Deutschnationale Volkspartei
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Die Deutschnationale Volkspartei (DNVP) war eine nationalkonservative politische Partei in der Weimarer Republik.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die DNVP wurde im November 1918 gegründet und im Mai 1933 aufgelöst. Die Partei war Nachfolgerin der Deutschkonservativen Partei, der Reichs- und Freikonservativen Partei, der Vaterlandspartei sowie einer Reihe kleinerer konservativer und zum Teil antisemitischer Gruppierungen; außerdem schlossen sich einzelne Angehörige des rechten Flügels der Nationalliberalen Partei der DNVP an. 1922 spaltete sich ein Großteil der antisemitischen Kräfte ab und gründete die Deutschvölkische Freiheitspartei. Die DNVP sah sich selbst in der Tradition der einstigen "Deutschnationalen Bewegung".
Die DNVP bezog ihre Programmatik aus Nationalismus, kaiserlichem Konservatismus, Monarchismus, Rechtsliberalismus und Antisemitismus. Zur ihrer Wählerschaft zählten vor allem ostelbische Großgrundbesitzer, Adlige, ehemalige Offiziere aus dem Ersten Weltkrieg, Ärzte, Professoren, Angestellte, Bauern, Teile der nicht von der politischen Linken oder dem katholischen Zentrum erfassten Arbeiterschaft und Beamte aus der Kaiserzeit. Die bekanntesten Mitglieder und Gründer waren Oskar Hergt (ehem. preuß. Finanzminister), Alfred von Tirpitz (Großadmiral im Ersten Weltkrieg und Begründer der deutschen Hochseeflotte), Wolfgang Kapp (ehem. Vaterlandspartei und Initiator des Kapp-Lüttwitz-Putsches im März 1920) sowie Alfred Hugenberg (Pressemogul und ab 1928 Vorsitzender der Partei). Erwähnenswert ist auch Dr. Karl Helfferich, der ehemalige Staatssekretär der Reichsfinanzen. Er hatte den Krieg leichtfertig durch Anleihen und Schatzweisungen finanziert, da er darauf setzte, dass die Kriegskosten nach einem Sieg in Form von Kontributionen von den Alliierten aufgebracht werden würden. Aufgrund der Niederlage war Deutschland nun selber kontributionspflichtig; aus dem einstigen Liberalen Helfferich wurde nun einer der heftigsten Wortführer der Deutschnationalen, der sich sogar durch eine Rufmordkampagne gegen den Reichspräsidenten Friedrich Ebert hervortat. Auch Käthe Schirmacher, eine zuvor eher linksgerichtete Frauenrechtlerin, sowie die Theologen Gottfried Traub und Reinhard Mumm saßen ab 1919 für die DNVP in der Weimarer Nationalversammlung.
Die DNVP stand im rechtskonservativen Spektrum des Parteiensystems. Im Gegensatz zu den Konservativen der Kaiserzeit konnte sie allerdings ihre soziale Basis erweitern und neben ihren Hochburgen in den ostelbischen Agrargebieten (Mecklenburg, Brandenburg, Pommern, Ostpreußen) auch in den städtischen Unter- und Mittelschichten Wähler gewinnen. Während sie in den Anfangsjahren die Republik bekämpfte und deshalb auch den Kapp-Putsch unterstützte, setzten Mitte der 20er-Jahre die gouvernemental-konservativen Kräfte Regierungsbeteiligungen auf Reichsebene durch. Auch in einer Reihe von Ländern des Reiches (u.a. Bayern, Bremen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen, Württemberg) gelangte die DNVP im Rahmen von Koalitionen zeitweise an die Regierung.
Nach der Wahlniederlage bei der Reichstagswahl 1928 wurde Alfred Hugenberg zum Parteivorsitzenden gewählt, der einen Rechtsruck einleitete und die gemäßigten Kräfte aus der Partei verdrängte.
Im Reichstag sowie in verschiedenen Landtagen von Ländern des Deutschen Reiches bildete die DNVP eine Fraktionsgemeinschaft mit den Abgeordneten vom Landbund, die auf eigenen Listen regionaler Gliederungen des Reichslandbundes (z. B. Hessischer Bauernbund, Thüringer Landbund, Württembergischer Bauern- und Weingärtnerbund) in den Reichstag gewählt worden waren.
In Württemberg trat die DNVP in der Weimarer Republik unter der Bezeichnung Württembergische Bürgerpartei auf, in Bayern unter dem Namen Bayerische Mittelpartei. Außerhalb des Deutschen Reiches gab es die DNVP in der Freien Stadt Danzig. In Österreich repräsentierte zu dieser Zeit die mit der DNVP eng verwandte Großdeutsche Volkspartei das deutschnationale Lager.
1929 kooperierte die DNVP mit der NSDAP beim Volksbegehren zur Ablehnung des Young-Planes. Ab 1930 geriet die DNVP gegenüber der NSDAP deutlich ins Hintertreffen, bildete aber mit dieser zusammen 1932 die Harzburger Front, welche sich aber zum größeren Vorteil für die NSDAP entwickelte. Die DNVP verlor immer mehr an Bedeutung. Ebenfalls 1932 unterstützte sie das Kabinett Papen und trat am 30. Januar 1933, als Hitler zum Reichskanzler ernannt wurde, in das Kabinett Hitler ein. Zu den Reichstagswahlen am 5. März 1933 trat die DNVP unter der Bezeichnung Kampffront Schwarz-Weiß-Rot an und erreichte 8 % der Stimmen und damit 52 Sitze im Reichstag. Der DNVP-Vorsitzende Hugenberg setzte die Koalition mit Hitlers NSDAP fort. Mit diesem Bündnis hatte er den Untergang der DNVP als eigenständiger politischer Kraft mit herbeigeführt. Am 27. Juni 1933 löste sich die DNVP, die sich zuletzt in Deutschnationale Front umbenannt hatte, auf Druck der NSDAP selbst auf. Ihre Reichstagsabgeordneten schlossen sich unverzüglich der NSDAP-Fraktion als Mitglieder oder Hospitanten an, für die sie gegen Ende der Republik nur noch "Steigbügelhalter" waren. Unter denjenigen die während des "Dritten Reiches" Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten, kamen nicht wenige aus der DNVP bzw. ihrem Umfeld (z.B. Carl Friedrich Goerdeler). Dies gilt insbesondere für den Staatsstreich am 20. Juli 1944.
[Bearbeiten] Parteiprogramm der DNVP
[Bearbeiten] Innenpolitische Forderungen
- Interessensvertretung ostelbischer Großgrundbesitzer und der Schwerindustrie
- Wiederherstellung der Monarchie; später Forderung nach starker Exekutive (Reichspräsident)
- Unabhängiges Berufsbeamtentum
- "Starkes deutsches Volkstum" gegen den "undeutschen Geist"
- freie Marktwirtschaft
[Bearbeiten] Außenpolitische Forderungen
- Aufhebung des Versailler Vertrages mit Wiedererwerb der nach dem ersten Weltkrieg abgetretenen Gebiete und ehemaliger deutscher Kolonien
- "Volksgemeinschaft aller Deutschen im In- und Ausland"
Zur Verbreitung dieser Ziele und Absichten waren die einflussreichen Zeitungen des Hugenberg-Konzerns sehr nützlich. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Politik der DNVP auf eine Wiederherstellung der Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg zielte.
[Bearbeiten] Vorsitzende
- 1918-1924 Oskar Hergt (1869-1967)
- 1924-1928 Kuno Graf von Westarp (1864-1945)
- 1928-1933 Alfred Hugenberg (1865-1951)
[Bearbeiten] Wahlergebnisse der DNVP
Reichstagswahlen bzw. Verfassungsgebende Nationalversammlung (1919) |
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19.01.1919 | 10,3 % | 44 Sitze |
06.06.1920 | 15,1 % | 71 Sitze |
04.05.1924 | 19,5 % | 95 Sitze |
07.12.1924 | 20,5 % | 103 Sitze |
20.05.1928 | 14,3 % | 73 Sitze |
14.09.1930 | 7,0 % | 41 Sitze |
31.07.1932 | 5,9 % | 37 Sitze |
06.11.1932 | 8,7 % | 52 Sitze |
05.03.1933 | 8,0 % | 52 Sitze |
[Bearbeiten] Versuche einer Neugründung bzw. Wiedergründung
1. Versuch (1945-1950):
- Bereits im Herbst 1945 gab es in der britischen Besatzungszone Bestrebungen, die DNVP unter anderem Namen zu reaktivieren. Zu dieser Zeit bildeten sich die Deutsche Konservative Partei und die Deutsche Aufbaupartei, welche 1946 fusionierten. Der neue Parteiname lautete Deutsche Rechtspartei - Konservative Vereinigung. Die programmatische Basis bildete das "Manifest der Rechten", auch "Konservatives Manifest" genannt: Dieses Parteiprogramm war gemäßigter als die Programme der vormaligen DNVP; man war von den Versuchungen des extremen Nationalismus und Antisemitismus geläutert und wollte eine parlamentarische Monarchie in einem, in Europa integrierten, einheitlichen Deutschland auf christlich-ethischen Grundlagen errichten. Trotzdem strömten ab 1948 frühere NSDAP-Mitglieder in die DNVP-Nachfolgepartei, so dass es bald zwei Flügel gab: einen deutschnational-konservativen und einen völkisch-nationalistischen. 1948 erfolgte die Umbenennung in Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei; unter dieser Bezeichnung kandidierte sie 1949 in der Britischen Besatzungszone für den Bundestag und kam bundesweit auf 1,8 % der Stimmen. In den 1. Bundestag entsandte die Partei fünf Abgeordnete, da sie in Form der Deutschen Rechtspartei in Niedersachsen die 5%-Hürde übersprungen hatte (8,1%). Ende 1949 spaltete sich der radikale Flügel - vor allem vom niedersächsischen Landesverband - ab und bildete die 1952 verbotene Sozialistische Reichspartei (SRP).
- Der Versuch, die DNVP in Form der DKP-DRP wiederzubeleben, scheiterte endgültig 1950, als sich die Deutsche Rechtspartei Niedersachsen abspaltete und mit der NDP Hessen von Heinrich Leuchtgens zur Deutschen Reichspartei (DRP) fusionierte. Der Rest der Partei, also die Deutsche Konservative Partei in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Hamburg, schloss sich vor allem der FDP und der Deutschen Partei (DP) an.
2. Versuch (1962-1964):
- Am 21. September 1962 gründete der ehemalige FDP- und DP-Bundestagsabgeordnete Heinrich Fassbender, der bereits in der Weimarer Republik DNVP-Mitglied gewesen war, mit einigen national-konservativen Gesinnungsgenossen eine neue DNVP. Nachdem dieser kein Erfolg beschieden war, überführte Fassbender sie 1964 in die neugegründete NPD.
Siehe auch: Monarchisten in Deutschland
[Bearbeiten] Literatur
- Werner Liebe: Die Deutschnationale Volkspartei 1918-1924, Düsseldorf 1956.
- Erich Eyck: Die Weimarer Republik: Vom Zusammenbruch des Kaisertums bis zur Wahl Hindenburgs(Band 1), Eugen Rentsch Verlag, Erlenbach-Zürich und Stuttgart, 2. Auflage 1957
- Lewis Hertzman: DNVP. Right-Wing Opposition in the Weimar Republic 1918-1924, Lincoln, 1963.
- Manfred Dörr: Die Deutschnationale Volkspartei 1925-1928, Diss. Marburg 1964.
- Anneliese Thimme: Flucht in den Mythos. Die Deutschnationale Volkspartei und die Niederlage von 1918, Göttingen 1969.
- Reinhard Behrens: Die Deutschnationalen in Hamburg 1918-1933, Diss. Hamburg 1973.
- Heidrun Holzbach: Das "System Hugenberg". Die Organisation bürgerlicher Sammlungspolitik vor dem Aufstieg der NSDAP, Stuttgart: DVA 1981, ISBN 342101986X.
- Jan Striesow: Die Deutschnationale Volkspartei und die Völkisch-Radikalen 1918-1922, Frankfurt/M. 1981.
- Amrei Stupperich: Volksgemeinschaft oder Arbeitersolidarität. Studien zur Arbeitnehmerpolitik in der Deutschnationalen Volkspartei (1918-1933), Diss. Göttingen 1978 (= Göttinger Bausteine zur Geschichtswissenschaft Bd. 51, 1982)
- Wolfgang Ruge: Deutschnationale Volkspartei (DNVP) 1918-1933, in: Dieter Fricke u. a. (Hrsg.); Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945), Bd. 2, Köln 1984, S. 476-528.
- Hermann Weiß/Paul Hoser (Hg.): Die Deutschnationalen und die Zerstörung der Weimarer Republik. Aus dem Tagebuch von Reinhold Quaatz 1928-1933, München: R. Oldenbourg 1989, ISBN 3486645595.
- Christian F. Trippe: Konservative Verfassungspolitik 1918-1923. Die DNVP als Opposition in Reich und Ländern, Düsseldorf 1995 (Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 105).
- Karlheinz Weißmann: Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in: Caspar Freiherr von Schrenck-Notzing, Lexikon des Konservatismus, Graz – Stuttgart 1996, S. 131-132.
- Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen: Die Deutschnationale Volkspartei in der Weimarer Republik, in: Historische Mitteilungen 9/1996, Heft 2, S. 169-188.
- Manfred Kittel: Zwischen völkischem Fundamentalismus und gouvernementaler Taktik. DNVP-Vorsitzender Hans Hilpert und die bayerischen Deutschnationalen, in: Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 59 (1996), S. 849-901. [1]
- Raffael Scheck: Women on the Weimar Right: The Role of Female Politicians in the Deutschnationale Volkspartei (DNVP), in: Journal of Contemporary History 36/4 (2001), S. 547-560.
- Christoph Halt: Kontinuitäten und Diskontinuitäten in der Entwicklung des „konservativ-liberalen“ Parteienspektrums in der frühen Bundesrepublik im Vergleich zur Weimarer Republik. Diplomarbeit, Frankfurt/Main 2002.
- Andreas Müller: Fällt der Bauer, stürzt der Staat. Deutschnationale Agrarpolitik 1928 - 1933, Herbert-Utz-Verlag, München 2003, ISBN 3-8316-0225-5.
- Thomas Mergel: Das Scheitern des deutschen Tory-Konservatismus. Die Umformung der DNVP zu einer rechtsradikalen Partei 1928-1932, in: Historische Zeitschrift (HZ) 276 (2003), S. 323-368.
- Reinhold Weber: Bürgerpartei und Bauernbund in Württemberg. Konservative Parteien im Kaiserreich und in Weimar (1895-1933). Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien Bd. 141, Düsseldorf 2004.
- Daniel Hildebrand: Landbevölkerung und Wahlverhalten. Die DNVP im ländlichen Raum Pommerns und Ostpreußens 1918-1924, Hamburg 2004 (Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 39).