Waldenser
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Die Waldenser sind heute eine protestantische reformierte Kirche mit starker Verbreitung in Italien. Ursprünglich als Gemeinschaft religiöser Laien Ende des 12. Jahrhunderts durch den Lyoner Kaufmann Petrus Valdes in Südfrankreich gegründet und von der Inquisition verfolgt, bildeten die Waldenser während des Mittelalters eine der bedeutendsten Gruppen dissidenter Christen in der abendländischen Geschichte.
Weltweit zählen die Waldenser heute etwa 48.000 Mitglieder, davon alleine 27.500 in Italien, wo sie in enger Beziehung zur Evangelisch-methodistischen Kirche stehen.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Geschichte
Die Waldenser waren eine vorreformatorische kappelische Laienbewegung. Ihr Name leitet sich von dem Lyoner Kaufmann Petrus Valdes ab, der vom Gleichnis des reichen Jüngling (Mt.19, 16-26) bekehrt wurde. Als die "Armen von Lyon" wandten sich die frühen Waldenser predigend und wohltätig den Armen der Gesellschaft zu. Sie verstanden sich zunächst als Glieder der katholischen Kirche, deren Mißstände sie allerdings kritisierten.
1184 werden die Waldenser - speziell wegen der Laienpredigt - auf der Synode von Verona von Papst Lucius III. exkommuniziert. 1252 belegt Papst Innozenz IV. in seiner Bulle ad extirpanda die Waldenser mit den Worten Cataros,...Valdenses, ... et omnes Hereticos ... perpetue damnamus infamia (für immer verurteilen wir die Katharer, Waldenser und alle Häretiker zur Infamie) mit der Kirchenstrafe der Infamie.
Die Waldenser sind im 14. Jahrhundert in unterschiedlichen, teilweise zerstrittenen Gruppierungen weit über Europa verbreitet. Sie werden von der Inquisition bedrängt, 1487 erfolgt durch Papst Innozenz VIII. ein Kreuzzug gegen die Waldenser.
Einige Gruppierungen schließen sich den Hussiten an - daraus geht die Böhmische Brüdergemeinde hervor (siehe auch Johann Amos Comenius), andere der Reformation von Calvin. In Italien gründen die Waldenser 1532 unter Einfluss der Reformation eine reformierte Kirche in den Cottischen Alpen. Am 17. Februar 1848 wurde den italienischen Waldensern die bürgerliche und Glaubensfreiheit in einem Patent von Karl Albert I., dem König von Piemont-Sardinien, zugestanden.
[Bearbeiten] Charakterisierung der ursprünglichen Waldenser
Etwa um 1174 sammelte der Lyoner Kaufmann Petrus Valdes Gleichgesinnte um sich. Nach ihm werden er und seine Anhänger auch Waldenser genannt.
Die Waldenser wollten gemeinsam ein Leben nach dem Evangelium führen. Dazu gehörten für sie:
- das Leben in freiwilliger Armut
- das Bibelstudium
- das Verbreiten des Evangeliums durch Laienprediger
- Ablehnung der Heiligenverehrung
- Ablehnung des Ablasses
- Ablehnung der Todesstrafe
- Ablehnung des Eides und
- Ablehnung der katholischen Kindstaufe
Zehn Jahre später werden die Waldenser von der katholischen Kirche gebannt und als Ketzer in ganz Europa verfolgt.
[Bearbeiten] Die italienischen Waldenser heute
Nach der Zuerkennung ihrer religiösen Rechte im Jahre 1848 gründeten die Waldenser in ganz Italien verschiedene soziale Einrichtungen (Altenheime, Kinderheime, Schulen, Begegnungszentren - wie zum Beispiel Agape bei Turin), um die herum sich auch die heutigen Gemeinden der waldensischen Diaspora gründeten, die in ganz Italien verstreut sind. Geographisches Zentrum der Waldenser bilden nach wie vor die sogenannten waldenser Täler in den Cottischen Alpen westlich von Turin, wo sich die meisten und größten Gemeinden finden. Das theologische Zentrum in Form einer theologischen Fakultät liegt dagegen in Rom, wo auch die tavola - die demokratisch gewählte Kirchenverwaltung und der gewählte Repräsentant - der moderatore - ihren Sitz haben.
1855 entsteht in Torre Pellice eine theologische Fakultät, welche schließlich 1922 nach Rom verlegt wird. Während des Faschismus 1922-1945 wurden die Waldensergemeinden unter staatliche Beobachtung gestellt; Protestanten durften auf Grund der privilegierten Beziehung des Regimes zur katholischen Kirche keine öffentlichen Ämter bekleiden, die französische Sprache (auch im Gottesdienst) und die Kirchenpresse wurde unterdrückt. Viele piemontesische Waldenser schlossen sich daher während des Zweiten Weltkrieges der Resistenza gegen das Regime Mussolinis und die deutsche Besatzung Norditaliens an; dort vor allem den Partisanengruppen der Partito d'Azione, was bei den faschistischen Behörden zu der Ansicht "I valdesi sono tutti ribelli" - Die Waldenser sind alle Rebellen führte. Die volle Freiheit der Religionsausübung erhalten die Waldenser erst 1984. Damit ging eine mehr als 800jährige Zeit der Verfolgung, Vertreibung und Unterdrückung zu Ende.
Im Januar 2005 wurde in der norditalienischen Stadt Pinerolo bei Turin ein Denkmal zur Erinnerung an die Verfolgung der Waldenser durch die katholische Inquisition enthüllt. Es ist das erste ökumenische Monument in Italien überhaupt und wurde von der Waldenserkirche und dem römisch-katholischen Bischof von Pinerolo in Auftrag gegeben. Die vom österreichischen Bildhauer Gerald Brandstötter in Bronze gestaltete Rundplastik hat die Form einer großen Flamme und soll die Verbrennung der Waldenser durch die Inquisition darstellen. Hoffnung und Versöhnung symbolisiert eine Mädchengestalt mit erhobenen Händen und mit Blick zum Himmel.
[Bearbeiten] Waldenser in Deutschland
Nach 1698 bildeten sich nach der Vertreibung von Waldensern und Hugenotten aus Piemont auch in Südhessen, in Nassau, in Baden-Durlach und Württemberg waldensische Gemeinden. Herzog Eberhard Ludwig von Württemberg erlaubte den vertriebenen Waldensern die Ansiedlung im Herzogtum Württemberg. Damit besiedelten die Vertriebenen unter Leitung des Pfarrers Henri Arnaud eine abgelegene, menschenarme Gegend im Nordwesten des Herzogtums, Nahe des Ortes Ötisheim im jetzigen Ortsteil Schönenberg, in dem heute im ehemaligen Wohnhaus von Henri Arnaud ein Waldensermuseum beherbergt ist. Die Waldenser pflanzten dort bei ihrer Ankunft unter anderem Kartoffeln an, die bis dahin nicht von den Einheimischen genutzt wurden. Somit hängt die Niederlassung der Waldenser in Süddeutschland unmittelbar mit der Verbreitung der Kartoffel Zusammen. Der Einführung der Kartoffel wurde sogar eine Erinnerungstafel gewidmet die in Schönenberg am Haus von Henri Arnaud angebracht ist. Das Recht der freien Religionsausübung wurde den reformierten Waldensern ausdrücklich zugesichert. Die Gottesdienste wurden bis ins frühe 19. Jahrhundert in französischem Dialekt gehalten. Obwohl sich die württembergische Siedlung als die dauerhaftere erwies, ging auch sie im 19. Jahrhundert in der evangelisch-lutherischen Landeskirche auf. Zwischen Pforzheim und Stuttgart erinnern heute jedoch noch Ortsnamen wie Pinache, Perouse, Corres, Serres, Groß- und Kleinvillars an die alten Waldenseransiedlungen. Auch im Großraum Karlsruhe finden sich mehrere Waldensersiedlungen, wie Welschneureut oder Palmbach. Schon im Ortsbild mit seinen straßenseitigen Giebeln lässt sich die besondere Siedlungsstruktur der Waldenserdörfer noch heute in diesen Orten erkennen. Auch die französischen Familiennamen vieler Bewohner, wie Durand, Gille, Roux, Granget, Conle, Crocoll oder Clour erinnern noch an die Herkunft aus Savoyen. In Stuttgart existiert zudem eine von der Landeskirche unabhängige italienischsprachige Waldensergemeinde mit 20 Mitgliedern.
[Bearbeiten] Aktuell bestehende Waldensergemeinden in Deutschland
Deutsche Waldensergemeinden befinden sich u.a. in Neuhengstett, Charlottenberg, Schwabendorf, Todenhausen, Mörfelden-Walldorf, Ötisheim-Schönenberg mit Sitz der Deutschen Waldenservereinigung, Ober-Ramstadt-Rohrbach, -Wembach und -Hahn, Waldensberg, Palmbach, Großvillars, Kleinvillars, Perouse, Pinache, Serres, Wurmberg mit ehemaligem Waldenser-Ortsteil Lucerne, Gottstreu und Gewissenruh, wo seit 1991 auch ein Waldensermuseum besteht.
[Bearbeiten] Waldenser in Österreich
Auch in Österreich gab es im 13. und 14. Jahrhundert waldensische Gemeinschaften. Nachweisbar sind sie hier seit der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ihr Hauptverbreitungsgebiet lag im südlichen Donauraum vom Salzkammergut bis zum Wienerwald. In diesem Gebiet fand die Inquisition erstmals um ca. 1260 in über vierzig Pfarren waldensische Gemeinschaften vor, wovon viele mit halböffentlichen Versammlungszentren ('Schulen') ausgestattet waren. Bis zum Einsetzen der Inquisition kann von einer Duldung der Nachbarn waldensischen Glaubens durch die katholische Mitbevölkerung ausgegangen werden. Die Inquisition von ca. 1260 drängte die Waldenser in den Untergrund, es kam zu zahlreichen Hinrichtungen. Neuerlich verfolgt wurden die Waldenser 1311-1315 in den Gebieten um Steyr, St. Pölten, Wien und Krems sowie um etwa 1370 im Gebiet von Steyr, das in der österreichischen Ketzergeschichte als Hochburg des Waldensertums gesehen wird. Im Zuge der letztgenannten Verfolgungswelle kehrten einige hochrangige Mitglieder der Waldensergemeinde zum Katholizismus zurück und griffen ihre ehemaligen Mitbrüder in Pamphleten an. Unter dem Inquisitor Petrus Zwicker kam es von 1391 bis 1402 neuerlich zu schweren Verfolgungen, u.a. in Steyr, Enns, Hartberg (Stmk.), Ödenburg und Wien. 1397 wurden in Steyr zwischen 80 und 100 Waldenser verbrannt, woran dort ein 1997 errichtetes Denkmal erinnert. Im 15. Jahrhundert verlieren sich die Spuren der österreichischen Waldenser. Die Ursachen hierfür sind nicht geklärt. Vermutet wurde u.a. ein Aufgehen der österreichischen Waldenser im Hussitentum oder der durchschlagende Erfolg der Ketzerinquisition durch Petrus Zwicker.
[Bearbeiten] Weltweite Diaspora
Durch die italienische Auswanderung 1880-1914 leben heute in Argentinien und Uruguay ca. 13.300 Waldenser. Auf der ganzen Welt leben etwa 48.000 Waldenser (darunter 400 in sechs Gemeinden der Chiesa Evangelica di lingua italiana in der Schweiz), welche Mitglieder der Waldenser-Kirche sind, zuzüglich dazu sind diejenigen Waldenser zu nennen, welche sich, wie in Deutschland (ca. 4.000), Frankreich und in den US-Bundesstaaten New York und North Carolina dortigen protestantischen Kirchen angeschlossen haben.
[Bearbeiten] Zeittafel zur Geschichte der Waldenser
Jahr | Ereignis |
---|---|
1177 | Valdes beginnt in Lyon als Wanderprediger. |
1179 | Valdes reist nach Rom, um von Papst Alexander III. sich sein Auftreten als Laienprediger genehmigen zu lassen. |
1182 / 1183 | Vertreibung der Waldenser aus Lyon. Asylsuche und dadurch Ausbreitung in Südfrankreich, in der Lombardei und Deutschland |
1184 | Papst Lucius III. verurteilt auf der Synode von Verona die Waldenser erstmalig als Ketzer. |
1206 ? / 1207 ? | Valdes stirbt. |
1215 | Die Waldenser werden auf dem Vierten Laterankonzil von Papst Innozenz III. erneut als Ketzer verurteilt. |
1458 | Der Waldenserbischof Friedrich Reiser wird in Straßburg verbrannt. |
1480 | Die letzten mittelalterlichen Waldenser, die in Deutschland Heimat gefunden hatten, werden grausam verfolgt. Die Reste schließen sich der Brüderunität an. |
1532 | Die Waldenser der Cottischen Alpen, des Luberon und Kalabriens schließen sich der Reformation an. |
1545 | Verfolgung der Waldenser im Luberon |
1561 | Die waldensischen Gemeinden in Kalabarien werden ausgelöscht. |
1655 | Viele Waldenser des Piemont fallen einem Massaker zum Opfer. |
1685 | Der französische König Louis XIV. verbietet die Evangelisch-reformierte Kirche im Chisonetal. Die dort ansässigen Waldenser fliehen in die Schweiz und nach Deutschland. |
1687 | Die piemontesischen Waldenser werden durch den Herzog von Savoyen vertrieben. |
1689 | Glorreiche Rückkehr - Die piemontesischen Waldenser verlassen ihr Schweizer Exil und kehren zurück. |
1698 | Die französischen Waldenser werden wieder aus dem Piemont vertrieben. Sie finden Aufnahme in Deutschland. |
1699 - 1701 | In Südhessen, Württemberg und Baden kommt es zur Gründung von Waldenserkolonien. |
1805 - 1830 | Ende der deutschen Waldensergemeinden; sie werden in die bestehenden evangelischen Landeskirchen integriert. |
1848 | Die Waldenser werden im Piemont den anderen Bürgern gleich gestellt. |
1984 | Nach über 800 Jahren wird den Waldensern in Italien aufgrund der Intesa, eines Abkommens mit dem italienischen Staat, die freie Religionsausübung gestattet. |
- Quelle: Albert de Lange, aaO, S. 181ff
[Bearbeiten] Motto
Lux lucet in tenebris (lateinisch für: "Licht leuchtet in der Finsternis")
[Bearbeiten] Literatur
- Euan K. Cameron: Art. Waldenser. In: Theologische Realenzyklopädie 35 (2003), S. 388-402
- Molnár Amedeo: Die Waldenser. Geschichte und europäisches Ausmaß einer Ketzerbewegung. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1980
- Tullio Vinay: Liebe, die Berge versetzt. Quell-Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3791834525
- Giorgio Tourn: Geschichte der W.-Kirche. Erlangen 1980.
- Theo Kiefner: Die Waldenser auf ihrem Weg aus dem Val Cluson durch die Schweiz nach Deutschland 1532-1820/30. 5 Bände.
- Band 1: Reformation und Gegenreformation im Val Cluson 1532-1730. Göttingen 1985.
- Band 2: Vorübergehend nach Deutschland 1685-1698. Göttingen 1985.
- Band 3: Endgültig nach Deutschland 1698-1820/30. Göttingen 1995.
- Band 4: Die Pfarrer der Waldenserkolonien in Deutschland. Die Pfarrer und ihre Gemeinden. Göttingen 1997.
- Theo Kiefner: Henri Arnaud – Pfarrer und Oberst bei den Waldensern. Stuttgart 1989.
- Theo Kiefner: Die Privilegien der nach Deutschland gekommenen Waldenser. Stuttgart 1991.
- Julius Köbner: Die Waldenser. Ein dramatisches Gemälde mit lyrischen Randzeichnungen, Tilsit 1924 (?)
- Barbro Lovisa: Italienische Waldenser und das protestantische Deutschland 1655 bis 1989. Göttingen 1993.
- Peter Georg Lantelme: Die Geschichte der Waldensergemeinden Rohrbach Wembach und Hahn.1950 Verlag Jacob Helene Pfungstadt.
- Albert de Lange: Die Waldenser. Geschichte einer europäischen Glaubensbewegung in Bildern. Karlsruhe 2000, ISBN 3-89116-048-8
- Giorgio Tourn: Geschichte der Waldenser. Kitab-Verlag, Klagenfurt 2006
- Waltraud Plieninger: Waldenser - Glaubensflüchtlinge nach dem Dreißigjährigen Krieg in Württemberg, in: Migration Heft 45 (2002) (online)
- Martin Windischhofer: Die Waldenser in Österreich. Aufbruch, Verfolgung und Wandel der frühen Bewegung bis 1315. Universitätsschrift. Wien 2006
- L'épopée des Vaudois, Maurice Pezet, Seghers éditeur
- Les Vaudois au Moyen Age, 1976, Bernard Gonnet
- Les Vaudois, l'étonante aventure d'un peuple-église, 1999, Giorgio Tourn, éditeur Claudiana
- Vaudois languedociens et pauvres catholiques, Cahiers de Fanjeaux n°2, Privat éditeur, 1967
- Le cheminement des vaudois vers le schisme et l'hérésie, Giovanni Gonnet, Cahiers de civilisation médiévale n° 19, 1976
[Bearbeiten] Weblinks
Wiktionary: Waldenser – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen |
- Die Waldenserkirche in Italien
- Deutsche Waldenservereinigung e.V.
- Evangelische Waldenser-Kirchengemeinde Bad Homburg v.d. Höhe (Stadtteil Dornholzhausen) mit zahlreichen Links.
- Sandra Marcella Lucia Liebscher: Gegenwärtige kulturelle Probleme und Varianten der Valdesi. Ethnographie der italienischen Waldenser 1991-1993. Im Druck erschienen in: Abhandlungen zur Geschichte der Geowissenschaften und Religion/ Umwelt-Forschung, Beiheft 8. Bochum 1994. ISBN 3-8196-0301-8
- Sandra Marcella Lucia Liebscher: Ethnographie und Selbstbild italienischer Waldenser
- http://www.glaubensstimme.de/reformatoren/waldenser - Texte der Waldenser
- Waldenserort Großvillars
- Waldenserort Palmbach bei Karlsruhe
- Stiftung Waldensisches Kulturzentrum Torre Pellice