Böhmische Masse
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Als Böhmische Masse wird das geologisch alte Rumpfgebirge im Grenzgebiet von Tschechien, Nieder- bzw. Oberösterreich und Bayern bezeichnet.
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[Bearbeiten] Gebirgsmassiv aus dem Erdaltertum
Es stellt den stark erodierten Rest eines altes Gebirgsmassivs dar, welches seit dem Paläozoikum die Geologie Mitteleuropas dominierte. Teilweise ist es laurasisches Grundgestein aus der Zeit vor 500-350 Mio. Jahren, doch finden sich auch Gesteine mit einem Alter von 800 und mehr Mio. Jahren - z.B. bei Zwettl und Horn in Niederösterreich.
Das ursprüngliche Gebirge war in seiner Höhe mindestens den Ostalpen vergleichbar, doch wurden seine höchsten Gipfel im Laufe von 300-400 Millionen Jahren auf Höhen von etwa 1500 Meter abgetragen. Es erlitt merkliche Deformationen und Metamorphosen während der kaledonischen und der späteren variszischen Gebirgsbildung, die im Verschweißen mehrerer Kontinente zu "Pangäa" gipfelte. Damals bestand eine extrem lange Gebirgskette, die von den Appalachen über Spanien, die Bretagne und das Massif Central nach Mitteldeutschland und Böhmen reichte. Bevor dieses globale Gebirge durch die Atlantik-Öffnung zerrissen wurde, könnte es fast die Dimensionen des heutigen Himalaya gehabt haben.
Ein Zeuge dieser Gebirgsbildung ist die im Satellitenbild gut erkennbare, östliche Überschiebung des Moldanubikums (Mühl-/Waldviertel) auf das Moravikum. Letztere Formation wurde unter dieser Decke tief subduziert und aufgeschmolzen. Das Magma stieg hoch und erstarrte in Form riesiger Plutone (Weinsberger Granit).
Die Böhmische Masse war "Widerlager" der Alpidischen Gebirgsbildung.
[Bearbeiten] Heutige Struktur
Heute sind die wichtigsten Teile dieses Komplexes der Böhmerwald - der geologisch mit dem Bayerischen Wald verwandt ist - , das Gratzener Bergland und die hohen bzw. tief zerfurchten Rumpfflächen des österreichischen Mühl- und Waldviertels, sowie die Böhmisch-Mährische Höhe zwischen Budweis und Brünn. Kleinere Streifen finden sich auch am Nordwestrand des Wiener Beckens und im Dunkelsteiner- und Sauwald knapp südlich der Donau.
Die Böhmische Masse besteht aus kristallinen Gesteinen, vornehmlich aus Graniten und Gneisen. Die erstgenannten Tiefengesteine lagern im Süden und Westen (wo sie in vielen hochqualitativen Steinbrüchen abgebaut werden), setzen sich aber in der nördlichen Umrandung von Böhmen fort. Die metamorphen Gesteine aus Gneis und kristallinen Schiefern liegen großteils im inneren Ring, sowie in Mähren und Niederösterreich.
Von den Geologen Österreichs und Bayerns wird die böhmische Masse auch als kristallines Grundgebirge bezeichnet, weil sie über weite Gebiete unter die jüngeren Formationen der Ostalpen und der Molasse des Alpenvorlandes zu liegen kam. Es handelt sich hier teilweise um tektonische Überschiebungen von weit mehr als 100 Kilometern, angetrieben durch die Afrikanische Platte und ihre Norddrift. Diese löste vor etwa 30 Mio. Jahren die alpidische Gebirgsbildung und weiträumige Bewegungen aus.
Unter den nördlichen Kalkalpen finden sich die Gesteine der Böhmischen Masse als langer, flach deformierter Streifen. Beim Traunstein (1691 m) - etwa 60 km südlich der Donau bei Linz und damit fast 100 km vom heutigen Rumpfgebirge entfernt - liegt dieses Kristallin in 7-10 km Tiefe. Die Dichte-Anomalien machen nur einige Prozent aus, lassen sich aber trotz dieser Tiefen im lokalen Schwerefeld nachweisen.
Auch im östlichen Bayern ist die Böhmische Masse die älteste geologische Einheit, bildet aber großteils flachere Landschaften. Die Rumpffläche (nördlich der Donau) ist geprägt durch sanfte Mulden und Täler sowie weitgespannte, niedrige Rücken und Kuppen. Aus dem sauren Grundgestein haben sich v.a. Braunerden entwickelt, in Mulden und ebenen Flächen auch vom Grundwasser beeinflusste Böden des Typs Gley.
[Bearbeiten] Vergleiche mit anderen Rumpfgebirgen
Wie in teilweise gleichaltrigen Rumpfgebirgen der variszischen Orogenese (z.B. dem Harz) sind die Talstrukturen oft unregelmäßiger gegliedert als im jungen Faltengebirge der Alpen, was eine Folge von langandauernder Tektonik und Erosion ist. Orografisch gleichförmiger sind hingegen die Hochflächen.
Im Gegensatz zu Harz, Ural und anderen variszischen Gebirgen, die ähnliche Formen aufweisen, finden sich allerdings kaum Lagerstätten von Erzen.