle Schweizer Rechtschreibung, die schon immer von der anderer deutschsprachiger Länder abwich, wieder bevorzugt. Diese neue (alte) Schreibe des Blattes hatte sich aus dessen Mitarbeit bei der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK) entwickelt. Die meisten Schweizer Printmedien verwenden inzwischen eine eigene Hausrechtschreibung.
Die Schweizer Schüler werden seit Jahren nur noch nach der reformierten Rechtschreibung unterrichtet, die für die Schweiz allerdings über die bisherigen Unterschiede hinaus manche Sonderregel enthält. Im Rat für deutsche Rechtschreibung setzen sich die zwei Mitglieder der Schweizer Lehrerverbände jedoch für eine Rückkehr zu den alten Regeln ein. Unterstützung erhalten sie von der Schweizer Orthographischen Konferenz (SOK), welche sich für eine moderate Rückkehr zur traditionellen Schweizer Rechtschreibung starkmacht.
[Bearbeiten] Akzeptanz der Rechtschreibreform in anderen deutschsprachigen Gebieten
An den meisten Schulen in Liechtenstein, Südtirol, dem deutschsprachigen Teil Belgiens und Namibia wird die Reformschreibung gelehrt, obwohl diese Regionen nicht an dem zwischenstaatlichen Abkommen zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt sind. In Luxemburg wird die Rechtschreibung nicht einheitlich gehandhabt.
Der Vatikanstaat bleibt bei der Rechtschreibung vor 1996 und wird der Reform nicht folgen, dies hat Papst Benedikt XVI. bei der Veröffentlichung der Enzyklika „Deus caritas est" am 25. Januar 2006 deutlich gemacht.
[Bearbeiten] Aktionen der Reformgegner
Seit 1996 gab es zahlreiche Aktionen gegen die Rechtschreibreform. Auch zehn Jahre später wollen Gegner die Reform rückgängig machen.
[Bearbeiten] Politiker
Der damalige bayrische Kultusminister Hans Zehetmair stellte sich in einem Interview der Passauer Neuen Presse am 30. April 2003 hinter die Kritiker der Reform: „Aber aus heutiger Sicht und noch deutlicherer Kenntnis der deutschen Wesensart würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen sollen. Ich sage: Politik, Hände weg von einer Rechtschreibreform! Sprache ist ein dynamischer Prozess, sie muss wachsen und entstehen.“ Welches „Chaos“ die Rechtschreibreform anrichten würde, habe man erst in den neuen Wörterbüchern im Spätsommer 1996 gesehen. Damals habe Zehetmair erwogen, das Ganze zu kippen, aber er sei sich nicht sicher gewesen, ob er dies durchstehen könne. Zehetmair: „Niemals dürfe die Politik sich anmaßen, hier mit Dekreten einzugreifen.“
Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff sagte in einem Interview: „Deutschland sollte [...] zur alten Rechtschreibung zurückkehren und einen Schlussstrich unter diese unselige Diskussion ziehen.“ Peter Müller, der Ministerpräsident des Saarlandes, sagte: „Diese Rechtschreibreform ist eine Missgeburt und wird von den meisten Menschen nicht angenommen. Das muss die Politik akzeptieren und auch die Kraft haben, diese Reform grundsätzlich wieder abzuschaffen.“ Auf Initiative dieser beiden CDU-Politiker sowie des bayrischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel sollen sich die Länderchefs direkt mit dem Thema befassen. Im einstimmigen Beschluss der Ministerpräsidenten vom 8. Oktober 2004 haben jedoch alle drei einer termingerechten Einführung der neuen Rechtschreibung zugestimmt.
Der Münchner Merkur kommentierte die Initiative am 13. Juli 2004: „Mit dem Niedersachsen Wulff, dem Saarländer Müller und dem Bayern Stoiber fordern nun schon drei Landeschefs die Rückkehr zur bewährten Rechtschreibung. 70 Prozent der Deutschen lehnen die neuen Schreibregeln ab, weil sie ihr Sprachempfinden verletzen. Die Kultusminister haben bei der ihnen anvertrauten Reform der Rechtschreibung in aberwitziger Weise versagt und sich widerspruchslos dem Diktat selbsternannter Brachial-Reformer gebeugt. Politik muss aber in der Lage sein, erkannte Fehler zu revidieren, statt ängstlich im 'weiter so' zu verharren.“
Im September 2004 kündigte der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff den Ausstieg seines Bundeslandes aus der Kultusministerkonferenz an. Der Ministerpräsident argumentierte neben der Kosteneinsparung mit der Unwilligkeit der Kultusministerkonferenz, von der Rechtschreibreform abzurücken.
[Bearbeiten] Sprachwissenschaftler
Im Mai 1998 forderten 550 Sprach- und Literaturprofessoren die Rücknahme der Rechtschreibreform.
[Bearbeiten] Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung
Einer „Resolution zur Wiederherstellung der bisherigen einheitlichen Rechtschreibung“ haben sich neben sogenannten Sprachpflegevereinen und anderen Bürgerinitiativen auch einige bekannte Persönlichkeiten angeschlossen. Es unterzeichneten bisher u. a. die Goethe-Gesellschaft, die Brüder-Grimm-Gesellschaft, Bundespräsident a. D. Walter Scheel, Dieter Thomas Heck, Manfred Krug, Günter Kunert, Reiner Kunze und Siegfried Lenz.
[Bearbeiten] Akademie-Kompromiss
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung legte 2003 einen Kompromissvorschlag vor, der vor allem vom Potsdamer Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg entwickelt wurde. Von der Akademie selbst wurde der Vorschlag zur Reform der Reform nur als die zweitbeste Lösung angesehen.
[Bearbeiten] Buch- und Zeitungsverlage
Nach dem Vorstoß von Christian Wulff im Juni 2004 befürworteten einige Ministerpräsidenten den Vorschlag, der Kultusministerkonferenz die Kompetenz über die Rechtschreibung zu entziehen, und auf diesem Wege die Rechtschreibreform doch noch zu kippen. Daraufhin erwuchs eine neuerliche breite Diskussion über die Rechtschreibreform.
Während der Diskussion kündigte der Stolz-Verlag die Rückkehr zur konventionellen Rechtschreibung an. Zuletzt forderte der Geschäftsführer der Deutschen Verlags-Anstalt (DVA), Jürgen Horbach, eine vollständige Rücknahme der neuen Rechtschreibung.
Am 6. August 2004 gaben „Spiegel“ und die Verlagsgruppe Axel Springer AG bekannt, dass sie „dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgen und zur klassischen Rechtschreibung zurückkehren wollten. Begründet wurde diese Maßnahme mit der Ablehnung der Rechtschreibreform in der Bevölkerung und den gravierenden Mängeln der Reform. Das Urteil des Spiegel-Chefredakteurs Stefan Aust war, die Reform sei „staatlich verordnete Legasthenie“. Zum Jahresende 2005 kündigte allerdings Der Spiegel an, mit Beginn des Jahres 2006 die Rechtschreibung entsprechend der Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung umzusetzen. Aust begründete dies als eine „Rückkehr zur Vernunft“.
Dr. Mathias Döpfner als Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG und Stefan Aust als Chefredakteur des Spiegels wiesen jedoch ausdrücklich darauf hin, dass sie „sehr dringend“ notwendige und sinnvolle Reformen in der Gesellschaft befürworteten, doch die Rechtschreibreform sei keine Reform, sondern vielmehr ein Rückschritt. Das Fazit sei sechs Jahre nach der Einführung erschreckend. Die Reform sei grundlegend gescheitert. Von der Umstellung bei Springer sind auch die beiden Tageszeitungen Die Welt und Bild-Zeitung betroffen.
Bald darauf gab auch die Süddeutsche Zeitung bekannt, dass auch sie die Rückumstellung in Angriff nehme. Es werde intern nur noch über Details diskutiert, insbesondere über den Termin sowie um einzelne Regeln, die möglicherweise beibehalten werden. Am 6. Oktober 2004 wurde allerdings bekannt, dass keine Rückkehr zur alten Rechtschreibung mehr geplant sei, sondern lediglich ein Kompromiss, und dass die Redaktion die weitere öffentliche Diskussion abwarte.
Die Hamburger Bauer Verlagsgruppe erklärte, dass sie die Rückkehr von Spiegel und Springer zur alten Rechtschreibung begrüße. Sie würde sich wünschen, dass möglichst viele Verlage diesem Beispiel folgen.
Der Burda-Verlag, zu dem auch das Nachrichtenmagazin Focus gehört, äußerte sich abwartend, wollte dies jedoch keinesfalls als Bekenntnis zur neuen Rechtschreibung verstanden wissen. Aus der Redaktion des Focus verlautete, man wolle sich an der Rechtschreibung der Schulen orientieren. Beim Verlag Gruner und Jahr verlautete, die Frage über die Rechtschreibung werde vom jeweiligen Chefredakteur entschieden, derzeit lägen jedoch keine Pläne für eine Rückumstellung vor.
Als erste Zeitung aus dem Axel-Springer-Verlag kehrte die „Bild am Sonntag“ am 3. Oktober 2004, am „Tag der deutschen Einheit“, zur alten Rechtschreibung zurück. Das Blatt machte damit an diesem Sonntag den Auftakt für die vom Springer-Verlag angekündigte Rückkehr für alle großen Publikationen zu den alten Regeln. Die ebenfalls zum Springerverlag gehörende Berliner Morgenpost, Die Welt, Hamburger Abendblatt und Bild-Zeitung erschienen am 4. Oktober 2004 erstmals wieder in alter Rechtschreibung. Die Welt am Sonntag erscheint seit dem 10. Oktober 2004 nicht mehr in neuer Rechtschreibung. Der Spiegel-Verlag kündigte an, zunächst bei der neuen Rechtschreibung zu bleiben und vor einer Umstellung die Ergebnisse des neugebildeten Rates für deutsche Rechtschreibung abzuwarten und begann Anfang 2005 mit einer schrittweisen Umstellung.
[Bearbeiten] Frankfurter Appell
Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober 2004 fanden sich namhafte Kritiker der Rechtschreibreform zusammen, um den sogenannten Frankfurter Appell zu formulieren. Der Text fordert die „Wiederherstellung der einheitlichen und bewährten Orthographie“, um so dem „in sämtlichen Umfragen seit 1996 erkennbaren Willen der großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, Österreich und der Schweiz“ zu entsprechen. Der Frankfurter Appell wurde im Laufe der Buchmesse von weiteren prominenten Schriftstellern, Verlegern, Wissenschaftlern und Künstlern unterzeichnet, so dass sich bis zum Ende der Messe über 250 Persönlichkeiten der Forderung angeschlossen hatten.
[Bearbeiten] Schriftsteller
Am 28. März 2006 appellierten zahlreiche Schriftsteller (unter anderen Daniel Kehlmann, Christian Kracht, Judith Hermann, Iris Hanika) sowie die Bayerische Akademie der Schönen Künste in ihrer Erklärung „Die Sprache kennt keine Kompromisse“ an die Ministerpräsidenten, an den Rechtschreibregeln vor der Reform festzuhalten. Der Staat habe selbst ohne Not eine Situation hergestellt, in der er sich von der überlegenen Orthographie der gewachsenen und vitalen Schriftkultur provoziert fühlen müsse. Die Literatur werde ihm aus dieser Lage nicht heraushelfen. Sie werde sich um staatliche Vorgaben um so weniger scheren, als diese die Intelligenz des Lesers beleidigten und die Tradition obsolet machten. Auch im 1997 gegründeten Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege machen sich bedeutende deutsche Autoren für eine Rückkehr zur traditionellen Rechtschreibung stark. Darunter Siegfried Lenz, Günter Kunert, Reiner Kunze.
[Bearbeiten] Wörterbücher
Auch die Wörterbücher spiegeln die Entwicklung wider:
Der Duden folgt seit 1996 (21. Auflage) im wesentlichen dem amtlichen Regelwerk zur reformierten Rechtschreibung. Die letzte unreformierte Auflage des Dudens war die 20. und wurde 1991 herausgegeben (der sogenannte „Einheitsduden“, in dem Ost- und West-Duden unter der Mitwirkung des österreichischen und schweizerischen Dudenausschusses zusammengeführt wurden). Die 24. Auflage vom Sommer 2006 stellt den Stand nach den abschließenden Empfehlungen des Rates für deutsche Rechtschreibung dar, wie sie von den Ländern umgesetzt wurden.
Auch der Wahrig stellt die reformierten Regelungen dar, ebenso das Gros der weniger bekannten Anbieter.
Für die Befürworter der unreformierten Rechtschreibung steht seit 2006 eine neue Ausgabe des Mackensen von 1986 zur Verfügung, ebenso das Rechtschreibwörterbuch Normale deutsche Rechtschreibung[2] des Reformkritikers Theodor Ickler.
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Allgemeine Informationen zum Thema
- Dokumente zu den Inhalten der Rechtschreibreform (PDF-Dateien mit Amtlichem Regelwerk von 2004 und 2006 sowie Dokumentation der Änderungen 2006)
- Informationen vom Duden-Verlag (und Crash-Kurs zum leichten Erlernen der neuen Rechtschreibung)
- Forschungsgruppe Deutsche Sprache (beschäftigt sich u. a. mit der kritischen wiss. Bewertung der Reform und der Arbeit der Rechtschreibkommissionen, inkl. des sog. „Rates für deutsche Rechtschreibung“)
- „Deutschland kehrt zurück“ (Informationen über den Stand der Rückkehr zur klassischen Rechtschreibung mit PDF-Büchern von Theodor Ickler)
- radiks, der Vorschlag für eine radikale Rechtschreibreform (beschäftigt sich mit einem Vorschlag zur radikalen, phonologisch orientierten Reform der deutschen Rechtschreibung nach dem Vorbild anderer Sprachen, etwa niederländisch oder türkisch)
[Bearbeiten] Institutionen
- Rat für deutsche Rechtschreibung (ist seit Dezember 2004 für die Weiterentwicklung der deutschen Rechtschreibung zuständig; veröff. die aktuellen Änderungsvorschläge)
- Das Grammatische Telefon (beim Germanistischen Institut der RWTH Aachen)
- „Deutsche Sprachwelt“, eine Zeitschrift rund um die deutsche Sprache
- „Sprachkreis Deutsch“, ein Schweizer Verein, der sich für den Erhalt der deutschen Sprachkultur einsetzt
[Bearbeiten] Artikel
- Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 14. Juli 1998
- Kritische Artikel zum Thema und eine ausführliche Literaturliste
- „Softwarehersteller warten ab“ (Tagesspiegel, 2. August 1996)
- „Mehr Fehler nach der Rechtschreibreform - Lernpsychologe stellt Studie vor“ (Wiesbadener Kurier, 7. September 2004)
- „Eine Geschichte von Pannen und Pleiten“ (Artikel in der Zeitschrift Gymnasium Niedersachsen, 4/2004 – pdf-Datei)
- „Deutschland im Dudelirium“ – Humorvolle Kritik an der Rechtschreibreform
- Neuregelung im Kontext des Deutschen als Fremdsprache und der Auslandsgermanistik
- Reform mit drei „F“ (Ein Beitrag von Theodor Ickler in der SWR2-Reihe Aula vom 1. Januar 2005 – rtf-Datei)
- Bundesverfassungsgericht: Pressemitteilung vom 30. Mai 2006 – Spiegel Online Kommentar
- Wolfgang Denk: 10 Jahre Rechtschreibreform. Überlegungen zu einer Kosten-Nutzen-Analyse. Masterarbeit im Fachbereich 09 Wirtschaftsingenieurwesen der Fachhochschule München. München, 5. September 2006, 172 Seiten - PDF Download
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ BVerfG, 1 BvR 1640/97 vom 14.7.1998, Absatz-Nr. 163 (Online).
- ↑ Theodor Ickler: Normale deutsche Rechtschreibung. Sinnvoll schreiben, trennen, Zeichen setzen. 4., erweiterte Auflage, 2004, Leibnitz-Verlag, St. Goar, ISBN 3-931155-14-5.