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Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt - Wikipedia

Deutsch-sowjetischer Nichtangriffspakt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt, auch als Hitler-Stalin-Pakt bzw. Molotow-Ribbentrop-Pakt bezeichnet, war ein auf zehn Jahre befristeter Pakt, der am 24. August 1939 in Moskau vom deutschen Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop und dem sowjetischen Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten Wjatscheslaw Molotow in Anwesenheit Stalins und des deutschen Botschafters Graf von der Schulenburg unterzeichnet wurde. Der Pakt garantierte Deutschland die sowjetische Neutralität bei einer Auseinandersetzung mit Polen und den Westmächten und räumte der Sowjetunion die Möglichkeit ein, die im Ersten Weltkrieg verlorenen Territorien Russlands ohne ein Eingreifen Deutschlands zu besetzen.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Vorgeschichte

Als Deutschland am 15. März 1939 unter Bruch des Münchner Abkommens von 1938 die Tschechoslowakei besetzte, wurde offenkundig, dass die anglo-französische Politik des Appeasements gescheitert war. Hitler hatte die Duldung seiner Revisionen des Vertrages von Versailles nicht als Versuche rezipiert, Deutschland friedlich in die europäische Staatengemeinschaft einzugliedern, sondern als Schwäche. Die öffentliche Meinung in England wie in Frankreich forderte nun das Ende aller Zugeständnisse gegenüber Hitlerdeutschland. Als Zeichen der Entschlossenheit, Hitlers Aggressionen ab sofort energisch entgegenzutreten, verkündete der britische Premier Chamberlain, dass Großbritannien und Frankreich im Falle eines deutschen Angriffes Polen militärische Unterstützung leisten würden. Da ein ähnlich aggressives Vorgehen Deutschlands und Italiens auch in Südosteuropa befürchtet wurde, weitete man diese Garantie wenig später auch auf Rumänien, Griechenland und die Türkei aus. Um dieser Garantie mehr Gewicht zu verleihen, richtete man am 14. April 1939 ein formelles Bündnisangebot an die Sowjetunion, das zunächst nur für den Fall eines deutschen Angriffs auf Polen oder Rumänien gelten sollte.

Die Verhandlungen waren von gegenseitigem Misstrauen getragen. Chamberlain stand der Sowjetunion aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen skeptisch gegenüber und hielt die Schlagkraft der Roten Armee für gering. [1] Die Sowjetunion wiederum war nicht überzeugt, dass der Westen diesmal tatsächlich zu seinen Verpflichtungen stehen würde. Es war allerdings nicht das Misstrauen, das die Verhandlungen verzögerte, sondern die Notwendigkeit die Verhandlungsschritte untereinander und in Konsens mit Ländern abzustimmen, die der Aufgabe von Souveränitätsrechten gegenüber Moskau mit misstrauisch gegenüberstanden. Am 11. August 1939 schien man in Moskau dennoch dem Durchbruch nahe. Die Westmächte hatten auf Drängen des russischen Verhandlungsführers Woroschilow nun auch ihre verfügbaren militärischen Kräfte offen auf den Tisch gelegt. [2] [3] Lediglich in der Frage des sowjetischen Einmarschrechts in Polen fehlte noch der Konsens. In Warschau wollte man die sowjetische Forderung, auch ohne eine deutsche Aggression jederzeit und ohne Vorankündigung polnisches Territorium betreten zu dürfen, nicht akzeptieren. [4]

Die parallel dazu geführten deutsch-sowjetischen Verhandlungen kamen zügiger voran. Die Initiative zu solchen Gesprächen war von Moskau ausgegangen. So hatte Mitte Juni 1939 Georgi Astachow, der sowjetische Botschaftsrat in Berlin, gegenüber dem bulgarischen Botschafter Parvan Dragonoff erklärt:

„Wenn Deutschland die Erklärung abgibt, die Sowjetunion nicht angreifen zu wollen, oder mit ihr einen Nichtangriffspakt abschließt, so wird die Sowjetunion wohl von dem Vertragsabschluss mit England absehen.“ [5]

Deutschland reagierte auf diese Information Dragonoffs. Am 26. Juli eröffnet der deutsche Legationsrat Karl Schnurre dem sowjetischen Botschaftsrat Astachow, die Deutschen seien bereit alle Garantien zu liefern. Nach Gesprächen über Details überbrachte Botschafter Schulenburg Außenminister Molotow am 17. August eine Note, in der die Deutschen ihre Bereitschaft zum Nichtangriffspakt schriftlich zum Ausdruck brachten, dem ein vertrauliches Sonderprotokoll bezüglich der Interessensphären beigelegt werden solle. Am 19.August wurde in Berlin der seit Monaten verhandelte Deutsch-Sowjetische Wirtschaftsvertrag abgeschlossen, in dem der Sowjetunion ein Kreditrahmen von 200 Millionen Reichsmark (Laufzeit 7 Jahre) im Gegenzug für Rohstofflieferungen in der Höhe von 180 Millionen Reichsmark (innerhalb von zwei Jahren) eingeräumt wurde. Am gleichen Tag noch teilte Molotov Berlin mit, die sowjetische Regierung sei nun bereit, Außenminister Ribbentrop am 26. und 27. August zur Ratifizierung eines Nichtangriffspaktes zu empfangen. Am 21. August überbrachte Schulenburg Molotow eine Eilbotschaft Hitlers an Stalin, Ribbentrop könnte sich bereits in den nächsten beiden Tagen zur Abklärung letzter Details und zur Ratifizierung nach Moskau begeben, worauf Ribbentrops Ankunft von Stalin auf den 23. August festgelegt wurde. [6] Der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt wurde am 24. August 1939 durch Ribbentrop und Molotow in Moskau unterzeichnet.

[Bearbeiten] Inhalt

Der Pakt sah neben den Nichtangriffsklauseln auch die gegenseitige Neutralität im Kriegsfalle der anderen Partei vor.

In einem geheimen Zusatzprotokoll legten die Länder die Aufteilung Nordost- und Südosteuropas in Interessensphären für den Fall fest, dass es zu einer „territorial-politischen Umgestaltung“ Osteuropas kommen sollte. Die vier Punkte des Zusatzprotokolls sahen dabei Folgendes vor:

  1. Bei den baltischen Staaten (zu denen auch Finnland gerechnet wurde, nicht jedoch Litauen) sollten diese „Interessensphären“ durch die Nordgrenze Litauens abgegrenzt werden, das heißt Lettland, Estland und Finnland sollten in der sowjetischen Interessensphäre liegen, Litauen hingegen in der deutschen.
  2. Polen sollte längs der Flüsse Narew, Weichsel und San geteilt werden. Die beiden Vertragspartner verständigten sich darauf, dass die Frage „ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wäre“ erst „im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden“ könne.
  3. Während die Sowjetunion ihr Interesse an Bessarabien (heute Moldawien und Ukraine) bekundete, betonte die Reichsregierung „das völlige politische Desinteresse an diesen Gebieten.“
  4. Das Zusatzprotokoll sollte von beiden vertragsschließenden Parteien „streng geheim behandelt werden“.

Das überraschend schnelle Vordringen der Wehrmacht nach dem deutschen Angriff auf den Westen Polens vom 1. September 1939 sowie der sowjetische Angriff auf Polen am 17. September 1939 machten am 28. September 1939 (dem Tag an dem Warschau gegenüber den Deutschen kapitulierte) Zusatzvereinbarungen zum Hitler-Stalin-Pakt notwendig, um eine Interessenkollision zu vermeiden.

Karte vom 28. September 1939 mit den Unterschriften von Stalin und Ribbentrop. Die kleineren Unterschriften Stalins bezeichnen abgestimmte kleinere Veränderungen der Linie.
Karte vom 28. September 1939 mit den Unterschriften von Stalin und Ribbentrop. Die kleineren Unterschriften Stalins bezeichnen abgestimmte kleinere Veränderungen der Linie.

Diese Vereinbarungen wurden in drei geheimen Zusatzprotokollen zu einem Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrag festgelegt. Dabei wurde auch Litauen der sowjetischen Interessensphäre zugeteilt; im Gegenzug erhielten die Deutschen „die Woiwodschaft Lublin und Teile der Woiwodschaft Warschau“. Dies korrigierte die Tatsache, dass aufgrund der großen Eile bei den Verhandlungen zum Hitler-Stalin-Pakt der Fluss Pissa bei der Definition der Teilungslinie vergessen worden war („Geheimes Zusatzprotokoll“ I vom 28. September 1939). Die Vertragsparteien verpflichteten sich des Weiteren darauf, in den beiden Teilen des besetzten Polen „keine polnische Agitation [zu] dulden, die auf die Gebiete des anderen Teiles hinüberwirkt.“ („Geheimes Zusatzprotokoll“ II vom 28. September 1939). Außerdem wurde vereinbart, dass die deutschen Bevölkerungsgruppen aus der sowjetischen Interessensphäre „sofern sie den Wunsch haben“ nach Deutschland umgesiedelt werden durften und dass die dafür Beauftragten der Reichsregierung diese Umsiedlung unter Billigung der Sowjets mit den „zuständigen örtlichen Behörden“ arrangieren würden. Ohne dass die Bevölkerungsgruppen spezifiziert wurden, bezog sich dies vor allem auf Bessarabiendeutsche, Deutsch-Balten und Bukowinadeutsche. Eine sinngemäße Verpflichtung übernahm die Reichsregierung für die in „ihren Interessengebieten ansässigen Personen ukrainischer oder weißrussischer Abstammung“ („Vertrauliches Protokoll“ vom 28. September 1939).

In der Literatur werden Bestimmungen der Zusatzprotokolle des Deutsch-Sowjetischen Grenz- und Freundschaftsvertrags vom 28. September häufig fälschlich als Bestimmungen des ursprünglichen Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August ausgewiesen. Dies gilt insbesondere für die Zuordnung Litauens zur sowjetischen Einflusssphäre und für die vereinbarten Zwangsumsiedlungen.

[Bearbeiten] Zweck des Paktes

Deutschland

Für Hitler bot der Pakt die Möglichkeit der Eroberung Westpolens als Voraussetzung für den Angriff auf die Sowjetunion zur Beseitigung einer als gefährlich angesehenen, weltumspannenden Ideologie und zur Verwirklichung seiner „Lebensraum“ -Idee. [7] Dieser Generalplan beruhte allerdings auf der Annahme, dass es zu keinem Eingreifen der Westmächte beim Angriff auf Polen bzw. die Sowjetunion kommen werde. Hitlerweisung im Wehrmachtsführungsstab:[8]

„Vorbereitungen im Westen, die über eine Sicherheitsbesetzung des Westwalls hinausgehen, haben zu unterbleiben. Über die Polenfrage kann und wird es keinen Krieg mit den Westmächten geben. Besprechungen über einen solchen unmöglichen Fall gefährden ganz unnötig die Geheimhaltung und damit die politischen Verhandlungen.“

- Siehe auch Hillgruber [9], weiters Hitlers erstaunte Reaktion auf das britische Ultimatum bei Schmidt. [10] sowie die Wette des italienischen Außenministers Ciano mit Ribbentrop bezüglich eines Eingreifens des Westens. [11]

Mit dem britischen Ultimatum war - an rationalen Maßstäben gemessen- Hitlers „Generalplan“ obsolet, da der drohende europäische Krieg mit den materiellen und personellen Ressourcen des Landes nicht mehr in Einklang zu bringen war. Was der Zurückweisung des Ultimatums folgte, war eine weitgehend von den Umständen diktierte Abfolge von Operationen, die nach anfänglichen Überraschungserfolgen spätestens nach dem Überfall auf die Sowjetunion zwangsläufig zum Desaster führen musste.

Sowjetunion

Für Stalin bot ein Pakt mit den Westmächten wenig Vorteile. Er hätte die von der Sowjetunion als ungerecht empfundene Nachkriegsordnung festgeschrieben und dafür Sicherheitsgarantien geboten, die Stalin nicht zu benötigen glaubte. Unter schrecklichen Opfern für die Zivilbevölkerung hatte er seine Kriegsindustrie und die Rote Armee in zwei Fünfjahresplänen auf einen personell und materiell allen potentiellen Gegnern weit überlegenen Stand gebracht. [12]. Der Pakt mit Hitler bot ihm nicht nur die Zugriffsmöglichkeit auf die verlorenen Gebiete des russischen Imperiums (Finnland, Baltikum, Ostpolen, Bukowina, Bessarabien), sondern auch die Möglichkeit, in eine Auseinandersetzung Hitlers mit den Westmächten zu einem selbst gewählten Zeitpunkt einzugreifen und den sowjetischen Machtbereich noch weiter Richtung Westen zu verschieben.

Wenn E.H. Carr argumentiert, der Pakt habe „einen Atemraum der Immunität vor deutschem Angriff“ und eine „Verteidigungslinie gegen einen potenziellen deutschen Angriff“ gesichert, [13] so liegt er auf jener auch von der Sowjetunion vertretenen Linie, man habe den Pakt vorwiegend aus Furcht vor Hitler geschlossen. Dieses Furchtargument ist angesichts der Zerschlagung des eigenen Sicherheitskordons (Baltikum, Polen) und der Maßnahmen der Dritten Internationale nicht haltbar. Diese Internationale hatte von Stalin am 7.September 1939 folgenden Befehl erhalten: [14]


„Die Kommunisten in den kapitalistischen Ländern müssen sich entschlossen gegen die eigene Regierung und gegen den Krieg stellen.“


Georgi Dimitrow ordnete deshalb am Folgetag über die Komintern die Sabotage aller Verteidigungsmaßnahmen gegen Hitler an, was nicht ohne Auswirkungen blieb.[15].

Die massive Unterstützung, die Stalin Hitler gewährte (Pakt, Mitwirkung bei der Zerschlagung Polens, Rohstofflieferungen, Sabotage der Kriegsführung der Hitlergegner, Beeinflussung von Neutralen zur Unterlassung von Hilfestellung gegenüber den Westmächten) deutet darauf hin, dass man Hitlerdeutschland nicht als Bedrohung, sondern als Werkzeug zur Zerschlagung bzw. Schwächung der europäischen Demokratien betrachtete. Belege: [16] [17] [18] [19]

Auch Werner Maser hält die Behauptung, dass „die Sowjetunion [1939] von Hitler bedroht worden sei, ..(für)... eine Legende, zu deren Urheber Stalin selbst gehörte“ (Maser 1994: 64). Maser zufolge (1994: 42) konnte die Tatsache, dass damals „weder Deutschland noch Japan in der Lage waren, auch nur mit geringster Aussicht auf Erfolg, die UdSSR anzugreifen“ Stalin nicht verborgen gewesen sein.

[Bearbeiten] Folgen

Änderung des polnischen Territoriums
Änderung des polnischen Territoriums
Deutschland

Hitler sah sich von der befürchteten Einkreisung und Lähmung befreit und schlug gegen Polen los, musste allerdings zur Kenntnis nehmen, dass die Westmächte doch zu ihren Verpflichtungen gegenüber Polen standen. Für Deutschland gewann nun die Neutralität der Sowjetunion und die Lieferung kriegswichtiger Güter schlagartig an Bedeutung. So zeigen die britischen Historiker Milward und Medicott, dass das nationalsozialistische Deutschland - im Gegensatz zum kaiserlichen Deutschland - kriegswirtschaftlich nur für einen zeitlich eng befristeten „Blitzkrieg“ vorbereitet war. [20] Gemäß ihrer mit A. Hillgruber übereinstimmenden Meinung [21] wäre die deutsche Kriegswirtschaft Ende 1940 zusammengebrochen. [22] Doch die Sowjetunion hielt die vertraglichen Verpflichtungen bezüglich Warenlieferungen an Deutschland weitgehend ein, im Frühjahr 1941 wurden Zusatzlieferungen vereinbart.

Sowjetunion

Offensichtlich, um den Eindruck einer Komplizenschaft mit Hitler zu vermeiden, begann die Sowjetunion mit ihrem Angriff auf Polen erst am 17.September, wobei der Schutz ethnischer Minderheiten in Ostpolen als Vorwand genommen wurde. Nach Ende des gemeinsamen Feldzuges wurde am 8.Oktober 1939 in Brest-Litowsk die 4.Teilung Polens durch Vertrag besiegelt und die Westgrenze der UdSSR an die Demarkationslinie vorverlegt.

Am 26. Juni 1940, also unmittelbar nach Ende des erfolgreichen deutschen Westfeldzuges besetzte die Sowjetunion das nach dem 1.Weltkrieg an Rumänien verlorene Bessarabien, okkupierte zusätzlich auch den Nordteil der Bukowina und gliederte diese Gebiete der Ukrainische SSR ein. Auch die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen wurden zu dieser Zeit besetzt und als Sowjetrepubliken einverleibt. Lediglich Finnland weigerte sich, den Sowjets Gebiete abzutreten und der Roten Armee Stützpunktrechte einzuräumen, was im November 1939 zum Winterkrieg führte. Dieser für die Rote Armee zunächst wenig erfolgreiche Feldzug wird gerne als Nachweis dafür genommen, dass die sowjetischen Streitkräfte durch die Säuberungen des Jahres 1937 entscheidend geschwächt worden waren. Tatsächlich waren die anfänglichen Rückschläge auf eine Fehlkalkulation der politischen Führung zurückzuführen. Man hatte mit keinem militärischen Widerstand gerechnet und zunächst nur Kräfte zu Demonstrationszwecken bereitstellen lassen, die auch bezüglich Ausrüstung und Bekleidung auf keine Winterkriegsführung in den karelischen Wäldern vorbereitet waren.[23]

Hitler zerfetzt den Nicht-Angriffspakt, 1941 Poster von Kukryniksy.
Hitler zerfetzt den Nicht-Angriffspakt, 1941 Poster von Kukryniksy.

Weiters nutzte Stalin den Pakt, um gegen Japan loszuschlagen. In einer militärisch brillanten Blitzkriegsaktion zerschlug der spätere Marschall Schukow im September 1939 in der Mandschurei die japanische 6.Armee, was die militärische Weltmacht Japan unverzüglich an den Verhandlungstisch brachte und die Anhänger eines Krieges gegen die Sowjetunion entscheidend schwächte.[24] Für Schukow stellte dieser Sieg das Sprungbrett zum Generalstabschef dar, seine kompromisslose Angriffsdoktrin wurde nun endgültig zum Dogma der Roten Armee. Diese erfolgreiche Operation kann auch als Nachweis dafür gelten, dass die Schwächung der Roten Armee durch die Säuberungen des Jahres 1937 keineswegs so einschneidend war, wie dies beispielsweise Glantz [25] in Gleichklang mit der poststalinistischen sowjetischen Geschichtsschreibung behauptet.

Die Unterstützung Hitlers nach Paktabschluss manifestierte sich auch in den Beziehungen der Sowjetunion zu anderen europäischen Staaten. Trotz eines Beistandspaktes mit der Tschechoslowakei wurden die diplomatischen Beziehungen mit der Tschechoslowakei bzw. der Exilregierung noch 1939 abgebrochen und der sezessionistische „Staat“ Slowakei offiziell anerkannt. Im Mai 1941 folgte die Entziehung der Anerkennung der Exilregierungen Belgiens, Norwegens und der Niederlande, mit dem Vorwurf, diese übten keine Souveränität mehr über ihre Länder aus, der Bruch mit Griechenland und Jugoslawien folgte aus ähnlichen Gründen bald danach. [26]

Polen

General Władysław Sikorski, Chef der polnischen Exilregierung, hatte aus exilierten Polen mehrere Divisionen unter britischer Flagge rekrutiert. Weitere polnische Verbände in der Stärke von 25.000 Mann wurden auf sowjetischer Seite formiert und kamen im Zuge des Sikorski-Majski-Abkommens ebenfalls auf britischer Seite zum Einsatz. Die Forderung der Exilregierung, Polen in seinen alten Grenzen wieder erstehen zu lassen, wurde von der britischen Regierung unterstützt, stieß jedoch auf massive Ablehnung des Kreml. Als Sikorski überdies darauf drängte, das Massaker von Katyn aufzuklären, dem zusammen mit den Massenerschießungen an anderen Orten so gut wie alle polnischen Offiziere in sowjetischer Gefangenschaft zum Opfer gefallen waren, brach der Kreml die diplomatischen Beziehungen zur Exilregierung ab. 1944 wurde eine nach Moskau entsandte Regierungsdelegation ermordet und eine Gegenregierung allein mit dem moskautreuen Lubliner Komitee gebildet. Die Entschlossenheit Moskaus, keinen von der Exilregierung anerkannten Organisationen Hilfestellung zu leisten und an der mit Hitler vereinbarten Grenzziehung festzuhalten, wurde zuletzt noch im Lichte der mangelnden Unterstützung des von der Polnischen Heimatarmee geführten Warschauer Aufstandes unter General „Bór“ Komorowski erkennbar. Am 6.Juli 1945 gab Großbritannien schließlich dem Druck Moskaus auf Drängen der USA nach und entzog der Londoner Exilregierung die Anerkennung. Als Ausgleich für die verlorenen Ostgebiete erhielt Polen Territorien des ehemaligen Deutschen Reiches (Westverschiebung Polens).

Baltikum

Im Zuge der Okkupation von Lettland, Estland und Litauen durch die Sowjetunion kam es zu Massendeportationen und -tötungen, dafür wurden hunderttausende russischsprachige Siedler in diese drei Länder umgesiedelt.[27] [28]

Westalliierte

Bei vielen Kommunisten in Westeuropa (aber nicht nur bei diesen) löste die Nachricht vom Abschluss des Paktes und der Wende in der sowjetischen Außenpolitik Entsetzen und Verunsicherung aus. Die Weisungen der Kommunistischen Internationale, die neben der Sabotage der Kriegsführung des eigenen Landes auch die Lösung aller Bindungen zu sozialistischen Parteien forderte, verstärkten das Unbehagen, führten zu Kritik, Protesten und zahlreichen Parteiaustritten.[29]

Nicht weniger betroffen waren die Regierungen Großbritanniens und Frankreichs, da der Pakt die Kriegsgefahr wesentlich erhöhte. Um gegenüber Deutschland Entschlossenheit zu demonstrieren, wurde am 25. August 1939 ein Britisch-Polnischer-Beistandspakt abgeschlossen, der die bereits am 31.März 1939 im britischen Unterhaus abgegebene Beistandsverpflichtung Chamberlains bekräftigte. [30]

In Frankreich desertierte der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) Maurice Thorez und führte die seit dem 26. September verbotene Partei zunächst von Belgien aus weiter. Die von dort gesteuerte Kampagne der PCF richtete sich gegen den „imperialistischen, ungerechten Krieg, an dem die Bourgeoisie aller kriegsführenden Staaten gleich schuldig“ sei.[31] Sie verurteilte auch den Schulterschluss mit Großbritannien und den „reaktionären polnischen Obristen“. Der Agitation dienten Flugzetteln, Kettenbriefe und eine Untergrundausgabe der Parteizeitung L'Humanité, die unter dem Titel „Les soldats contre la guerre“ verbreitet wurde.[32] In der Rüstungsindustrie kam es -von der PCF angeregt- zu Bummelstreiks. Auch Sabotageaktionen fanden statt,[33] wobei allerdings nur in einem Fall (Farmann-Werke) Kommunisten die Täterschaft nachgewiesen werden konnte.[34] In welchem Umfang die Agitation der PCF, deren Wirkung durch gleichlautende sowjetische und deutsche Propaganda verstärkt wurde, zum raschen Zusammenbruch des französischen Widerstandes im Juni 1940 beigetragen hat, muss offen bleiben.

Japan

Japan hatte mit Deutschland am 25.November 1936 den Antikominternpakt abgeschlossen, der neben laufenden Konsultationen bezüglich der Aktivitäten der Kommunistischen Internationale (KOMINTERN) eine geheime Neutralitätsverpflichtung im Falle eines Angriffes der Sowjetunion enthielt. Der Abschluss des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes erfolgte ohne vorherige Konsultationen mit Japan und verstieß damit sowohl gegen den Buchstaben als auch gegen den Geist dieses Vertrages, was in Japan als so schwerwiegend empfunden wurde, dass sich das prodeutsche Hiranuma-Kabinett genötigt sah am 27.August 1939 zu demissionieren.[35] Der russische Militärschlag in der Mandschurei wurde -nachvollziehbar- als Folge des Deutsch-Sowjetischen Paktes gesehen, wodurch die seit 1938 laufenden Verhandlungen über ein Militärbündnis mit Deutschland einen Rückschlag erlitten.

Mit dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 erlosch der Vertrag.

[Bearbeiten] Nach 1945

Die Existenz der Zusatzprotokolle zum Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt wurde von der Sowjetunion 50 Jahre lang geleugnet. Als Michail Gorbatschow im Jahr 1989 einen Untersuchungsausschuss unter der Leitung seines Vertrauten Alexander Jakowlew einsetzte, wurde das entsprechende Dokument veröffentlicht. Am 24. Dezember 1989 erklärte der Volksdeputiertenkongress der UdSSR durch ein Mehrheitsvotum den Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspakt und seine Zusatzprotokolle ex tunc für rechtswidrig.

Die Deutungen des Deutsch-Sowjetischen Nichtangriffspaktes und des geheimen Zusatzprotokolls durch die Historiker gehen bis heute weit auseinander.

In Polen wird nicht nur die Befreiung von der nationalsozialistischen Herrschaft durch die Rote Armee gesehen, sondern auch die Auffassung vertreten, dass Polen am 17. September 1939 als erstes Opfer des Paktes von der Sowjetunion trotz des Nichtangriffspaktes von 1932 überfallen worden sei.

[Bearbeiten] Quellen

  1. Churchill: Der zweite Weltkrieg (Bern 1954) 135
  2. Die entsprechenden Unterlagen wurden übrigens nach Abschluss des Paktes den Deutschen übergeben.
  3. Michail Semirjaga: Die Geheimnisse der Stalinschen Diplomatie 1939-1941 (auf russisch, Moskau 1992) Seite 19
  4. Der Sowjetunion bot diese Weigerung die Möglichkeit, die Schuld am Scheitern der Verhandlungen der Gegenseite anzulasten.
  5. Carroll/Epstein: Das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion 1939-1941. Akten aus dem Archiv des Deutschen Auswärtigen Amtes, Berlin (Departement of State, 1948) Seite 23
  6. Die Chronologie der Ereignisse gemäß Geoffrey Roberts: The Soviet Union and the Origins of the Second World War (London 1995) 79-90
  7. Adolf Hitler: Zweites Buch., S. 159
  8. Loßberg: 27
  9. Hillgruber:Hitlers Strategie.40
  10. Paul Schmidt:Statist auf diplomatischer Bühne (Bonn 1949)73 f. Schmidt las Hitler am 3.September 1939 das britische Ultimatum vor.
  11. Ciano's Diary 1939-1943 (London 1947) 558. Ribbentrop wettete mit Ciano um ein Gemälde, dass die Westmächte neutral bleiben würden. Ciano bekam es nie.
  12. Hildermeier.Geschichte Sowjetunion.472
  13. Carr, Edward H., German-Soviet Relations between the Two World Wars, 1919-1939, Oxford 1952, p. 136.
  14. Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933 - 1943. Bd.2 Aufbau-Verlag, Berlin 2000, S. 273
  15. Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933 - 1943. Bd.2 Aufbau-Verlag, Berlin 2000, 274, 275
  16. Maimann: Wartesaal.62
  17. Georgi Dimitroff: Tagebücher 1933 - 1943. Bd.2 Aufbau-Verlag, Berlin 2000, 274, 275
  18. Wojenno-istoritscheski schurnal (Militärhistorische Zeitung) Nr.6/1992 Seite 47
  19. Joachim C. Fest: Hitler -Ullstein (Frankfurt am Main 1973 Seite 544. Inoffizielle Begründung der KPD-Spitze warum man die NSDAP im Wahlkampf 1933 nicht angreifen dürfe: Hitler sei nur eine Marionette [der fortschrittlichen Kräfte]. Komme er an die Macht, bringe er nur den Kommunismus der Macht näher. Geduld sei in diesem Stadium die oberste revolutionäre Tugend.
  20. Milward: German Economy at War. London 1965, S. 2-18; Medicott: The Economic Blockade. Vol I, London 1952, S. 47-48.
  21. Hillgruber, Germany at two World Wars. Harvard University Press, 1981, p. 75
  22. Hillgruber, Hitlers Strategie. Politik und Kriegsführung 1940 – 1941. Frankfurt am Main, 1965. S. 667-671
  23. Condon Richard: The winter war. Russia against Finland (London 1972)
  24. Alvon Coox: Nomonhan. Japan against Russia (Stanford 1990)
  25. David Glantz: Stumbling Colossus. The Red Army on the eve of World War (Kansas 1998)
  26. Joachim Hoffmann, Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945, 1999:158
  27. Boris Meissner: Die Sowjetunion, die baltischen Staaten und das Völkerrecht - Köln: Verl. für Politik u. Wirtschaft, 1956. XI, 377
  28. Mart Laar: Estland und der Kommunismus, in: Das Schwarzbuch des Kommunismus 2 (München 2004) Seiten 261-323
  29. Victor Gollancz, John Strachey, George Orwell, Harold Laski (Herausgeber und Mitarbeiter): The Betrayal of the Left. An Examination and Refutation of Communist Policy from October 1939 to January 1941: With Suggestions for an Alternative and an Epilogue on Political Morality, London 1941.
  30. Churchill: Der zweite Weltkrieg (Bern 1954) 133
  31. Dimitroff.Band 2.Seite 275
  32. Alistair Horne: To lose a battle.France 1940. Seite 147
  33. Alistair Horne: To lose a battle.France 1940. Seite 148
  34. Julian Jackson: The Fall of France, Oxford University Press, Oxford 2003, ISBN 019280300X, S. 155
  35. Bernd Martin:Deutschland und Japan im zweiten Weltkrieg 1949-1945.17

[Bearbeiten] Literatur

  • Bernhard Bayerlein (Hg.) Georgi Dimitroff. Tagebücher 1933 - 1943 2 Bände Aufbau-Verlag (Berlin 2000) ISBN 3-351-02510-6
  • Andreas Hillgruber: Hitlers Strategie. Politik und Kriegsführung 1940-1941 (München 1982)
  • Bernhard Loßberg: Im Wehrmachtsführungsstab. Bericht eines Generalstabsoffiziers (Hamburg 1950)
  • Manfred Hildermeier: Geschichte der Sowjetunion 1917-1991 (München 1998)
  • Gerhard Bisovsky, Hans Schafranek, Robert Streibel: Der Hitler-Stalin-Pakt. Voraussetzungen, Hintergründe, Auswirkungen. Wien 1990.
  • Walter Hofer: Die Entfesselung des zweiten Weltkrieges. Fischer, Frankfurt am Main 1960.
  • Jan Lipinsky: Das Geheime Zusatzprotokoll zum deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 und seine Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte von 1939 bis 1999. (Europäische Hochschulschriften, Reihe III, Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Bd. 991) Lang, Frankfurt am Main, 2004, ISBN 3-631-52322-X.
  • Werner Maser Der Wortbruch: Hitler, Stalin und der Zweite Weltkrieg. München: Olzog 1994.
  • Donald O'Sullivan: Stalins „Cordon sanitaire“. Die sowjetische Osteuropapolitik und die Reaktionen des Westens 1939 – 1949. Schöningh, Paderborn 2003, ISBN 3-506-70142-8
  • Hans Schafranek: Zwischen NKWD und Gestapo. Die Auslieferung deutscher und österreichischer Antifaschisten aus der Sowjetunion an Nazideutschland 1937 - 1941. Frankfurt a.M. 1990.
  • Helene Maimann: Politik im Wartesaal. Österreichische Exilpolitik in Großbritannien 1938 bis 1945 (Wien 1975)
  • Heinrich Schwendemann: Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 bis 1941. In: Alternative zu Hitlers Ostprogramm ? Akademie-Verlag, Berlin 1993. (Dissertation 1991).
  • In der kostenlosen bibliographischen Datenbank RussGUS werden zum Hitler-Stalin-Pakt mehrere hundert Publikationen nachgewiesen (Formularsuche / Sachnotationen / 12.3.4.5.2.3.2 ).

[Bearbeiten] Weblinks

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