Geschichte der Juden in Frankreich
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Die jüdische Gemeinde Frankreichs zählt heute noch 606,561 Mitgleider (anhand der Schätzung des World Jewish Congresses[1]), wohingegen das jüdische Hauptorgan Frankreichs, das Appel Unifié Juif de France[2], nur 500,000 französische Juden ausmachen konnten. Dies würde bei einer Gesamtpopulation von 60.656.178 (Stand: Juli 2005) die 1-Prozent-Marke keineswegs überschreiten.
Trotzdem beherbergt Frankreich die größte jüdische Bevölkerung Europas. Diese sind meist Sepharden, sprich, entstammen ursprünglich der Iberischen Halbinsel. Das Spektrum jüdischer Religiösität ist äußerst vielfältig. Den ultraorthodoxen Haredi steht eine breite Masse säkularisierter Juden gegenüber.
Die jüdische Gemeinschaft Frankreichs konzentriert sich größtenteils in den urbanen Regionen wie Paris, Marseille oder Strasbourg.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Überblick
Die Geschichte der französischen Juden reicht bis zu 2000 Jahren zurück. Im Frühmittelalter war Frankreich das Zentrum jüdischer Lehre in Europa, doch die Verfolgung stieg immens an, als mit dem Mittelalter ein immer stärker werdender religiöser Geltungsdrang aufkam.
Frankreich war das erste Land des alten Kontinents, das die Juden aktiv in ihren Emanzipations-Bestrebungen unterstütze, als die Französische Revolution begonnen hatte, alte Werte durch jene der Aufklärung zu ergänzen bzw. zu ersetzen. Doch trotz der nun gesetzlichen Gleichberechtigung blieben die Vorurteile und Ängste der Franzosen größtenteils bestehen, was besonders die Dreyfus-Affäre im späten 19. Jahrhundert zu Tage brachte.
Trotz des Todes eines Viertels aller französischer Juden während der Gräuel des Holocausts kann Frankreich bis heute die größte jüdische Gemeinde Europas aufweisen.
[Bearbeiten] Römisch-Gallische Epoche
Dokumente, welche über die Bevölkerung des heutigen Staatsgebietes durch Juden vor dem 4. Jahrhundert berichten, sind bis dato nicht bekannt. Als eines der ersten Zeugnisse jüdischer Population gilt das Schicksal des Hilarius von Poitiers (ca. 300 bis 366), welcher gepriesen wurde, da es geschafft haben soll, der jüdischen Gesellschaft zu entfliehen.
Ein Dekret der Herrscher Theodosius II. und Valentinian III., in welchem sie sich an Amatius, dem Präfekten Galliens, richten, verbot Juden und anderen Heiden im Jahre 426, vom Gesetz Gebrauch zu machen und öffentliche Ämter zu bekleiden, auf das sich kein Christ einem Heiden unterwerfen müsse. Ab dem Jahre 465 begann die christliche Kirche, die Juden Frankreichs auszumachen. Große jüdische Gemeinden ließen sich u.a. in Marseille, Paris oder Orléans festhalten. Die Juden bauten Synagogen in den meisten administrativen Zentren der Römer und an wichtigen Knotenpunkten des Handels. Sie hatten oft den Beruf des Händlers oder Steuer-Eintreibers inne. Anhand des Codex Theodosianus konnten die Juden Galliens zumindest frei von staatlicher Oppression leben und ein religiöses Zeremoniell zu entwickeln, welches heutzutage noch in Verwendung steht.
Kaiser Konstantin verpflichtete sie 321 dazu, die Last der Curia mit zu tragen, einer schweren finanziellen Bürde der Bewohner römischer Städte. Selbst nach der Etablierung des Christentums in Gallein weist nichts darauf hin, dass die Juden nicht in Friedlebigkeit mit ihren christlichen Mitbürgern gelebt hätten. Christliche Klerikale konnten an jüdischen Festivitäten teilnehmen und selbst die Heirat zwischen einem Christen und einem Juden geschah gelegentlich. Sie wirkten eine derartige Anziehung auf manche Christen aus, dass es das dritte Konzil in Orléans für notwendig befand, die Gläubigen vor dem jüdischen "Aberglaube" warnen zu müssen, und selbigen untersagte, weder Sonntags zu reisen, noch an diesem Tag ihre Häuser zu beschmücken.
Dagobert I. schlug 929 vor, all jene Juden, die nicht das Christentum annehmen wollten, von seinem Machtbereich zu vertreiben und tatsächlich finden sich anschließend von seiner Herrschaft beginnend bis zu Pippin dem Jüngeren keinerlei Aufzeichnungen einer jüdischen Bevölkerung. Doch im Süden Frankreich, genannt Septimania, konnten die Juden unter tolosanischer Herrschaft leben. Dort tauchten auch die ersten jüdischen Zeugnisse auf, welche auf Frankreich wiesen. Die jüdische Gemeinde Narbonnes bestand zu einem großen Teil aus relativ populären Händlern, die sich sogar leisten konnten, gegen die tolosanischen Herrscher offen zu rebellieren.
[Bearbeiten] Karolingische Periode
Unter Karl dem Großen waren die französischen Juden äußerst zahlreich, ihre rechtliche Stellung abgesichert. Sie durften mit Christen vor Gericht ziehen und deren Beziehung wurde einzig und allein von der von Juden geforderten Sonntagsarbeit getrübt. Sie durften jedoch weder im Finanzwesen, noch im agraren Sektor, der Getreide und Wein betraf, arbeiten. Sie wurden vorwiegend im Exporthandel eingesetzt, vor allem im Handel mit Palestina, aus dem sie wertvolle Waren hervorbrachten. Ein Händler namens Isaac wurde zum Beispiel im Jahre 797 von Karl dem Großen zusammen mit zwei Botschaftern nach Harun al-Rashid entstandt. Juden im Handel konnten sich rühmen, jegliche Güter von Bischöfen und Äbten besorgen zu können.
Interessanterweise befasste sich kein einziger provenzialischer Rat unter Karl dem Großen jemals mit dem Judentum, trotzdem sich ihre Zahl stets vergrößerte und sie eigentlich eine potentielle Gefahr gegenüber den Machthabenden darstellten.
[Bearbeiten] Aufkommen der Kapetinger (987 - 1137)
[Bearbeiten] Erste Verfolgungen der Juden
1010 stellte Alduin, Bischof von Limoges, die jüdischen Bewohner seiner Diözese vor die Wahl, sich entweder taufen zu lassen oder ins Exil zu gehen. Theologen setzten alles daran, sie davon zu überzeugen, sich für Ersteres zu entscheiden. Doch tatsächlich schworen nur 3 von 4 Juden ihrer Würde ab. Diejenigen, die sich dem nicht beugen wollten, flohen entweder in andere Städte außerhalb des Machteinflusses des Bischofes oder richteten sich selbst. Ein herbräisches Dokument erzählt auch davon, wie Robert von der Normandie seinen Vasallen befohlen haben soll, gezielt jene unter der jüdischen Gemeinschaft zu töten, die sich einer Taufe verwehrten.
Ein angesehener Intellektueller aus Rouen, Schlomo ben Jizchak, oft auch kurz Raschi genannt, ging nach Rom, um den Papst um Schutz seiner Glaubensgenossen zu erbeten. Und tatsächlich: der Papst entsandte einen hohen Würdenträger der Kirche, um der Verfolgung ein Ende zu setzen.
Robert II., der Fromme, war bekannt für seine religiösen Vorurteile und den extremen Hass, den er gegenüber den "Häretikern" entwickelte. Er war einer der ersten, der begann, "Ungläublige" zu verbrennen. Es besteht möglicherweise eine Verbindung zwischen diesen Verfolgungen und dem Gerücht, welches 1010 grassierte und besagte, dass Juden ihren östlichen Glaubensgenossen Meldungen über die bevorstehende Truppen-Bewegung gegen die Sarazenen zukommen ließen. Im vorigen Jahr hatten Muslime die Grabeskirche in eine Moschee umfunktioniert, was in Europa großes Aufsehen erregte. Die Erbitterung über dies brachte die Vermutung ins Spiel, Muslime und Juden hätten sich im Geheimen abgesprochen. Rodulfus Glaber trieb diese Verschwörungs-Theorie auf die Spitze als er behauptete, Juden aus Orléans hätten der Muslimen mittels eines Bettlers im Geheimen Anweisungen gegeben, die Grabeskirche vollständig der Erde gleich zu machen. Durch diese Vermutung wurden Juden am selben Tag aus den Städten gejagt oder ermordet. Nur wenige blieben in in der Heimat und nur ein Bruchteil derer, die geflohen waren, kamen nach Jahren wieder. Als eine Reaktion dazu sah sich Papst Alexander II. gezwungen, eine Nachricht an all jene Landesherren Frankreichs zukommen zu lassen, die ein Massaker an den Juden verhindert hatten. Er erinnerte sie, dass Gott das sinnlose Blutvergießen nicht anerkenne. Trotzdem hatte man kurze Zeit später aus religiösem Ansporn ein Heer an Kreuzrittern formiert, dass in Spanien gegen die Mauren vorging und all jene Juden niedermetzelte, die sie auf dem Weg antrafen.
[Bearbeiten] Kreuzzüge
Die Juden Frankreichs scheinen während der Kreuzzüge nicht wesentlich gelitten zu haben, mit Ausnahme des Ersten, als Kreuzritter bestätigten, Juden in der Kirche Rouens eingesperrt und sie, das Alter und Geschlecht missachtend, allesamt niedergemetzelt zu haben. Allein zwei darunter sollen verschont geblieben sein, als sie die christliche Taufe akzeptierten. Zur Zeit des Ersten Kreuzzuges waren die Juden Frankreichs in ständiger Angst, was aus Briefen, die in die Rhein-Länder versandt wurden, ersichtlich wird. Darin wird gebeten, für das Heil der französischen Religions-Genossen zu fasten und beten.
[Bearbeiten] Französisch-Jüdische Literatur
In dieser Zeit wurde die jüdische Kultur aufgerüttelt und bildete vor allem im Süden und Norden Frankreichs eine Einheit. Ihr Werk beinhaltete besonders die Poesie, die sich bis dahin allein auf das Liturgische beschränkte und Israels Leiden und dessen unbeirrbare Hoffnung thematisierte. Sie zielte aber vorwiegend auf die Komponente der Unterhaltung als auf Mobilmachung ab. Weiters trat die genaue biblische Auslegung in den Vordergrund, aus sich die Liebe zur traditionellen Interpretation schließen lässt. Schließlich zog der Talmud mitsamt der zahlreichen Kommentare die meiste Aufmerksamkeit auf sich. Dieser wurde zuerst überarbeitet und kopiert. Die Schriften wurden als "corpus juris", als Gesetzbuch, angesehen und vorwiegend der Praxis der frommen Dialektik halber behandelt. Der Glaube, es hätte bereits zu jener Zeit spezifisch jüdische Philosophie, Naturwissenschaft, oder klassische Literatur in Frankreich gegeben, ist falsch.
Einer, der eine gewichtige Rolle während des 11. Jahrhunderts und der gesamten jüdischen Geschichte spielte, ist Schlomo ben Jizchak, kurz Raschi (1040-1106)(wie oben erwähnt). In ihm sieht sich das Bildnis des jüdischen Genius verwirklicht. Seine Werke zeichneten sich durch Klarheit und feinsinniger Ablehnung aus. Seine Kommentare des Talmuds, welche durch immense Arbeit entstanden waren, verdeckten die Werke seiner Vorgänger und erreichten bald den Status eines unabdingbaren Standardwerkes. Sein Gesamtwerk diente der Erbauung, förderte aber auch die Wertschätzung einfacher und natürlicher Auslegungen religiöser Texte.
[Bearbeiten] Vertreibung und Rückkehr
[Bearbeiten] Vertreibung aus Frankreich (1182)
Der Erste Kreuzzug führte über ein Jahrhundert lang zu Anschuldigungen bezüglich der angeblichen jüdischen Ritualmorde, es folgten Verfolgung und Verbrennung. Kurz nach der Krönung Philipp des Zweiten am 14. März 1181, verhängte selbiger den Befehl, an einem Samstag alle Juden in den Synagogen verhaften zu lassen und sie ihres Geldes und der zeremoniellen Kleidung zu berauben. Wenig später, im April, verfasste er ein Edikt zur Ausweisung französischer Juden und gewährte ihnen eine Verweilzeit von 3 Monaten, um den Verkauf des privaten Besitztums zu ermöglichen. Dabei konfiszierte er jeglichen immobilen Besitz, also beispielsweise Häuser oder Felder. Die Juden versuchten zwar, die Nobilität für sich zu gewinnen, doch vergebens.
Im Juli schließlich wurden sie gezwungen, der Herrschaftsbereich Frankreichs zu verlassen, ihre Synagogen wurden in Kirchen umfunktioniert. Die konfiszierten Waren wurden sofort in Bares umgewandelt, was nahe legt, dass es sich hierbei schlicht um eine Methode handelte, den königlichen Staatshaushalt auszugleichen.
Trotz des für die Juden so desaströsen Ausgangs des Jahrhunderts waren ihre Bedingungen vor allem im Vergleich mit deren Brüdern und Schwestern in Deutschland nicht wirklich "schlecht". Dieser Umstand könnte die immense intellektuelle Aktivität dieser Minorität während des 12. Jahrhunderts erklären, die Zugkraft im Bezug auf ausländische jüdische Gemeinschaften und deren bemerkenswerten Ausstoß an Literatur. Raschi hatte mit seinem Werk dazu einen Anstoß gegeben, was insbesondere in der Auseinandersetzung des Talmuds, biblischer Auslegung und rabbinischer Juristerei fortgesetzt wurde.
[Bearbeiten] Der Rückruf durch Philipp II. (1198)
Das 12. Jahrhundert, welches mit dem Zurückkommen der Juden nach Frankreich (vorwiegend auf die Île-de-France beschränkt) begann, schloss in vielerlei Hinsicht die Existenz im Exil ab. Gegen die allgemeine Erwartung und den eigenen Erlass rief Philip II. die Juden nach Paris zurück.("à l'attente générale et malgré son propre édit, à rappelé les Juifs à Paris and a fait souffrir aux églises de Dieu de grandes persécutions" - Rigord, franz. Chronist).
Tatsächlich führte der König damit nichts Gutes im Schilde, er hatte eine wahren Absichten schon zuvor kundgegeben. Er hatte erkannt, dass die Juden einen gewaltigen finanziellen Vorteil darstellten, vor allem als Geldverleiher. Daher ließ er sie nicht nur zurückkehren, sondern erteilte ihnen sogar eine staatliche Bewilligung ihrer Tätigkeit im Bankwesen und als Pfandleiher. Dabei kontrollierte er ihr Geschäft, legte gesetzliche Zinsen fest und verlangte den Siegeldruck auf abgeschlossene Geschäftsverträge. Dieser Handel wurde versteuert und auch für das königliche Siegel hatten die jüdischen Bankiers zu zahlen. Im königlichen Staatshaushalt entstand dadurch ein stetig wachsender Betrag, das "produit des juifs" ("Ertrag der Juden"). Gleichzeitig war es im Interesse der Schatzkammer, den jüdischen Besitz zu sichern, da er immerhin eine respektable finanzielle Quelle darstellte.
Die Juden wurden deshalb als quasi Leibeigene des Königs gehalten, selbst zu einer Zeit, als Chartas an Einfluss gewannen und ein Ende der Leibeigenschaft bereits in Aussicht gestellt wurde. In mehrere Hinsicht hatten sie ein noch härteres Leben als die Leibeigenen, da sie mit dem König nichts wirklich Fassbares hatten, dessen Meinung sie zu ihren Gunsten ändern hätten können, ebenso stellte sie die christliche Kirche unter ihren Bann, die die den (christlichen) Leibeigenen oft Schutz gewährte. Der Sprachgebrauch lässt auf die geringe Wertschätzung der Juden schließen: "Meine Juden" wurde sprachlich vom Adel und dem König in gleicher Manier benutzt wie "mein Land", um Reichtum zu verdeutlichen. Beide Begriffe konnten zwar miteinander vertauscht werden, der Sinn aber blieb durchwegs der gleiche.
Spott blieb dabei nicht aus. Beispielsweise imitierte der Adel oft den König: "Sie bemühten sich, die Juden in unabdingbarer Abhängigkeit zu ihrem Besitz zu wissen und den Gebrauch zu etablieren, dass, wenn ein Jude, welcher sich in dem einen Freiherrenstand befand, in einen anderen überging, dem Herren seiner früheren Bleibe das Recht eingeräumt werden sollte, den gesamten Besitz des anderen an sich zu nehmen." Tatsächlich wurde diese Vereinbahrung im Jahre 1198 zwischen dem König und dem Graf der Champagne getroffen. Die Bedingungen bestimmten, dass weder er die Juden eines Anderen in seinem Herrschaftsbereich ohne dessen ausdrückliche Bewilligung halten dürfe, noch sollten besagte ohne Erlaubnis des Königs und des Grafen keine Leihen ausstellen oder Pfande einnehmen dürfen. Andere Landesherren trafen ähnliche Abmachungen mit dem König. Daraus konnten sie Einnahmen herausschlagen, bekannt als das weiter oben bereits erwähnte produit des juifs, welches die taille, einem jährlichen Pachtzins, die gesetzliche Gebühr für die Erlässe, die eine Gerichtsversammlung erteilen musste, und der Siegel-Pflicht, die zu einem großen Teil dem König zugute kam. Eine charakteristische Komponente dieser eifrig praktizierten Finanz-Politik tritt aus dem Faktum heraus, dass Bischöfe, anhand einer Vereinbarung aus dem Jahre 1204, die die Sphären der geistlichen und feudalherrschaftlichen Rechtssprechung klar reglementierte, den Klerikalen strikt verbot, jene (Christen) aus der Kirche zu exkommunizieren, die den Juden entweder Waren verkauften oder sich selbige von ihnen besorgten.
[Bearbeiten] Unter Ludwig VIII./IX.
Ludwig VIII.(1223-1226), stärker durch die doktrinären Strukturen der Chirche inspiriert als sein Vater Philipp II., wusste gleichwohl in den Interesse der Staatskasse zu handeln. Obwohl er erklärte, dass vom 8. November 1223 an der Anteil der Bevölkerung an den jüdischen Schulden temporär nicht mehr gelte, verpflichtete er die Schuldner, besagten Betrag in einem Zeitraum von 3 Jahren wieder an die Juden zurück zu zahlen und beauftragte die Landesherren, über diesen Vorgang Buch zu führen und den gesetzmäßigen Verlauf der Rückzahlungen in den Augen zu behalten. Und so sammelten sie die Schulden für die Juden ein, zweifellos nicht ohne gebührende Provision. Ludwig trat anschließend dafür ein, dass das königliche Siegel, für dessen verpflichtenden Gebrauch Gebühren anstanden und ausschließlich für Juden galt, abgeschafft und durch ein herkömmliches ersetzt werden müsse.
Nach all den Anstrengungen, das Bankwesen mitsamt den Darlehen in den Griff zu bekommen, schob sein Nachfolger, Ludwig IX., in seiner flammenden Gottesfürchtigkeit und Unterwerfung der Kirche gegenüber, dem gesamten System einen Riegel vor. Er verachtete das Wesen der verzinsten Darlehen und war dementsprechend finanziellen Überlegungen weniger zugänglich. Trotz früherer Zusammentreffen nötigte er in einer Versammlung in Melun des Dezembers 1230 zahlreiche Landesfürsten, eine Vereinbarung zu unterzeichnen, die den Juden jegliche Tätigkeit im Geldwesen verbot. Niemand im gesamten Königreich durfte die Juden in den den Grenzen festhalten, und jeder Fürst konnte Juden, die sein Eigentum waren, aus fremden Herrschaftsgebieten holen, wo auch immer er diese antraf oder wie viel Ziel nach deren Flucht verstrichen war. Der Erlass des Jahres 1223 trat in Kraft, ein Indiz dafür, dass dieser nicht in die Tat umgesetzt wurde. Sowohl den Fürsten als auch dem König war es versagt, einen Kredit bei den Juden zu eröffnen. Kurz danach ging Ludwig IX. einen Schritt weiter, als er seine Untertanen vom dritten Teil ihrer Schulden bei den Juden befreite. Die Schuldner sollten den restlichen Teil der Schulden innerhalb einer vorgegebenen Zeit begleichen. Auch wurde veranlasst, das Drittel jenen, die bereits ihre Schulden getilgt hatten, wieder zu geben. Gleichzeitig konnte man wegen Schulden an Juden weder eingesperrt, noch durch materiellen Besitz haftbar gemacht werden. Der König hoffte, auf diese Weise dem Wucher ein Ende zu setzen.
[Bearbeiten] Restriktionen unter Ludwig dem Heiligen
Vor seinem Aufbruch zu den Kreuzzügen hatte eine sich versteifende, strikte Gottesfrömmigkeit Ludwig IX. zu verschärften Maßnahmen wie der Ausweisung der Juden aus herrschaftlichen Gebiet und der Beschlagnahmung eines Teils ihrer Güter, bewogen. Der Befehl der Vertreibung trat aber nur teilweise in Kraft, wenn überhaupt. Als der König während der Kreuzzüge im Jahre 1251 in Gefangenschaft geriet, erhoben sich zahlreiche Anhänger Ludwigs mit der Absicht, ihn im Osten den Händen der Feinde zu entreißen. Dieses Heer überschritt aber tatsächlich nie die Grenzen Nord-Frankreichs, Juden waren dabei die bevorzugten Objekte ihrer Attacken. Ludwig erlangt schließlich die Freiheit ohne die Unterstützung des besagten Heeres, ein Lösegeld von einer Million Besanten konnte ihn aus der Gefangenschaft kaufen.
Hatte ihn bereits vor den Kreuzzügen Skrupel darüber gepackt, dass sich die Schatzkammer durch den Gewinn an eingenommenen Zinsen bereichern könnte, falls dieser Betrag den Schuldnern nicht zurück gezahlt werden würde, so erließ er in seinem Namen 1257 oder 1258 eine Verfügung über die gesamte Rückerstattung der eingenommenen Zinsen an die ehemaligen Schuldner, die entweder selbigen oder deren Erben ausgestellt werden sollte. Nach eingehender Diskussion mit seinem Schwiegersohn Theobald, König von Navarra und Graf der Champagne, beschloss am 13. September 1268 er weiters, diese immensen Ausgaben durch den Einzug jüdischen Besitzes zu kompensieren. Ein Erlass, den er kurz nach ersterem beschloss, im Jahre 1269, weist darauf hin, dass dies selbst Ludwig der Heilige überdacht hatte. Nichtsdestotrotz nötigte er die französischen Juden, unter der Androhung einer Strafe, auf Anfrage Pablo Christianis, stets die rouelle (franz. "Scheibe") oder einen Aufnäher zu tragen, der auf dem Vierten Laterankonzil festgelegt wurde. Er bestand aus einem Stück Filz oder einem Kleidungsfetzen in Form eines Rades, vier Finger im Umfang, der auf der Brust und am Rücken befestigt wurde.
[Bearbeiten] Das Exil (1306)
In der Mitte des Jahres 1306 war die Staatskasse unter der desaströsen Finanzpolitik der französischen Könige praktisch geleert worden, und Philipp IV. (1268-1314) beschloss, die Gans zu schlachten, die das goldene Ei gelegt hatte. Er verurteilte die Juden zur Verbannung und bemächtigte sich ihrer Besitztümer. Diese wurden anschließend versteigert; der König war dabei jener, dem die wahren Kostbarkeiten zustanden, die man in den Häusern der Juden fand. Dass dies ganz offensichtlich ein weiterer Versuch war, das Loch in der Staatskasse zu stopfen und dass das Wohlbefinden der Untertanen absolut nicht von Belangen war, zeigt das Faktum, dass Philipp sich selbst die Rolle des Schuldeneintreibers zuteilte, als er die unbedingte Zurückzahlung der Schulden christlicher Bürger erzwang. Dies hatte also den zweifachen Vorteil, der jüdischen Gemeinde den Besitz zu entreißen und gleichzeitig deren Schulden übernehmen zu können. Weiter verfügte er 3 Monate vor der Versteigerung der jüdischen Besitztümer eine Aufhebung des Münzgeldes, sodass jene, die an den Versteigerungen teilnahmen, in ganzen Scheinen zu zahlen hatten. Schließlich gewährte er, aus Angst, die Juden hätten Dinge versteckt, jedem, der jüdischen Besitz finden sollte, ein Fünftel des gefundenen Wertes.
Am 22. Juli, einem Tag nach dem 9. Aw (tisch'a beAw), einem alten jüdischen Feiertag, wurden die Juden verhaftet. In der Haft erfuhren sie, dass sie zum Exil verurteilt worden waren. Innerhalb eines Monats, so wurde ihnen mitgeteilt, hatten sie, ohne ihre Besitztümer mit Ausnahme ihrer Kleider und der Summe von 12 Sous, Frankreich zu verlassen. Ein französischer Historiker hielt diese Verbannung folgendermaßen fest: "Die Vertreibung von 1306 war, wenn man alles berücksichtigt, praktisch die Annullierung des Edikt von Nantes durch Ludwig XIV. des Mittelalters. Mit dem Schlag gegen die Juden trocknete Philipp IV. eine der ertragreichsten Quellen der finanziellen, kommerziellen und industriellen Prosperität seines Königreichs aus".
Obwohl die Geschichte der Juden Frankreichs wohl schon kurz später von Neuem begann, kann es sein, dass selbige gerade zu diesem Zeitpunkt endete. Im Speziellen war es für die Betroffenen tragisch, dass sich Frankreich im vorangegangenen Jahrhundert stark ausgedehnt hatte. Es umfasste nun auch die Champagne, Vermandois, Normandie, le Perche, Maine u.v.m. Dadurch waren die Möglichkeit eines Exils weitgehend eingeschränkt, die französischen Juden konnten nunmehr nur nach Lorraine, einer Region Burgunds, Savoy, Dauphiné, Roussillon, und in einen Teil der Provence flüchten. Es ist bis heute nicht möglich, selbst eine ungefähre Anzahl der Flüchtlinge festzustellen. Schätzungen gehen aber bis zu 100,000 Menschen[3].
[Bearbeiten] Das Verhältnis zur Inquisition
Die Inquisition, die ursprünglich dazu instrumentalisiert wurde, um die Häresie der Albigenser zu unterbinden, beschäftigte sich auch bald mit den Juden Süd-Frankreichs, schließlich hatten sich die Päpste von jeher darüber beschwert, dass nicht nur getaufte Juden zu ihren Wurzeln zurückkehren würden, sondern ihnen dabei auch Christen folgen würden. Im März 1273, formulierte Papst Gregor X. folgende Regeln: Rückfällige Juden, wie Christen, die ihrem Schicksal abgesagt hatten und den Weg des "jüdischen Aberglaubens" gewählt hatten, sollten von der Inquisition gleichermaßen als Häretiker behandelt werden. Jene, die die Schuldigen aufnehmen oder verteidigen sollten, galten als mitschuldige Anstifter der Abtrünnigkeit und sollten auf gleiche Art und Weise bestraft werden.
Entsprechend diesen Bestimmungen fanden am 4. Jänner 1278 sich Juden aus Toulouse, die zuvor einen konvertierten Christen in ihrem Friedhof begraben hatten, vor dem Gericht der Inquisition wieder, wobei der Rabbi Isaac Males für den Tod auf den Scheiterhaufen verurteilt wurde. Philipp IV. hatte seinen Seneschallen vorerst befohlen, keine Juden im Namen der Inquisition einzusperren, doch bereits 1299 hatte er diesen Befehl widerrufen.
[Bearbeiten] Rückkehr der Juden (1315)
Kaum neun Jahre waren nach der Verbannung der Juden vergangen, als Ludwig X. sie erneut zurückrief. Das Edikt des 28. Juli 1315 erlaubte ihnen den Aufenthalt von zwölf Jahren und ermächtigte sie, sich in der jeweiligen Stadt, die sie zuvor hatten verlassen müssen, niederzulassen. Dies geschah auf Verlangen der Volkes: Geoffroy von Paris, ein berühmter zeitgenössischer Poet, wies beispielsweise darauf hin, dass die Juden sanft seien im Vergleich zu den Christen, die sich doch des fremden Besitzes ermächtigt und die anderen derart schlecht behandelt hatten. Er behauptete, dass der König besser daran getan hätte, die Juden nicht auszuweisen, da es im ganzen Land keine Pfandleiher mehr geben würde (Bouquet, xxii. 118). Es liegt also nahe, dass Ludwig X. vor allem die finanziellen Aspekte bei seiner Entscheidung bedachte. Die früheren Beschlagnahmungen waren der Schatzkammer zugute gekommen, und bei einer Bewilligung der Juden für nur zwölf Jahre blieb ihm die Möglichkeit, sie bei Ende dieser Periode erneut zu erpressen. Es scheint, als ob die Juden dem König für die Einreise die beträchtliche Summe von 122,500 Livres gegeben hätten.Auch ist es möglich, wie es Vuitry andeutet, dass zahlreiche Schulden, die den Juden gehörten, zuvor nicht eingezogen wurden. Das Dekret veranlasste, dass nun zumindest 2 Drittel dieser Beträge in die Schatzkammer wanderten.
Die genauen Umstände der Rückkehr der Juden im Jahr 1315 wurde in zahlreichen Dokumenten festgehalten, auf einige der Regelungen hatten selbige Einfluss, der durch Bezahlung gesichert wurde. So wurde es ihnen zwar auf der einen Seite untersagt, Gläubige mit religiösen Diskussionen zu behelligen, auf der anderen durften sie nicht persönlich angegriffen werden, weder wegen der Güter, derer sie vor der Verbannung habhaft gemacht hatten und mitnehmen konnten, noch wegen der Kredite, die sie seit ihrer Rückkehr gewährt hatten oder anderen Dingen, derer man sie in der Vergangenheit bezichtigte. Jüdische Synagogen und Friedhöfe durften unter der Bedingung, dass die jüdische Gemeinde deren Wert rückerstatten konnte, wiederhergestellt werden, und war dies nicht möglich, so bot ihnen der König zu diesem Zweck Grundstücke zu einem vernünftigen Preis an. Jüdische Gesetzbücher, die ihnen bis dato nicht zurückgegeben waren, mussten mit Ausnahme des Talmuds ersetzt werden. Nach dem Ablauf der Frist der zwölf Jahre hatten sie das Land zu verlassen, doch wurde ihnen dazu ein Jahr zusätzlich gewährt, innerhalb dessen sie sich ihres immobilen Besitzes entledigen konnten. Sie wurden vom König nicht der Wucherei bezichtigt, noch hatten sie Abgaben zu leisten. Schlussendlich nahm der König die Juden unter seinen persönlichen Schutz, als er dafür eintrat, dass weder Juden noch deren Besitz angegriffen werden durften. Sie sollten nun auch frei von jeglicher Unterdrückung sein.
[Bearbeiten] Vertreibung (1394)
Am 17. September 1394 gab Karl VI. die Ordonnanz, dessen Inhalt beschrieb, dass er schon lange darüber bescheid wisse, welcher Unmut über die vermeintlichen Exzesse und Vergehen der Juden an Christen herrsche. Nach Untersuchungen habe man festgestellt, dass es seitens der Juden mehrmals zu Brüchen ihrer Abmachung mit dem König kommen wurde. Und so wurde dass unwiderrufliche Gesetz erlassen, dass fortan kein Jude in seinen Domänen leben sollte ("Ordonnances," vii. 675). Glaubt man dem "Réligieux de St. Denis", so unterzeichnete Karl dies unter Druck der Königin, seiner Gemahlin ("Chron. de Charles VI." ii. 119). Es trat sofort in Kraft, den Juden wurde eine Frist gewährt, innerhalb derer sie ihren Besitz verkaufen und deren Schulden begleichen konnten. Besagte Verschuldete mussten die Schulden in bestimmte Zeit selbst tilgen, andererseits hatten auch die anderen die Kosten zu tragen. Der Vorstehende der jüdischen Gemeinde hatte die Pflicht, seine Gefolgsleute zu den Grenzen des Reiches zu führen. Die Christen wurden von Schulden befreit.
Spätestens im 17. Jahrhundert begannen die Juden, sich wieder in Frankreich niederzulassen. Anti-semitische Unruhen in der Provence, welche sie zwangen, nach Nord-Frankreich zu migrieren, veranlassten Ludwig XIII. zu einer strengeren Politik: das neue Edikt vom 23. April 1615 verbat den Christen unter Androhung von Beschlagnahme ihres Besitzes bis zur Todesstrafe, Juden zu beherbergen oder auch nur mit ihnen zu kommunizieren. So wurde der König zeitlebens von Auseinandersetzungen verschont.
Ludwig XIV. vertreib die Juden im Jahre 1683 von der neu erworbenen Kolonie Martinique und auch zu dem Zeitpunkt, als Elsaß-Lothringen dem Königreich eingegliedert wurden, neigte er zu einer Umsiedlung der jüdischen Gemeine Frankreichs in eben dieses Gebiet, war aber schnell wieder vom finanziellen Vorteil der gegenwärtigen Situation überzeugt worden. Am 25. September 1675 benachrichtigte er sie daher darüber, dass sie von nun an unter spezieller Protektion standen. Freilich bewahrte sie das nicht vor allerlei Erpressung und schlechter Behandlung - die soziale Position der Juden blieb nicht anders als jene in Österreich beispielsweise.
[Bearbeiten] Anfänge der Emanzipation
Im Laufe des 18. Jahrhunderts änderte sich die Situation der Jude in Bezug auf die Herrschenden allmählich. Es begann sich ein Gefühl von Toleranz zu verbreiten, welches die nach wie vor existenten legislativen Ungerechtigkeiten kompensierte. Behörden sahen oft über Verletzungen des Ediktes der Verbannung hinweg, auch wurden Siedlungen von portugiesischen und deutschen Juden in Paris geduldet. Die Stimme der Aufklärung stieß allmählich nicht mehr auf taube Ohren. Ein Jude aus Alsace, der den Namen Cerf Berr trug und sich in der Versorgung der französischen Armee profiliert hatte, hatte bis zur Zeit Ludwig XVI. die Position des Dolmetschers der Juden inne. Der humanistische Minister Malesherbes berief eine Kommission angesehener Juden ein, um Wege zur Verbesserung der Situation ihrer Glaubensgenossen finden zu lassen. Dies trug bereits 1784 Früchte, als die entwürdigende Kopf-Steuer abgeschafft und die Bewilligung der freien Platzwahl innerhalb Frankreichs erlassen wurde.
Die Frage der Juden gewann auch im Denken Mirabeaus und Henri Grégoires, späteren Revolutionären, an Bedeutung. Ersterer machte auf einer diplomatische Reise nach Preußen mit Moses Mendelssohn und seiner Lehre, der Haskala, Bekanntschaft. Zusammen arbeiteten sie an der Emanzipation der Juden und verfassten das Pamphlet "Über Moses Mendelssohn und die politische Reform" (Sur Moses Mendelssohn et la Reforme Politique, London 1787), in dem unter anderem die Argumente deutscher Anti-Semiten wie Johann David Michaelis angefechtet wurden und volle Staatsbürgerschaft für Juden gefordert wurde. Es griff sowohl Schriften gegen aber auch für Juden an und so wuchs das öffentliche Interesse Frankreichs an dem Thema stetig. Selbst die königliche Gesellschaft der Wissenschaft und Künste in Metz bot eine Auszeichnung für jenen Artikel an, der die Frage, mit welchen Mitteln man die französischen Juden glücklicher und nützlicher machen konnte, am geschicktesten löste. Der Versammlung wurden schlussendlich neun Artikel vorgelegt, von denen nur zwei aus Protest gegen die Juden gerichtet waren.
[Bearbeiten] Die Revolution und Napoléon
In der Zwischenzeit brach die Revolution aus, was unter anderem in Akte der Gewalt den Juden gegenüber mündete, der Mob attackierte häufig deren Unterkünfte. Nicht selten waren die Juden gezwungen, beispielsweise in Basel Zuflucht zu finden. Vor der Nationalen Versammlung skizzierte Abt Henri Grégoire ein düsteres Bild und forderte zugleich eine umgehende Emanzipation der Juden. Die Versammlung teilte die Entrüstung des Prälats, doch ließ die Frage einer Emanzipation unangetastet.