William Stern
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William Stern, geboren als Wilhelm Louis Stern, (* 29. April 1871 in Berlin; † 27. März 1938 in Durham, North Carolina, USA) war ein bedeutender deutscher Psychologe, Begründer der Differenziellen Psychologie. Er war Mitbegründer der Universität Hamburg, der Deutschen Gesellschaft für Psychologie und der "Zeitschrift für angewandte Psychologie". Als Philosoph vertrat er den Personalismus. Er war zudem der Vater des bekannten Philosophen und Essayisten Günther Anders.
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[Bearbeiten] Biografie
William Stern, ein Einzelkind, entstammte einem assimilierten jüdischen Elternhaus in Berlin. Sein Großvater, der Pädagoge und Schriftsteller Sigismund Stern, hatte an der Universität Berlin promoviert und in Berlin eine radikale deutschjüdische "Reform-Gemeinde" begründet. William Stern verstand sich, wie sein Großvater, in erster Linie als Deutscher und befasste sich zeitlebens nur wenig mit dem Judentum.
Er heiratete Clara Joseephy, die Tochter eines begüterten Berliner Elternhauses, mit der er drei Kinder bekam, Hilde, Günther und Eva. Die von ihm und Clara Stern in der Zeit von 1900 bis 1918 akribisch geführten Tagebücher haben als Tagebuchmethode für die Entwicklungspsychologie große Bedeutung erlangt. Die Computer-Transkription ist über CHILDES (Child Language Data Exchange System) heute weltweit zugänglich.
Stern war 1904 Gründungsmitglied der „Deutschen Gesellschaft für Psychologie”. Gemeinsam mit Otto Lipmann gründete Stern 1906 das „Institut für angewandte Psychologie und psychologische Sammelforschung”. Ein Jahr später erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift für angewandte Psychologie, die Stern ebenfalls zusammen mit Lipmann veröffentlichte.
Er beschäftigte sich seinem Lehrstuhl für Pädagogik in Breslau gemäß eingehend mit der theoretischen Weiterentwicklung der Psychologie des Kindes. Aus der wissenschaftlichen Auswertung der von den Eheleuten Stern gemeinsam betriebenen Langzeitstudie der Beobachtungs-Tagebücher entstanden die noch heute beachteten Fachbücher „Die Kindersprache” (1907), „Erinnerung, Aussage und Lüge in der ersten Kindheit” (1908), sowie „Psychologie der frühen Kindheit bis zum sechsten Lebensjahr” 1914. Stern war ebenfalls ein Neuerer darin, wissenschaftliche Methoden zur Untersuchung der Glaubwürdigkeit von (jugendlichen) Zeugenaussagen zu entwickeln. Hierin wurde Stern häufig als Sachverständiger bei Gerichtsverfahren tätig.
Eher kritisch verhielt er sich gegenüber der Psychoanalyse von Freud. Er verfasste 1913 eine „Warnung vor dem Übergriff der Jugend-Psychoanalyse“ sowie kritische Stellungnahmen in Zeitschriften auf wissenschaftlicher Ebene. Anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde der Clark University 1909 trafen Sigmund Freud, Carl Gustav Jung und Stern zusammen, erneut 1928 auf einem Wiener Kongress, aber die Gegnerschaft blieb. Heinz Werner sollte hier später die personalistische Tradition Sterns fortsetzen.
1911 begründete Stern mit seinem gleichnamigen Fachbuch gleichsam die Differenzielle Psychologie. Stern beschäftigte sich zunehmend mit Fragen der Intelligenzforschung, wobei er insbesondere auf die hauptsächlich von Binet entwickelten Testverfahren zurückgriff. 1912 schlug Stern eine von Binet abweichende neue Art der Berechnung des Intelligenzgrades eines Kindes vor und prägte dabei den Begriff des Intelligenzquotienten. Dieser Begriff setzte sich in den folgenden Jahren durch und wurde als "IQ" einer der bekanntesten psychologischen Begriffe überhaupt.
Einen Ruf an die Berliner Universität, also in seine Heimatstadt, lehnte er ab, da es obligatorisch mit dem Übertritt zur christlichen Konfession verknüpft wurde. Ab 1916 übernahm er nach dem Tode von Ernst Meumann den Lehrstuhl für Philosophie am Allgemeinen Vorlesungswesen Hamburg. Als im November 1918 die Soldaten, darunter viele Studenten, aus dem 1. Weltkrieg zurückkehrten, rief William Stern zusammen mit den Professoren des zu dieser Zeit bestehenden Kolonialinstituts, eine Universität gab es bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht, private Universitätskurse ins Leben. Diese Kurse fanden einen enormen Zuspruch, was schließlich 1919 zur Gründung der Universität Hamburg führte.
William Stern übernahm die Leitung des Philosophischen (zusammen mit Ernst Cassirer) und des Psychologischen Instituts (zusammen mit Heinz Werner) der Universität Hamburg. Denn in der weltoffenen, liberalen Hansestadt herrschten weniger Vorurteile gegen seine Konfession. Von 1918-1924 publizierte er seine Reihe „Person und Sache” Band I-III, die sich speziell mit dem Personalismus befassten. Er definierte die Psychologie als Schnittpunktwissenschaft: als Anteil habend an allen drei Bereichen, nämlich der Geistes-, Sozial- sowie Biowissenschaften.
Ab 1921 gehörte Stern zum Vorstand der 1904 gegründeten „Deutsche Gesellschaft für Psychologie“, wurde 1929 zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt. 1931 tagte der Kongress der Gesellschaft in Hamburg und Stern wurde zum Vorsitzenden der Gesellschaft gewählt.
1933 floh das Ehepaar Stern, gewarnt von ihrem 31-jährigen Sohn Günther hinsichtlich der Vernichtungsdrohung, vor der einsetzenden Judenverfolgung des Naziregimes ins Exil, zunächst in die Niederlande. In der Emigration verfasste er „Die allgemeine Psychologie auf personalistischer Grundlage”, welche er 1935 bei einem niederländischen Verlag in seiner Muttersprache drucken ließ. Später flohen die Sterns wegen der drohenden deutschen Besetzung der Niederlande weiter in die USA. Im Staat North Carolina erhielt Stern an der Duke University in Durham eine Professur, die er bis an sein Lebensende durch Herzversagen 1938 ausfüllte.
William Stern ist auch berühmt für seine 1905 erstmals "eingeführte" Bezeichnung des Deutungspfuschers, mit der er Psychologen beschrieb, die ihren Beruf dazu nutzen, ihre Privatmeinung und ihre persönlichen Einstellungen und Vorurteile als psychologische, wissenschaftliche Erkenntnis zu verkaufen (wie man es bis heute v.a. auch in den Medien beobachten kann).
[Bearbeiten] Bibliografie
- "Die differentielle Psychologie in ihren methodischen Grundlagen". Nachdr. der 2. Aufl. Leipzig, Barth, 1911 - Bern [u.a.] : Huber, 1994
- "Allgemeine Psychologie auf personalistischer Grundlage". 2., unveränd. Aufl. - Haag : Nijhoff, 1950
- Clara und William Stern: "Die Kindersprache. eine psychologische und sprachtheoretische Untersuchung" (1907) Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1987 (1)
- "Psychologie der frühen Kindheit bis zum sechsten Lebensjahr; mit Benutzung ungedr. Tagebücher von Clara Stern" (1914) - das bis 1987 vielfach aufgelegte Standardwerk
[Bearbeiten] Sekundärliteratur
- Günther Stern-Anders: Bild meines Vaters; in: William Stern, Allgemeine Psychologie auf personalistischer Grundlage. 2. Aufl., Haag (Nijhoff) 1950, XXIII-XXXII.
- Gerald Bühring: William Stern oder Streben nach Einheit, (=Beiträge zur Geschichte der Psychologie, Bd. 13, hrsg. von Helmut E. Lück), Frankfurt/a.M. u. a. 1996, 252 S., ISBN 3-631-49695-8
- Werner Deutsch (Hg.): Über die verborgene Aktualität von William Stern. Frankfurt a.M. (Lang) 1991
- H. Behrens u. W. Deutsch: Die Tagebücher von Clara und William Stern'; in: H. E. Lück & R. Miller (Hg.): Theorien und Methoden psychologiegeschichtlicher Forschung. Göttingen (Hogrefe) 1991, 67-76
- "Zeitschrift für Psychologie. mit Zeitschrift für angewandte Psychologie" (ISSN 0044-3409), (Online Zugang. Inhaltsverzeichnisse. Informationen. 2004 Jg. 115)
- Norbert Kleinefeld: Wiederentdeckung der Ganzheit : zur Bedeutung idealistischer Ganzheitsansätze im Deutschen Reich am Ende des 19. Jahrhunderts und zum Begriff der Ganzheit bei William Stern.Oldenburg (BIS) 1997
[Bearbeiten] Siehe auch
Allgemeine Psychologie, CHILDES, Persönlichkeits- und Differenzielle Psychologie, Entwicklungspsychologie, Exil, Emigration, Günther Anders, Clara Stern, Heinz Werner,Tagebuchmethode, Testpsychologie
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über William Stern im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- William Stern - Indiana University
- William Stern - Projekte zur Entwicklungspsychologie 2004
- Geschichte des Psycholog. Instituts an der Uni Hamburg, siehe Ära Stern
Personendaten | |
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NAME | Stern, William |
ALTERNATIVNAMEN | geborener Wilhelm Stern |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Psychologe und Begründer der Differenziellen Psychologie |
GEBURTSDATUM | 29. April 1871 |
GEBURTSORT | Berlin |
STERBEDATUM | 27. März 1938 |
STERBEORT | Durham, North Carolina, USA |