Herrnhuter Brüdergemeine
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Die Herrnhuter Brüdergemeinen bilden eine aus dem Pietismus und der tschechischen Reformation herkommende christliche Glaubensbewegung innerhalb der protestantischen Kirche („Kirchlein in der Kirche“). Sie ist der EKD angegliedert, ist aber auch Gastmitglied der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF).
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[Bearbeiten] Herkunft und Namensvariationen
Die Bewegung gilt als Gründung von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, der 1722 auf seinem Gut Berthelsdorf in der Oberlausitz Böhmischen Brüdern als Exulanten Aufnahme gewährt hatte (nach seinem Tod übernahmen sie 1764 Schloss und Gut). Ihrer ausgeprägten Religiosität entsprechend stellten sie ihre Gemeinschaft unter die „Obhut des Herrn“ und nannten ihre Kolonie „Herrnhut“, aus der im weiteren durch Zuzug noch im 18. Jahrhundert eine administrative Gemeinde wurde, die 1895 selbständig wurde und 1929 Stadtrecht erhielt.
Die Herrnhuter Brüdergemeinen werden daher auch kurz Herrnhuter oder Brüdergemeine genannt (nicht zu verwechseln mit den Brüdergemeinden). Weiterhin sind auch Bezeichnungen wie Erneuerte Brüder-Unität, Unitas Fratrum, Evangelische Brüderkirche oder Abwandlungen davon im Umlauf. Im englischen Sprachraum werden sie als Moravians (von Mähren) bezeichnet und ihre Gemeinschaft dem entsprechend „Moravian Church“ (Mährische Kirche).
[Bearbeiten] Verbreitung
Weltweit gehören der Herrnhuter Brüdergemeine, die im englischsprachigen Raum als Moravian Church bekannt ist, 762.000 Mitglieder in 19 selbständigen Kirchen an, ca. 80 % davon in Afrika (480.000), Mittel- und Südamerika sowie der Karibik und 32.500 in Europa[1].
Die Brüderkirche hat heute ihren Hauptsitz nach wie vor in Herrnhut in der Oberlausitz (Landkreis Löbau-Zittau/Sachsen) sowie im württembergischen Bad Boll im Landkreis Göppingen. Ihre mitteleuropäischen Gemeinden befinden sich hauptsächlich in Mittel- und Westdeutschland; zwei gibt es in Süddeutschland, vier in der Schweiz und einige in den Niederlanden. In Dänemark gehört die gut erhaltene Siedlung der Brüdergemeine von Christiansfeld zum Weltkulturerbe. Der Hauptort in Nordamerika ist Bethlehem (Pennsylvania).
Weltweit ist die Moravian Church in 30 Ländern verbreitet. Insbesondere sind in der Karibik, in Ost- und Südafrika aus der Missionsarbeit junge Kirchen entstanden. Die Brüdergemeinen sind Mitglied des Evangelischen Missionswerks in Südwestdeutschland.
Gemeinden in Deutschland
Bad Boll, Berlin, Bielefeld, Cottbus, Dresden, Düsseldorf, Ebersdorf, Forst, Frankfurt am Main, Gnadau, Hamburg, Herrnhaag, Herrnhut, Kleinwelka, Königsfeld, Neudietendorf, Neugnadenfeld, Neuwied, Niesky, Tossens, Zwickau
[Bearbeiten] Organisation
Die Brüder-Unität ist synodal organisiert. Weltweit gibt es 19 Provinzen, deren Vertreter alle sieben Jahre zu einer Unitätssynode zusammenkommen.[2]
Die Verantwortung für die Gemeinde liegt beim Ältestenrat, die Verantwortung für die Provinz bei der Synode. Das Bischofsamt ist rein geistlich und hat keine Verwaltungsaufgaben.
[Bearbeiten] Theologie
In der Brüderkirche haben sich Strömungen aus der tschechischen Vorreformation von Jan Hus, aus dem Pietismus und Calvinismus vereinigt. Sie stellt eine Lebensgemeinschaft dar, in der Theologen und Laien wirken. Es ist das Recht und die Pflicht jedes Mitglieds, die Bibel selbst zu lesen und für sich auszulegen.
Die dreifache Ordination zu Diaconus, Presbyter und Bischof stammt aus der Böhmisch-Mährischen Brüderkirche. Die Bischöfe der Brüder-Unität stehen in der apostolischen Sukzession. Die Frauenordination ist in der Herrnhuter Brüdergemeine erlaubt. [3] Die Südafrikanerin Angelene Harriet Swart, Präsidentin der Brüderunität in Südafrika, wurde im Januar 2007 zur neuen Präsidentin der evangelischen Freikirche gewählt.[4]
In der Lehre werden Rechtfertigung und Erlösung durch den Tod von Jesus Christus am Kreuz betont, die Heilandsliebe und das Wirken des Heiligen Geistes.
[Bearbeiten] Geschichte
1457 entstand eine der ersten evangelischen Kirchen in Böhmen, die Unitas Fratrum oder Brüder-Unität (Böhmische Brüder), die sich auf den 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannten Jan Hus berief und später von Johann Amos Comenius (1592-1670), ihrem ersten Bischof, geprägt wurde. Infolge der Gegenreformation Anfang des 18. Jahrhunderts kamen sie ab 1722 aus Mähren auf das Gut von Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf (1700-1760).
Durch Zinzendorf kamen pietistische und aus der Reformation stammende Impulse in die Bewegung. Er wollte die Bewegung aber innerhalb der lutherischen Landeskirche belassen - eine Tradition, die in der Brüderkirche mancherorts noch fortlebt.
[Bearbeiten] Mission
Verbreitet wurde die Brüderunität bereits 1732 durch Mission auf der ganzen Welt, angefangen in der Karibik, Grönland (Neu-Herrnhut), Südafrika, Nordamerika und 1735 in Suriname. Auch heute noch unterhält sie eine Missionsorganisation, die Herrnhuter Missionshilfe (HMH), die in 17 Ländern Missionarbeit betreibt.
Es war dabei eines der Prinzipien der Herrnhuter Mission, sich Menschen zuzuwenden, um die sich niemand sonst kümmerte. Graf Zinzendorf, der geistliche Leiter der Gemeinde in Herrnhut, war davon überzeugt, dass Gott in der ganzen Welt durch seinen Geist wirksam ist, auch unter Menschen, die ihn noch nicht kennen. Die Herrnhuter Missionare sollten den Menschen, mit denen sie in Berührung kamen, deshalb dabei helfen, diesen immer schon unter ihnen wirksamen Gott besser kennenzulernen und zu erfahren, dass er in Jesus Christus Mensch geworden ist, um sie zu erlösen.
Von Beginn an wurde ein ganzheitliches Missionsverständnis verfolgt und danach gestrebt, neben der Verkündigung dieser frohen Botschaft auch die konkreten Lebensumstände der Menschen zu verbessern, zum Beispiel durch die Errichtung von Schulen und medizinischer Hilfe. Ein weiteres Prinzip der Herrnhuter Mission war es, Menschen, die zum Glauben gekommen waren, möglichst schnell selbst dafür einzusetzen, die frohe Botschaft unter ihren Mitmenschen weiterzusagen. Auf diese Weise wurden sie von Anfang an in die Verantwortung mit einbezogen.
Aus der Wirksamkeit der Herrnhuter Missionare ist heute eine weltweite Kirche mit 19 selbständigen Kirchenprovinzen entstanden. Innerhalb dieser Gemeinschaft besteht eine enge Zusammenarbeit, durch die sich die verschiedenen Provinzen gegenseitig unterstützen, ihren missionarischen Auftrag zu erfüllen. Von Deutschland aus bestehen besondere Beziehungen mit der Arbeit der Brüdergemeine in Tanzania, Südafrika, Suriname und Palästina. Die Evangelische Brüdergemeine (Broedergemeente) in Suriname erhielt 1963 im Rahmen der weltweiten Brüderunität ihre Selbständigkeit und zählt ca. 50.000 Mitglieder. Sie ist die größte evangelische Kirche in Suriname mit vielen diakonischen und sozialen Einrichtungen.
Mit der Unterstützung vieler Freunde wird die Zusammenarbeit wahrgenommen und koordiniert von der Herrnhuter Missionshilfe e.V. (HMH) in Bad Boll.
Neben der Arbeit innerhalb der selbständigen Kirchenprovinzen werden durch die Herrnhuter Brüdergemeine auch neue Missionsaufgaben erfüllt. Sie geschehen in weltweit gemeinsamer Verantwortung. Im Jahr 1988 wurde der Fonds »Neues Zeugnis für die Welt« eingerichtet, in den alle Kirchenprovinzen Geld zur Finanzierung einzahlen. Die konkrete Durchführung der jeweiligen Missionsunternehmung wird an die Provinz übertragen, die lokal am nächsten gelegen ist. Hier einige Orte und Regionen, in denen heute durch die Brüdergemeine verantwortete Missionsarbeit geschieht:
- in Afrika: im Kongo, Malawi und Zambia
- in der Karibik: in Kuba, Französisch Guayana und unter den Garifunas in Honduras
- in Asien: in Nepal und unter den Yupik und Tschukten in Ostsibirien
- in Europa: in Albanien, in Estland (Urvaste), in Lettland und in Deutschland (Cottbus).
[Bearbeiten] Missionen der Brüderunität in Nordamerika
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Die Herrnhuter Missionare kamen im Jahr 1735 aus Deutschland nach Nordamerika, predigten Widerstand- und Gewaltlosigkeit und bewirkten bei vielen konvertierten Indianern eine bemerkenswerte Veränderung. Sie verkörperten die wohl friedlichsten, fleißigsten und christlichsten Menschen auf dem gesamten nordamerikanischen Kontinent. Man nannte sie Mährische Indianer (engl.: Moravian Indians) und sie wohnten in sauberen Dörfern mit Namen wie Salem, Bethlehem oder Gnadenhütten. Dort züchteten sie Pferde und Rinder, kultivierten Obstgärten, bestellten ihre Felder und versammelten sich täglich zum Gottesdienst.
Obwohl die Herrenhuter Missionare zu vielen Stämmen Kontakt hatten, war die Bekehrung der Lenni Lenape ihr wichtigstes Missionsziel. Sie folgten diesem Stamm von Pennsylvania über Ohio und Indiana schließlich nach Kansas. Sie waren außerdem bei den Mahican und Mattabesic in Connecticut und New York und bei den Cherokee in Georgia und Oklahoma tätig. Die Brüderunität hatte in Hinblick auf die Zahl der bekehrten Ureinwohner begrenzten Erfolg, denn es gab nur einige hundert getaufte Indianer pro Missionsstation. Die relativ geringe Bevölkerungsdichte der Ureinwohner, die verstärkte Wanderung nach Westen, das Gnadenhütten-Massaker im Jahr 1782 und die Präsenz von Alkohol-Verkäufern sind alles Ursachen für die relativ niedrige Zahl an konvertierten Indianern. Trotzdem genossen die Herrnhuter Missionare einen guten Ruf und wurden oft von Häuptlingen verschiedener Stämme aufgesucht, von denen einige den christlichen Glauben annahmen. Um das Jahr 1900 wurde die letzte Indianer-Mission in Nordamerika nach insgesamt über 150 Jahren Tätigkeit geschlossen.[5]
[Bearbeiten] Losungen, Weihnachtssterne
Die Evangelische Brüder-Unität gibt seit 1731 (2005 also zum 275. Mal) jährlich die Herrnhuter Losungen heraus. Sie empfehlen für jeden Tag des Kalenders einen kurzen Bibeltext zur Andacht. Sie sind inzwischen, übersetzt in 50 Sprachen, auf allen Kontinenten in einer jährlichen Auflage von ca. 1,75 Millionen im Gebrauch.
Die in vielen Ländern beliebten Herrnhuter Advents- und Weihnachtssterne werden von einer zur Brüder-Unität gehörenden GmbH noch heute in Handarbeit hergestellt.
[Bearbeiten] Schulen
Die Brüdergemeine unterhält gegenwärtig 6 Schulen, darunter Gymnasien, Berufliche, Grund-, Real- und Behinderten-Schulen (4 in Deutschland, 2 in den Niederlanden).
[Bearbeiten] Ökumene
Die Brüder-Unität (Moravian Church) ist aktiv in der Ökumene engagiert, insbesondere in zahlreichen überkonfessionellen missionarischen Arbeitsgruppen. Sie ist Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen, in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa und in der Konferenz Europäischer Kirchen.
Die Herrnhuter Brüdergemeine ist der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) angegliedert und Gastmitglied in der Vereinigung Evangelischer Freikirchen. Viele Herrnhuter beteiligen sich auch an den Aktivitäten der Evangelischen Allianz.
Die Moravian Church in America ist Mitglied in Churches Uniting in Christ, einer Kirchengemeinschaft von Mainline Churches die untereinander volle Abendmahlsgemeinschaft haben.
[Bearbeiten] Sonstiges
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Die Herrnhuter Brüderkirche hat auf Grund ihrer ausgeprägten Missionsarbeit viele Beziehungen zu anderen Ländern. Dadurch fand 1887 in Neuwied das erste internationale Fußballspiel auf deutschem Boden statt.
In den Anfangsjahren erfanden die Herrnhuter eine Anzahl mythischer Tierwesen, die dem gekreuzigten Jesus seine Leiden versüßten, so z.B. die Blutwundenfischlein, die im Blute Christi schwammen, die Wunderbienlein, die seine Wunden befruchteten und Bluthonig aus diesen saugten, die Kreuzvöglein, die Jesus am Kreuz trösteten. Nikolaus von Zinzendorf, der anfänglich auch diesem Verniedlichungskult[6] frönte, verbot schließlich 1749 in einem Strafbrief diese insbesondere durch seinen Sohn Renatus verstärkt betriebenen mystischen Diminutiva.[7]
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Birgit A. Schulte: Die schlesischen Niederlassungen der Herrnhuter Brüdergemeine Gnadenberg, Gnadenfrei und Gnadenfeld - Beispiele einer religiös geprägten Siedlungsform. Verlag Degener & Co., Insingen bei Rothenburg o.d.T. 2005. ISBN 3-7686-3502-3.
[Bearbeiten] Quelle
- ↑ Siehe http://www.vef.info/herrnhut.phtml
- ↑ http://www.epd.de/nachrichten/nachrichten_index_47434.php3
- ↑ http://www.moravian.org/publications/moravian/back_issues/2005/2005_sep_women_historical.phtml
- ↑ http://www.epd.de/nachrichten/nachrichten_index_47434.php3
- ↑ Paul O'Neil Der Weg nach Westen, Time-Life-Bücher Der Wilde Westen, Seite 93f
- ↑ *NZZ Freitag, 26.05.2000 S.66 (PDF)
- ↑ vgl. Martin H. Jung: Pietismus, Frankfurt a.M. 2005, S.25/26.
[Bearbeiten] Weblinks
Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschland KdöR | Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland (Baptisten- und Brüdergemeinden) KdöR | Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland KdöR | Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden in Deutschland KdöR | Die Heilsarmee in Deutschland - Nationales Hauptquartier - KdöR | Evangelisch-methodistische Kirche KdöR | Freikirchlicher Bund der Gemeinde Gottes e.V. | Gemeinde Gottes Deutschland KdöR | Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten KdöR | Herrnhuter Brüdergemeine KdöR | Kirche des Nazareners e.V. | Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden
Bewegung Plus | Bund Schweizer Baptistengemeinden | Bund Evangelischer Gemeinden | Bund der Evangelischen Taufgemeinden | Bund Freier Evangelischer Gemeinden | Bund Pfingstlicher Freikirchen | Evangelisches Gemeinschaftswerk | Evangelisch-methodistische Kirche | Freie charismatische Gemeinden | Heilsarmee | Konferenz der Mennoniten der Schweiz (Alttäufer) | Pilgermission St. Chrischona | Schweizerische Pfingstmission | Vereinigung Freier Missionsgemeinden | Vineyard-Gemeinden Schweiz