Entwicklungstheorie
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Die Entwicklungstheorie untersucht die Ursachen der geringeren wirtschaftlichen Entwicklung in Entwicklungsländern.
Die verschiedenen Theorien lassen sich im wesentlichen zwei Strömungen zuordnen:
- Die klassischen und modernen von liberalen und konservativen Theoretikern vertretenen endogenen Theorien sehen die Ursachen in den Entwicklungsländern selbst, z.B. nach der Modernisierungstheorie in archaischen Strukturen oder in der Korruption.
- Die klassischen und modernen exogenen Theorien gehen dagegen davon aus, dass die Ursachen des niedrigeren Entwicklungsstandes außerhalb der Entwicklungsländer, genauer gesagt in ihrer Ausbeutung durch die Industrieländer, liegen. Sie betonen die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den Industrieländern und sehen die scheinbar in den Entwicklungsländern liegenden Ursachen (wie z.B. Korruption) als Folgen dieser Abhängigkeit.
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[Bearbeiten] Endogene Theorien
Laut den Befürwortern der endogenen Theorien ist die Ursache der Unterentwicklung in den betroffenen Ländern selbst zu suchen. Die Länder befinden sich in einem Stadium des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Übergangs, das die Industrieländer schon durchlaufen haben. Die Wirtschaftsstruktur beschränkt sich fast ausschließlich auf Agrarwirtschaft und bergbauliche Produktion, Großfamilien, Sippen oder Stämme sind noch immer Fundamente der Gesellschaft. Auf der gedanklichen Grundlage, dass der Prozess der Entwicklung der 3. Welt-Länder eine Wiederholung der Entwicklung der Industrieländer ist, kann das geschichtliche Wissen gezielt eingesetzt werden, um entwicklungshemmende Faktoren zu erkennen und den Prozess zu verkürzen.
[Bearbeiten] Geodeterminismustheorie
Bei der Geodeterminismustheorie geht man davon aus, dass die ungünstige geografische Lage eines Landes Ursache für seine Situation ist. Dies äußert sich zum Beispiel in einer Binnenlage, welche hohe Transportkosten und Sondersteuern, wie Transitgebühren nach sich zieht, geringe flächenmäßige Größe (Inselstaat), ein ungünstiges Klima, welches in Form von langen, periodischen Dürren (Sahelzone), stark schwankenden Niederschlagsmengen, großer Jahrestemperaturamplitude und labilen Ökosystemen auftreten kann. Weitere Faktoren sind minderwertige Böden, ungünstige Oberflächenstrukturen wie Höhenlagen oder Hanglagen. Der Mangel an Rohstoffen und fossilen Energieträgern kann auch dazu führen, dass sich Länder langsamer entwickeln, da sie Rohstoffe importieren müssen. Entscheidend ist eine Rohstoffunabhängigkeit zu Beginn der Industrialisierungsphase.
[Bearbeiten] Stufentheorien
Die Theorien über die Existenz von Stufen wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Entwicklung gibt es schon lange. Schon Karl Marx war der Meinung, dass sich soziale Entwicklung in Stufen vollzieht, die letzte Stufe bedeutete für ihn der Kommunismus.
Walt Whitman Rostow, ein amerikanischer Ökonom und Wirtschaftshistoriker, unterteilt den Entwicklungsprozess in fünf Wachstumsstadien: - die traditionelle Gesellschaft - die Übergangsperiode - die Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs (take off) - die Entwicklung zum Reifestadium - das Zeitalter des Massenkonsums. In der Übergangsperiode werden die wichtigen Voraussetzungen für den Aufschwung geschaffen. Während dieser Zeit schreitet die ökonomische und technische Forschung fort, wodurch ein Strukturwandel eintritt. Die Infrastruktur und der Handel werden erweitert, trotzdem herrschen die traditionellen Strukturen vor. In der Phase des wirtschaftlichen Aufstiegs findet der Durchbruch zur industriellen Gesellschaft statt: Neue Industrien entstehen, die ein kontinuierliches Wirtschaftswachstum sichern, was schlussendlich zum Zeitalter des Massenkonsums führt. Kritisiert wurde an dieser Theorie, dass die Kriterien der einzelnen Stufen nicht genau definiert sind. Es wurde auch daran gezweifelt, dass die Entwicklung in der Peripherie und im Zentrum wirklich parallel läuft, denn die beiden Arten von Staaten unterscheiden sich in ihrer landwirtschaftlichen Produktivität, dem Bevölkerungswachstum und in den externen Einflüssen.
[Bearbeiten] Teufelskreis-Theorien
Zur Begründung der Unterentwicklung werden oft so genannte „Teufelskreise der Armut“ hinzugezogen: Man wählt einen beliebigen Ausgangspunkt. Dieser hat eine bestimmte Wirkung, die wiederum einen bestimmten Umstand zur Folge hat. Diese Kausalkette führt man so lange weiter, bis sie man wieder zum Ausgangspunkt zurückkommt. Ursachen sind also sogleich Symptome der Unterentwicklung. Es gibt viele verschiede Varianten dieser Teufelskreise, bei denen es verschiedene Ausgangspunkte geben kann. Alle Teufelskreise erklären die Probleme auf einfache Art und Weise, doch verleihen sie dem Problem der Unterentwicklung einen unausweichlichen Charakter, was zur Resignation führen müsste. Wenn die Einwohner kein Geld haben, also arm sind, können sie kaum oder gar kein Geld sparen. Wenn sie keine Ersparnisse haben, können sie auch kein Geld in das Land investieren. Wenige Investitionen führen zu geringem Wachstum, was zu geringer Produktion führt. Geringe Produktion führt zum geringen Einkommen der Einwohner, was Armut der Bevölkerung zur Folge hat. Hier schließt sich der Teufelskreis. In der Wissenschaft werden solche Folgerungen „Tautologien“ genannt. Sie erklären den Zustand eines Landes logisch und plausibel, doch suggerieren sie, dass Armut ein unentrinnbares Schicksal ist und dass somit Entwicklungspolitik obsolet ist. Außerdem können sie nicht erklären, warum sowohl den heutigen Industrieländern als auch den Tigerstaaten der Ausbruch aus dem Teufelkreis gelungen ist. Diese Teufelskreise gelten im Allgemeinen als überholt, weil sie exogene Faktoren und historische Entwicklungen außer Acht lassen.
[Bearbeiten] Kapitalmangeltheorien
Entscheidendes Wachstumshindernis ist für diese Theorien das Fehlen von Kapital. Früher wurde nur das Fehlen von Sachkapital berücksichtigt, mittlerweile bedenkt man auch den Mangel an Humankapital (z.B.: Leistungsfähigkeit, Ausbildung, Know-How). Das niedrige Pro-Kopf-Einkommen führt zu niedrigen Investitionsraten oder zu geringer Arbeitsproduktivität, weil z.B. Kleinbauern zu wenig erwirtschaften, um sich hochwertige Geräte leisten zu können. Die Industrialisierung und Mechanisierung der Peripherie wäre teurer als die agro-industrielle Revolution im Zentrum. Die Durchführung dieser Industrialisierung würde viel Kapital benötigen, Kapital, das in Dritte-Welt-Ländern nicht vorhanden ist. Kritikpunkte an dieser Theorie gibt es viele: Einerseits wird befürchtet, dass es, vor allem in politisch instabilen Ländern, zu einer gewaltigen Kapitalflucht kommen würde. Es sei sinnvoller, gesetzliche Maßnahmen in den Zielländern der Fluchtgelder durchzusetzen, als nur die Entwicklungshilfe zu erhöhen. Andererseits investieren viele Entwicklungsländer ein Vielfaches ihrer Entwicklungshilfe in die Rüstung. Schlussfolgerung dieser Einwände ist also, dass das Problem nicht unbedingt am Mangel an Kapital liegt, sondern viel eher an der Verteilung und Verwendung des vorhandenen Kapitals.
[Bearbeiten] Theorie der selbstverschuldeten Armut
Die Kernaussage dieser Theorie lautet, dass Armut eine Folge von Faulheit ist. Man hatte das Bild eines „Wilden“, der im Lendenschurz unter einer Bananenstaude liegt, der also an Arbeit nicht interessiert ist. Diese Vorstellung führte zu einer Romantisierung: Man meinte, da diese „Wilden“ schließlich nicht arbeiten wollen, fühlen sie sich auch glücklich in ihrer Armut. Diese Theorie hat viel Kritik geerntet: Viele Menschen kämpfen Tag für Tag ums Überleben, was bestimmt nicht immer leicht ist. Die Vorstellung des „faulenzenden Schwarzen“ ist also unrealistisch. Wenn Menschen nur wenig leisten können, ist dieser Umstand oft auf ihre Armut zurückzuführen, z.B. als Folge von Unterernährung. Die Theorie impliziert weiter, dass die „weißen Reichen“ die Träger der Entwicklung sind, was nicht unbedingt stimmen muss. Weiterhin wurde kritisiert, dass diese Theorie rassistisch ist.
[Bearbeiten] Dualismustheorien
Für Ökonomen stellte der Begriff Dualismus lange ein wichtiges Entwicklungskriterium dar. Sie sind der Meinung, dass Unterentwicklung durch nebeneinander bestehende, nicht miteinander verbundene und strukturell verschiedenartige Wirtschaftssektoren gefestigt wird. Es werden verschiedene Arten des Dualismus unterschieden:
- Der ökonomische und technologische Dualismus: der moderne, industrialisierte, exportorientierte Sektor besteht neben dem traditionellen, mit primitiver Technik arbeitenden Sektor.
- Der regionale Dualismus: Die industriellen Zentren bestehen neben dem primitiveren Hinterland.
- Der soziale und kulturelle Dualismus: Die reiche, gebildete Klasse besteht neben der besitzlosen, ungebildeten Masse.
Für Dualismustheoretiker galten solche desintegrierten Gesellschaften als unterentwickelt, doch bemerken Kritiker, dass es auch in weiter entwickelten Staaten Dualismen geben kann. Weiter entspricht die oben angeführte Trennung nicht der Realität und die Theoretiker bieten keine Erklärung, warum unterentwickelte Sektoren existieren.
[Bearbeiten] Modernisierungstheorien
Die Modernisierungstheorien sind seit den 1950er Jahren als neue Variante der endogenen Theorien entstanden. Anlass war das zunehmende Interesse der Industrieländer an der sog. "Entwicklungshilfe". Für Vertreter der Modernisierungstheorie entwickeln sich die Länder der Dritten Welt in die gleiche Richtung wie die Industrieländer, nur wesentlich langsamer. Der Vorteil der Industrieländer liege darin, dass sie kulturell innovativer seien und sich daher schneller entwickelten.
Das Haupthindernis für eine positive wirtschaftliche Entwicklung der Dritten Welt liege darin, dass die Bewohner der Entwicklungsländer noch nicht mobil und rational genug seien, um die soziokulturellen, organisatorischen und politischen Innovationen der Industrieländer zu übernehmen, so die Vertreter eines sozialpsychologischen Ansatzes wie David Lerner.
Die Handlungsempfehlungen der Modernisierungstheorien sehen vor, dass durch eine Modernisierung der gesellschaftlichen Institutionen wie des Rechts, des politischen Systems, des Bildungswesen, u.a. die Grundlage für Wirtschaftswachstum und damit einhergehender Wohlfahrt geschaffen werden muss. Unter Modernisierung wird dabei der Prozess der Transformation von traditionellen Institutionen und Verhaltensgewohnheiten zu den modernen Ausprägungen, wie sie in der westlichen Gesellschaft vorzufinden sind, verstanden. Da die Ursachen der Unterentwicklung in den Entwicklungsländern selber zu suchen sei (in deren Rückständigkeit), könne die Lösung nur in Hilfe von außen liegen, also in Entwicklungshilfe und Investitionen seitens der Industrieländer.
Kritik an den Modernisierungtheorien kommt von verschiedenen Positionen.
Manche Kritiker setzen an der Beschreibung an, die als unzureichend angesehen wird: die westeuropäische Modernisierung sei nur eine singuläre historische Entwicklung, der keineswegs eine universale Bedeutung zugemessen werden könne. Die Entwicklungsländer befänden sich also nicht auf dem gleichen, sondern einem anderen Entwicklungspfad. Andere kritische Positionen gehen von einer Mischung aus: es gebe sowohl eine gemeinsame Entwicklungsrichtung aller Gesellschaften hin zu technischem und wirtschaftlichem Fortschritt als auch eine relative Einzigartigkeit der Geschichte jeder Gesellschaft.
Ein weiteres kritisches Argument vermerkt erhebliche Lücken in der Erklärung: die Modernisierungstheorien böten letztlich keinen Erklärungsversuch für die die größere Entwicklungsgeschwindigkeit der Industrieländer, deren kulturellen Innovationen würden einfach vorausgesetzt. Aufgrund der unzureichenden Erklärungsangebote seien auch die darauf basierenden Handlungsempfehlungen erfolglos.
Schließlich gibt es rein normative Argumente: die Sichtweise der Modernisierungstheorien würde alternative, gerechtere Wege gesellschaftlicher Entwicklung versperren.
Eine wissenschaftssoziologische Interpretation der Modernisierungstheorien sieht sie als eurozentrische Rechtfertigung der Vorherrschaft und des kollektiven Selbstwertgefühls der Industrieländer.
[Bearbeiten] Exogene Theorien
[Bearbeiten] Imperialismustheorie
Die Imperialismustheorien wurden zwischen 1900 und 1920 von Hobson (englischer Publizist und Ökonom), Rudolf Hilferding (deutscher Politiker, Publizist und Ökonom), Lenin (russischer Revolutionsführer) und Rosa Luxemburg (polnische Internationalistin) begründet. Im Zuge des Aufkommens der Dependenztheorien erlebten sie Mitte der 60er Jahre eine Wiederbelebung und Modifizierung.
Für Marxisten ist der Imperialismus (nach Lenin) das momentane Stadium des Kapitalismus.
Die Imperialismustheorien behandeln die folgenden Themenbereiche: Die neue internationale Arbeitsteilung wird von den internationalen Konzernen maßgeblich bestimmt. Das bedeutet, dass multinationale Konzerne Fabrikationsstätten in der Dritten Welt errichten, was Weiterentwicklung der Peripherie schier unmöglich macht, da einerseits die Einkommensunterschiede nicht abgebaut werden können. Andererseits haben Entwicklungsländer keinen Zugang zu modernen Technologien, da Weiterbildung nicht nötig ist: ungelernte Arbeitskräfte haben keine Möglichkeit zur Fortbildung. Weiter hat die Peripherie nur geringen Handlungsspielraum: Die wichtigen Entscheidungen werden noch immer von den Industriestaaten gefällt.
Der ungleiche Tausch ist noch immer ein großes Problem: Durch ungleiche Handelsbedingungen (terms of trade) verschiebt sich der Markt zugunsten der Industrieländer. Das passiert immer, wenn Waren nicht ihrem Wert entsprechend entlohnt werden. Das bedeutet, dass sich das Einkommen zwischen Zentrum und Peripherie durch internationale Kapitalbewegungen oder Direktinvestitionen umverteilt.
Durch ausländische Direktinvestitionen kommt es zu einem stetigen Gewinnabfluss; Konzerne weisen Gewinne in andere Länder aus – da einheimische Arbeit zu niedrigesten Löhnen erfolgt, kommt es zu einem ständigen Kapitalexport.
Kritiker dieser Theorie sind der Meinung, dass Dinge wie Arbeitkräftewanderungen, Technologietransfer oder Währungsbeziehungen geleugnet oder nicht beachtet werden. Sie meinen, dass die Theorien nicht empirisch abgesichert sind, das bedeutet, dass ihre Ansätze nicht auf Erfahrungen beruhen. Die Entwicklungsstrategien beschränken sich weitgehend auf eine Revolution oder eine vollkommene Abkoppelung vom Weltmarkt, doch die Konsequenzen oder Folgeschritte werden nicht diskutiert.
[Bearbeiten] Theorie der langfristigen Verschlechterung der terms of trade
Als "terms of trade" werden die Austauschbedingungen (Handelsbedingungen) zwischen Rohstoff- und Fertigwarenlieferant bezeichnet. Gründe für die Verschlechterung gibt es viele: Natürliche Rohstoffe werden oft durch synthetische Produkte ersetzt, die Industrieländer haben eine protektionistische Handelspolitik, der Handel wird oft von mächtigen Gewerkschaften in den Zentren behandelt, in den Industrieländern schreitet die technische Entwicklung schneller fort als in der Peripherie. Die Industrieländer ziehen alle Vorteile aus den unfairen Handelsbedingungen, während die Dritte Welt arm bleibt. Kritiker meinen, dass nicht alle Waren einem Preisverfall unterliegen und dass auch in Ländern, deren Exportprodukte gute Austauschbedingungen haben, auch Strukturen der Unterentwicklung aufweisen können.
[Bearbeiten] Abhängigkeitstheorien
Die Abhängigkeitstheorien (auch Dependenztheorien genannt) traten erstmals Mitte der 60er Jahre in Lateinamerika auf, da die klassische Entwicklungspolitik damals scheiterte. Eine neue Basis für die Theorien wurde gesucht, man wandte sich damals gegen die klassischen Theorien und insbesondere die Modernisierungstheorien. Die damals gängige Bezeichnung "Dependenztheorien" stammt von dem spanischen und portugiesischen Wort für Abhängigkeit „dependencia“. Anhänger dieser Theorien sind der Meinung, Unterentwicklung folge aus der Abhängigkeit der Dritte-Welt-Länder (Peripherie) von den Industrieländern (Zentrum). Im Gegensatz zu den klassischen Theorien ist bei den Dependenztheorien Unterentwicklung nicht auf innere ("endogene") Umstände zurückzuführen; sie ist eine logische Folge der Geschichte, die in die verschiedenen Länder in durchaus unterschiedlicher Weise durchlaufen haben. Unterentwicklung ist ein Resultat der Eingliederung der Dritten Welt in die kapitalistische Wirtschaftordnung von heute, wobei die kolonialistischen Strukturen immer noch erkennbar sind. Durch die Macht des Kapitals, das die Industrieländer heute haben, gelingt es ihnen, die ärmeren Länder auch weiterhin arm zu halten. Die Abhängigkeit der unterentwickelten Länder von den Industrieländern ist nur ökonomisch begründet, kulturelle und politische Abhängigkeit sind lediglich Folgen der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Deshalb halten Vertreter der Dependenztheorien das heutige Welthandelssystem für neokolonialistisch. Wegen des Mangels an Devisen, sind die Entwicklungsländer dazu gezwungen eigene Rohstoffvorkommen auszubeuten und Plantagenprodukte möglichst billig herzustellen um sie in die Industrieländer zu exportieren. Auf der anderen Seite werden von einer reichen Minderheit die einen Lebensstandard und ein Konsumniveau nach gängigen westlichen Standards erreicht oder sogar übertroffen hat, Industrieprodukte aus dem Westen importiert. Diese Importe führen häufig zu einem Außenhandelsdefizit. In der heimischen Industrie können diese Konsumgüter allerdings nicht produziert werden, da diesen meist die Technologie und das Kapital für teure Fertigungsanlagen und Investitionsgüter fehlt. Dieser Umstand verstärkt die Abhängigkeit der Entwicklungsländer von den kapitalistischen Metropolen. Die reiche Minderheit, die meist in den Großstädten in abgesicherten Stadtvierteln lebt, bildet die politische Elite dieser Länder. Durch Vertreterrollen in der Politik, die diese „Reichen“ oftmals innehaben, sind sie mitverantwortlich für die Aufrechterhaltung des Zustands, der in Entwicklungsländern herrscht. Oftmals sind sie die größten Gewinner dieser Situation. Sie drängen den Großteil der Bevölkerung an die Grenze des Existenzminimums und vergrößern dadurch die Kluft zwischen der armen und der reichen Bevölkerung. In den oben genannten Punkten sind sich alle Anhänger der Abhängigkeitstheorien einig, doch gibt es innerhalb der Anhängergruppe zwei verschiedene Ansätze, den strukturalistischen und den marxistischen, die sich in einigen Punkten unterscheiden.
[Bearbeiten] Strukturalistischer Ansatz
Ein Vorläufer des strukturalistischen Ansatzes liegt im antiimperalistischen Denken der 30er Jahre. Die Strukturalisten sind der Meinung, dass man die Armut jedes Landes einzeln analysieren müsse, da sich die Strukturen der Unterentwicklung regional unterschieden. Sie sind der Meinung, dass Unterentwicklung die Folge eines historischen Prozesses sei, der umkehrbar ist. Der Zustand der Abhängigkeit findet sich nur in einer Übergangsphase. Nach der Meinung der Strukturalisten sind Problemlösungen möglich, wenn gewisse Rahmenbedingungen geändert werden (zum Beispiel durch Einführung einer neuen Weltwirtschaftsordnung).
[Bearbeiten] Marxistischer Ansatz
Die Vorläufer des marxistischen Flügels sind die klassischen Imperialismustheoretiker der Zweiten und Dritten Welt. Die Marxisten meinen, ihre Auffassung der Dependenztheorie sei total, also global überall gültig. Wenn Unterentwicklung durch das kapitalistische Wirtschaftssystem bedingt ist, dann ist auch die Unterentwicklung, die daraus folgt, strukturell überall gleich. Sie denken, dass Unterentwicklung für das Bestehen des Kapitalismus lebensnotwendig ist, daher ist sie auch in diesem System unüberwindbar. Für sie ist der Zustand der Abhängigkeit keine Übergangsphase, sondern ein historischer Endpunkt in der kapitalistischen Entwicklung der Peripherie. Lösungsmöglichkeiten sind aus Sicht des marxistischen Ansatzes nicht innerhalb des Kapitalismus möglich. Die Anhänger vertrauen darauf, dass der Kapitalismus zusammenbrechen wird, was nur im Zuge einer Revolution stattfinden könne. Die Marxisten meinen, Ausbeutung sei ursächlich, was zum Beispiel die ungleichen Handelsbedingungen zeigen.
[Bearbeiten] Kritik
Durch das Aufkommen der Dependenztheorien wurden erstmals die vorherrschenden klassischen Theorien kritisiert, die Erklärung der Unterentwicklung wurde um wichtige Aspekte erweitert. Dennoch wurden auch sie selbst kritisch diskutiert, insbesondere der Totalitätsanspruch des marxistischen Ansatzes. Kritik richtet sich u.a. auf ein unzureichendes Erklärungsangebot: die Abhängigkeitstheorien böten keine (ausreichende) Erklärung dafür an, warum die Industrieländer überhaupt die weniger entwickelten Länder unterwerfen konnten. So, wie die Modernisierungstheoretiker das Machtgefälle und die Abhängigkeiten zwischen Zentren und Peripherien verharmlosten, würden umgekehrt die Abhängigkeitstheoretiker den Entwicklungsvorsprung der Industrieländer nicht zureichend beschreiben und erklären.
[Bearbeiten] Kritik der Entwicklungstheorien
Die Konflikte zwischen den Theorie-Strömungen haben sich gemildert, da weithin Unzufriedenheit mit allen Entwicklungstheorien um sich greift. Vielfach wird kritisiert, dass keine der Theorien die Realität plausibel beschreibe und widerspruchsfrei erkläre. Sie seien mehr oder weniger monokausal und blenden mit ihrem globalen Gültigkeitsanspruch lokal relevante Gegebenheiten aus. Die Probleme der Entwicklungsländer werden zunehmend als Komplex von Symptomen gesehen, zu dessen Erklärung naturräumliche, demografische, soziale, politische und religiöse, also gleichermaßen endogene und exogene Faktoren herangezogen werden müssen. Für eine zureichende Erklärung müsse auch historisch weiter als nur wenige Jahrhunderte zurückgegangen werden.
[Bearbeiten] Literatur
- Franz Nuscheler: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik. 5. Auflage. Dietz, Bonn 2004, ISBN 3-8012-0350-6.
- Fred Scholz: Geographische Entwicklungsforschung. Borntraeger, Berlin 2004, ISBN 3-443-07138-4.
- Karin Fischer, Irmi Maral-Hanak, Gerald Hödl, Christof Parnreiter: Entwicklung und Unterentwicklung. Eine Einführung in Probleme, Theorien und Strategien. Mandelbauum, Wien 2004, ISBN: 3854761406
[Bearbeiten] Siehe auch
- Portal Entwicklungsländer
- Entwicklungspolitik
- Entwicklungsstrategie
- Imperialismustheorie
- Modernisierungstheorie
- Dependenztheorie