Deutscher Herbst
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Als Deutscher Herbst wird die Zeit und ihre politische Atmosphäre im September und Oktober 1977 bezeichnet, die geprägt war durch die Entführung und Ermordung Hanns-Martin Schleyers, die Entführung des Lufthansa-Flugzeugs "Landshut" und die Selbstmorde der inhaftierten führenden Mitglieder der ersten Generation der Rote Armee Fraktion, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe .
Der Begriff "Deutscher Herbst" leitet sich von dem Film Deutschland im Herbst von 1978 ab, einer Collage mehrerer Dokumentarfilme von elf Regisseuren des „Neuen Deutschen Films“, die sich mit der Reaktion des Staates auf den Terrorismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln kritisch auseinandersetzen.
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[Bearbeiten] Verlauf des Herbstes 1977
[Bearbeiten] Die Schleyer-Entführung
Am 5. September 1977 wurde der Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer in Köln überfallen und verschleppt. Seine Entführer fordern die Freilassung von elf RAF-Gefangenen. Als die Bundesregierung nicht nachgibt, wird am 13. Oktober 1977 ein Flugzeug entführt. Als Reaktion auf die Stürmung des Flugzeuges „Landshut“ wird Hanns-Martin Schleyer erschossen. Seine Leiche wurde am Abend des 19. Oktober in Mülhausen gefunden.
[Bearbeiten] Die Landshut-Flugzeugentführung
Da die Regierung – anders als bei der Entführung von Peter Lorenz zwei Jahre zuvor – nicht zu einem Gefangenenaustausch bereit war, versuchten verbündete Terroristen der RAF, die PFLP, den Druck durch die Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" zu erhöhen. Nach einer Odyssee des Flugzeuges durch die arabische Welt und der Ermordung des Kapitäns Jürgen Schumann landeten die Terroristen auf dem Flughafen Mogadischus, der Hauptstadt des ostafrikanischen Somalia, wo das Flugzeug durch die GSG 9 gestürmt wurde. Die 90 Geiseln konnten unverletzt befreit werden.
[Bearbeiten] Die Todesnacht von Stammheim
Kurz danach begingen die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe Selbstmord. Die ebenfalls in Stammheim inhaftierte Irmgard Möller überlebte mit acht Messerstichen in der Herzgegend. Sie behauptete fortan und vertritt bis heute die Ansicht, dass es sich um eine Exekution von Seiten des Staates gehandelt habe. Alle weiteren Untersuchungen, die teilweise geheim gehalten wurden, kamen jedoch zu gegenteiligen Schlussfolgerungen.
[Bearbeiten] Die gesellschaftspolitische Atmosphäre während des Deutschen Herbstes
Mit dem Deutschen Herbst entstand die Regierungsrichtlinie der Bundesrepublik Deutschland, sich nicht erpressen zu lassen („mit Terroristen ist nicht zu verhandeln“).
Der Begriff "Deutscher Herbst" steht auch für die Atmosphäre in Westdeutschland und Westberlin im Herbst 1977. Nach der tödlich verlaufenen Geiselnahme von München während der Olympischen Spiele 1972 bis zur Eskalation 1977 hatten neue Methoden, vor allem die Rasterfahndung zu einigen Fahndungserfolgen geführt, aber auch viele Unbeteiligte in den Fahndungsprozess mit einbezogen. Straßensperren, Personenkontrollen und schwer bewaffnete Polizisten gehörten zum Straßenbild. Viele Medien schürten die Hysterie und die Angst vor neuen Anschlägen.
Wenige Tage nach dem Tod von Siegfried Buback im April 1977 forderte der damalige Bundesinnenminister Werner Maihofer in einer Rede vor dem Innen- und Rechtsausschuss des Bundestages eine Dissolidarisierungskampagne gegen die ganz erhebliche Unterstützer- oder jedenfalls Sympathisantenszene der RAF. Das ist das Wasser, in dem diese Fische schwimmen. Weiterhin schwimmen sie auch im Wasser einer Schickeria, die in der Tat die Grenzen nicht so ganz klar zieht.[1]
Am 25. April 1977 veröffentlichte ein anonymer Student der Göttinger Universität, der sogenannte Göttinger Mescalero, in der damaligen Studentenzeitung Göttinger Nachrichten einen Text unter dem Titel „Buback - ein Nachruf“, in dessen Einleitung er bekundete, eine klammheimlich Freude über den Tod Bubacks nicht verhehlen zu können, um im weiteren Verlauf des Textes trotz inhaltlicher Sympathie zu den Zielen der RAF, ihre Strategie der Gewalt grundlegend als Weg in eine Sackgasse zu kritisieren. Bekannt wurde vor allem die Einleitungspassage, woraufhin der Text verboten wurde. Um gegen die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit zu protestieren, wurde der Text mit einer einführenden Einleitung und der Unterschrift von 48 Hochschulprofessoren mehrfach nachgedruckt [2] und demonstrativ in verschiedenen kritischen Medien veröffentlicht, was zu über 140 Strafanzeigen gegen die Herausgeber und die veröffentlichenden Professoren führte, die letztlich jedoch alle freigesprochen wurden.
Vielen politisch links orientierten Gruppen und Personen, die nach den Ursachen des Terrorismus fragten, wurde fehlende Distanz zur RAF vorgeworfen und sie wurden als Sympathisanten der Terroristen angegriffen. Insbesondere die Berichterstattung in den Medien der Axel Springer AG über das Werk des Literaturnobelpreisträgers Heinrich Böll wurde von Linken als unfair empfunden. Böll veröffentlichte daraufhin im Spiegel sein Plädoyer Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?, in dem er versuchte, die Motive der Terroristen verständlich zu machen. Einige Schriftsteller, vor allem vormalige Mitglieder der bis 1967 bestehenden Gruppe 47 um Günter Grass, beschlossen damals, die Zeitungen des Axel-Springer-Verlages zu boykottieren.
Zeitweise wurden linke Intellektuelle auch von Politikern zum so genannten "Sympathisantensumpf" gerechnet. Heinrich Böll hatte in seinem Roman "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" schon 1974 den entsprechenden Zeitgeist und die Rolle der Boulevardpresse als Vorreiterin einer Art moderner Hexenjagd gegen vermeintliche Terrorsympathisanten thematisiert. Der Roman wurde später von Volker Schlöndorff verfilmt.
Auch die Parteien gerieten im Deutschen Herbst in heftige Auseinandersetzungen. Die CDU/CSU-Opposition vermutete bei der regierenden sozial-liberalen SPD/FDP-Koalition eine verwandtschaftliche Nähe im Ideologischen und klagte sie an, den Kampf gegen den Terrorismus nur zögerlich zu führen. Die Koalition ihrerseits warf der Opposition hysterische Überreaktionen vor und unterstellte ihr, sie nutze die Gelegenheit, die Bundesrepublik ein Stück weit in einen Polizeistaat zu verwandeln [3].
Als Reaktion auf den Deutschen Herbst organisierte die Sponti-Bewegung den Tunix-Kongress im Januar 1978.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ zitiert nach: Autonomie (Zeitschrift) Nr.12 9/78, S.120
- ↑ http://www.glasnost.de/hist/apo/77buback.html Buback-Nachruf mit Einführungstext und Unterschriften der 48 Professoren
- ↑ Peter Graf Kielmansegg:, Nach der Katastrophe. Eine Geschichte des geteilten Deutschlands, Berlin 2000, ISBN 3886803295, S.342
[Bearbeiten] Literatur
- Erklärungen der RAF vom 5. September bis 18. Oktober 1977
- *Ein deutscher Herbst. Zustände 1977. Von Tatjana Botzat, Elisabeth Kiderlen und Frank Wolff. ISBN 3801503151
- 'Der Baader-Meinhof-Komplex.' Von Stefan Aust. ISBN 3442129532
- Literarische Verarbeitung: Thomas Hoeps: Arbeit am Widerspruch. 'Terrorismus' in deutschen Romanen und Erzählungen (1837-1992)., Dresden 2001. ISBN 3933592240
- Peter Graf Kielmansegg, Nach der Katastrophe - Eine Geschichte des geteilten Deutschland, Siedler Verlag, Berlin 2000, ISBN 3-88680-329-5, S.338ff.
- Oliver Tolmein/Detlef zum Winkel: Nix gerafft - 10 Jahre Deutscher Herbst und der Konservatismus der Linken. Konkret-Literatur-Verlag, Hamburg 1987. ISBN 3-922144-66-7
[Bearbeiten] Filmbeiträge
- Deutschland im Herbst; verschiedene Kurzfilme und Kurzreportagen von mehreren Regisseuren des Neuen Deutschen Films, Bundesrepublik Deutschland 1978, Regie: Rainer Werner Fassbinder, Volker Schlöndorff, Alexander Kluge, Edgar Reitz und andere
- Video/TV: Zweiteilige Dokumentation "Todesspiel" (Teil 1: "Volksgefängnis", Teil 2: "Die Entführung der Landshut") von Heinrich Breloer
- Doku: "Der Deutsche Herbst", BR-alpha, 2005
[Bearbeiten] Weblinks
- Ausführliche Rezension und Inhaltsangabe des Films Deutschland im Herbst mit Fotos auf follow-me-now.de
- Kurzrezension des Fims "Deutschland im Herbst" vom Goethe-Institut Barcelona
- Blutiger Deutscher Herbst 1977 auf wdr.de- mit weiterführenden Informationen, Fotos und Filmmaterial zum Thema
- „Der Deutsche Herbst“ auf rafinfo.de
- Informationen zum Thema auf museumsmagazin.com