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Thales

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel befasst sich mit dem Philosophen Thales. Zum gleichnamigen Unternehmen siehe Thales Group.

Thales von Milet (griech. Θαλῆς ὁ Μιλήσιος; * um 624 v. Chr. in Milet, Kleinasien; † um 546 v. Chr.) war ein griechischer Naturphilosoph, Staatsmann, Mathematiker, Astronom und Ingenieur. Von ihm soll der Spruch: „Bürgschaft, schon ist Unheil da“, stammen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zur Person des Thales

Thales von Milet
Thales von Milet

Er gilt bereits seit der Zeit Platons und Aristoteles' als Begründer von Philosophie und Wissenschaft, insbesondere der Astronomie. Er galt als der älteste der so genannten sieben Weisen, in der Antike.

Deutlich geprägt wurde Thales durch seine Heimatstadt Milet, eine sehr bedeutende Handels- und Hafenstadt in Ionien (= Kleinasien). Hier trafen die verschiedensten ethnischen Gruppen, Sprachen und Religionen aufeinander und pflegten meist eine friedliche Koexistenz. Allerdings herrschten gleichzeitig im 6. Jahrhundert v. Chr. in Milet sehr stark ausgeprägte Klassenkämpfe zwischen dem Volk und der Aristokratie, wobei ein häufiger Wechsel der Sieger zu vermelden ist. Laut Herodot hatte die Familie Thales' phönizische Wurzeln und ist wohl zur Aristokratie zu rechnen.

Aristoteles schrieb in seiner „Politeia“ über Thales von Milet Folgendes:

„Man hielt ihm seine Armut vor, vermutlich um zu beweisen, dass man mit der Philosophie nicht sehr weit komme. Wie der Erzähler fortfährt, wusste Thales aus seiner Kenntnis der Sternenwelt, obwohl es noch Winter war, dass im kommenden Jahr eine reiche Olivenernte zu erwarten sei; da er ein wenig Geld besaß, mietete er alle Olivenpressen in Chios und Milet; er bekam sie preiswert, da niemand ihn überbot. Als plötzlich zur Erntezeit alle Pressen gleichzeitig benötigt wurden, lieh er sie zu jedem in seinem Belieben stehenden Betrag aus und verdiente eine Menge Geld daran. So bewies er der Welt, dass auch Philosophen leicht reich werden können, wenn sie nur wollen, dass das aber nicht ihr Ehrgeiz ist.“ (siehe auch: Realoption).

Die Anekdote zeigt, dass er in der Antike nicht nur als Philosoph, sondern auch als Kaufmann einen gewissen Ruf hatte. Sogar als Staatsmann wird er gelegentlich bezeichnet, wobei jedoch bei allen Einigkeit darüber herrscht, dass er vor allem ein Philosoph war, der zu seinen Erkenntnissen durch eine sehr genaue Beobachtung der Natur gelangt.

Aus seinem Leben wird seine Reise nach Ägypten überliefert, bei der er sich mit Grundfragen der Geometrie vertraut gemacht haben soll. Anschließend reiste er an den Hof des Lyderkönigs Sardes. Dort betrieb er Sternenkunde. Bekannt wurde er, da er für den 28. Mai des Jahres 585 v. Chr. erfolgreich eine Sonnenfinsternis voraussagte, wozu er auf ältere babylonische Aufzeichnungen über Eklipsen zurückgriff. Dadurch soll ein Krieg zwischen den Lydern und den Medern beendet worden sein - beide Seiten wurden von dem Naturereignis derart erschreckt, dass sie Frieden schlossen. (Einer anderen Überlieferung nach soll Thales das eine Heer über die bestehende Sonnenfinsternis informiert haben: sie sei kein Grund zur Beunruhigung und werde nicht lange andauern. Das andere Heer aber habe an einen Fluch der Götter geglaubt, die Waffen fallen lassen und somit die Schlacht verloren.[1]) (Siehe Sonnenfinsternis 585 v.Chr.)

Von Thales selbst ist nichts Eigenschriftliches überliefert. Es ist nicht einmal sicher, ob er selbst jemals etwas schriftlich fixiert hat. Daher kann nur weniges als wirklich gesichert gelten. Daraus folgt auch, dass unklar ist, welche ihm zugeschriebenen Erkenntnisse wirklich von ihm stammen. Die wenigen Quellenfragmente, die angeblich von ihm aufgestellte Erkenntnisse aufführen, stammen meist aus den Darstellungen von Platon oder Aristoteles. Außerdem berichtet noch der griechische Philosoph Proklos (412 - 485 n. Chr.) von den angeblichen mathematischen Erkenntnissen des Thales - allerdings mit einem beachtlichen Abstand von rund 1000 Jahren!

Er war mit Anaximander und Anaximenes Vertreter der Ionischen Philosophie, der ältesten Richtung der griechischen Philosophie, und zählt somit zu den so genannten Vorsokratikern.

[Bearbeiten] Mathematische Erkenntnisse und Lehrsätze des Thales

Anhand von Thales wird deutlich, dass der Weg des Wissens über Ägypten und Babylon ins griechische Kleinasien und von dort nach Griechenland gelangte. So soll Thales beispielsweise von einer seiner Reisen aus Ägypten geometrische Fertigkeiten nach Griechenland mitgebracht haben (die Überlieferung ist unsicher):

  • Berühmt ist die Legende, wie er in Ägypten die Höhe der Pyramiden gemessen haben soll: Er nahm einen Stab von bekannter Länge und verglich diesen mit der Länge des von jenem geworfenen Schattens. Bei gleichem Sonnenstand müsse nun, so die angebliche Überlegung des Thales, die Länge des Schattens der Pyramide, den er nachmessen konnte, zur Höhe der Pyramide im gleichen Verhältnis wie Stab zu Stabschatten stehen.
  • Ähnliches soll er bei Entfernungen von Schiffen auf See berechnet haben. Hierzu ist jedoch keine entsprechend genauere Anweisung überliefert wie bei der Höhenmessung der Pyramide.
  • Er soll gewusst haben, dass ein Kreis durch jeden Durchmesser in zwei gleiche Teile geteilt wird.
  • Ihm war angeblich bekannt, dass ein gleichschenkliges Dreieck (also ein Dreieck mit zwei gleich langen Seiten) an der dritten Seite, der so genannten Basis, zwei gleiche Winkel besitzt.
  • Wenn sich zwei Geraden schneiden, so sind die einander gegenüberliegenden Winkel paarweise gleich - auch das soll Thales gewusst haben.
  • Ein Dreieck, so soll er bereits erkannt haben, ist dadurch vollständig bestimmt, dass die Basis und die beiden Winkel an ihren Enden gegeben sind.
  • Bekannt ist vor allem der nach ihm benannte Satz des Thales, also dass ein Dreieck, von dem eine Seite ein Durchmesser des Umkreises ist, ein rechtwinkliges Dreieck ist.
  • Er soll erkannt haben, dass die von den Ägyptern gefundenen Regeln zur Vermessung ihrer Felder (auf empirischem Wege) eine allgemeingültige Grundlage hatten. Stimmt dies, so legte er damit den Grundstein für die reine Geometrie als Wissenschaft.
  • Thales beschäftigte sich der Überlieferung nach, wohl im Gegensatz zu den Ägyptern, weniger mit Flächen und Rauminhalten, sondern eher mit Linien und Kurven. Hierdurch erreichte er einen höheren Abstraktionsgrad.

Den deduktiven Beweis kannte er allerdings noch nicht.

[Bearbeiten] Die philosophische Lehre des Thales

1. Die Philosophie von Thales basiert zum einen auf der Behauptung, dass alles aus Wasser entstanden sei. Bei seinen Überlegungen ging Thales wohl von der Frage nach dem Urgrund allen Seins und allen Geschehens aus. Da er einen Kreislauf des Werdens zu erkennen glaubte, musste der gesuchte Urstoff ein nicht nur allgemein verbreiteter Stoff, sondern auch ein wandlungsfähiger zugleich sein. Das Wasser erfüllte den Anspruch, allem zugrundezuliegen und jegliche Gestalt annehmen zu können, anscheinend perfekt: Wasser benötigt jedes Lebewesen zur Existenz und Wasser tritt in verschiedenen Formen des Seins auf, etwa als Dampf oder als Eis oder eben flüssig.

Diese Hypothese war auch am Anfang des 20. Jahrhunderts beliebt, als man annahm, dass sich alles aus Wasserstoff entwickelt hat. Ihm wird der Ausspruch „Das Wasser ist das Beste“ (griechisch: {{Ἄριστον μὲν ὑδωρ Ariston men hydōr) zugeschrieben.

2. Der zweite, ihm zugeordnete Satz lautet: "In allem sind die Götter!" Damit behauptet Thales, dass es nicht auf das Sichtbare der Welt ankommt, sondern auf das, was im Innern der Dinge wohnt, also im Grunde auf das Unsichtbare, welches jedoch das Sichtbare erst zu dem macht, was es an sich ist.

Diese beiden philosophischen Ideen stehen offenkundig im Widerspruch zueinander, da Thales einerseits davon ausgeht, dass der Urgrund allen Seins etwas Stoffliches, nämlich das Wasser, darstellt, andererseits jedoch behauptet, dass die Wirklichkeit, also alles Stoffliche, im Grunde göttlich, also nicht stofflich ist. Wilhelm Weischedel merkt in seinem bekannten Buch 'Die philosophische Hintertreppe' dazu an: „Noch in der Gegenwart geht es in den philosophischen Diskussionen entschieden darum, ob die Welt von einem rein materiellen Prinzip her zu verstehen ist oder ob wir annehmen sollen, die Dinge seien sichtbare Zeichen eines Tieferen, die Welt sei Ausdruck eines in ihr waltenden göttlichen Prinzips, vielleicht gar das Geschöpf eines schaffenden Gottes.“ (S. 15)
Weiterhin zitiert Weischedel Aristoteles, der angenommen hat, Thales habe mit dem „Wasser“ den „Okeanos“ gemeint, jenen Urstrom also, wie er der griechischen Mythologie zufolge die Erdkuppel umfließe, die ihrerseits erst aus demselben entsprungen sei. „Wasser“ habe laut Aristoteles bei Thales also vielmehr die Bedeutung einer metaphysischen Ursubstanz, wie sie etwa bei Aristoteles selbst („Form“ u. „Stoff“, gr. εἶδος eidos u. ὕλη hylē) und später Spinoza („Gott“) oder Leibniz („Monade“) eine ähnliche Rolle spielt. (S. 17)

Diese Überlegung Weischedels berücksichtigend wird deutlich, warum ausgerechnet Thales einen Ruhm als Vater der Philosophie erwerben konnte: Er gilt der Legende nach als derjenige, der sich zuerst die entscheidenden Fragen zu stellen getraute, und er war angeblich der erste, der zwei denkbare Antworten gab, die - leider oder auch glücklicherweise - in anscheinend unvereinbarem Widerstreit zu einander stehen, damit jedoch die beiden Urerklärungsmodelle des Vorhandenseins jeglichen Seins implizieren.

[Bearbeiten] Quellenangaben

  1. Prof. Rudolf Taschner in einem Interview mit dem Tagesspiegel von 17. Juli 2005.

[Bearbeiten] Literatur

  • John Burnet: Die Anfänge der griechischen Philosophie. Teubner, Leipzig 1913.
  • Moritz Benedikt Cantor: Vorlesungen über Geschichte der Mathematik. 4 Bde. Leipzig 1908. Bd 1. Von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1200 n. Chr.Sändig Reprint, Vaduz 2006 (Repr.). ISBN 3-253-03041-5
  • Dieter Göbel: Glanzlichter der Philosophie. Große Denker von Aristoteles bis Popper. Bechtermünz, Augsburg 1998, S.13-21. ISBN 3-8289-4801-4
  • Wolfgang Röd: Die Philosophie der Antike. Bd 1. Von Thales bis Demokrit. Beck, München1 1988. ISBN 3-406-06463-9
  • Bertrand Russell: Denker des Abendlandes. Die Klassiker der Philosophiegeschichte. Gondrom, Bindlach 2005. ISBN 3-8112-2515-4
  • Bertrand Russell: Philosophie des Abendlandes. Piper, München 2004. ISBN 3-492-24208-1
  • Hans Joachim Störig: Kleine Weltgeschichte der Philosophie. Fischer, Frankfurt/M. 2004. ISBN 3-596-50832-0
  • Hans Joachim Störig: Weltgeschichte der Wissenschaft. 2 Bde. 1.Bd. Weltbild, Augsburg 1992, S.81f. ISBN 3-89350-519-9
  • Moth Stygermeer: Während Sokrates schweigt. Der zweite Anfang der Philosophie in Platons Dialog Sophistes. Tenea, Berlin 2005, S.27-54. ISBN 3-86504-149-3 (Entwickelt neue Sicht auf Thales aus einer Theorie des Anfangs der Philosophie)
  • Wilhelm Weischedel: Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen in Alltag und Denken. Dtv, München 2005, S. 11-18. ISBN 3-423-30020-5

[Bearbeiten] Weblinks


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