Gesundheitswissenschaften
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Gesundheitswissenschaften (englisch: Public Health) hat sich seit Anfang der 1990er Jahre in Deutschland etabliert. Beide Begriffe werden synonym verwendet, wobei eine Tendenz zum Begriff Public Health auszumachen ist.
Haisch, Weitkunat und Wildner (1999, S. 317) definieren Gesundheitswissenschaften als die "Wissenschaft und Praxis der Krankheitsverhütung, Lebensverlängerung und Gesundheitsförderung durch organisierte, gemeindebezogene Maßnahmen; ein interdisziplinäres Gebiet, das sich mit Gesundheit und ihren Determinanten befaßt". Schwartz (1998) spricht von der "Analyse, Bewertung und Organisation von Gesundheitsproblemen in der Bevölkerung und ihrer Verhinderung beziehungsweise Bekämpfung mit angemessenen, wirksamen und ökonomisch vertretbaren Mitteln".
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[Bearbeiten] Geschichte
Public Health kann auf eine 100-jährige angelsächsischen Tradition zurückschauen, wie an der Universität Edinburgh, Schottland, oder an der Harvard University, USA. Bedingt durch die Nationalsozialistische Rassenhygiene hatte die Public-Health-Entwicklung in Deutschland eine große Schwächung erfahren (vgl. Eckart, 1990).
Hinsichtlich der disziplinären Entwicklung wird unterschieden in "Old Public Health" (auch: Public Health I) und "New Public Health" (auch: Public Health II). Im Mittelpunkt von Old Public Health stehen die Prävention und Versorgung von Problemgruppen. Die wissenschaftliche Basis leisten die Medizin mit der Theoretischen Medizin, klinisch-praktischen Medizin, Hygiene, Sozialmedizin und Epidemiologie wie die Sozialwissenschaften mit der Soziologie und Psychologie. Im Mittelpunkt von New Public Health steht die gesamte Gesundheitspolitik. Ergänzt wird Old Public Health, was nach wie vor bedeutsam ist, durch die Gesundheitssystemforschung (vgl. Schwartz, 1998). Die wissenschaftlichen Grundlagen sind die Ökonomie mit der Gesundheitsökonomie, die Politikwissenschaften mit der Gesundheitspolitik und die Managementwissenschaften mit dem Qualitätsmanagement.
[Bearbeiten] Gegenstand und Disziplinen
Die Gesundheitswissenschaft ist theoretisch, empirisch und anwendungsbezogen angelegt. In Anlehnung an die Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation beschäftigen sich die Gesundheitswissenschaften mit den geistigen, körperlichen, psychischen und sozialen Bedingungen von Gesundheit und Krankheit wie ihrer systemischen Verknüpfung. Insofern wird die These vertreten, daß Public Health die Mikro-, Meso- und Makroebene der Gesellschaft betreffen (vgl. Mann, 1996). Mit Blick auf die Mehrebenenbetrachtung steht nicht nur die Person im Vordergrund, sondern der Gesundheitsstatus von Personen- und Bevölkerungsgruppen beziehungsweise der Gesellschaft und entsprechende Rückwirkungen auf die Person: die Medizinische Hochschule Hannover definiert in dieser übergreifenden Sichtweise ihren Public-Health-Studiengang mit Bevölkerungsmedizin und Gesundheitswesen.
Bei der Frage nach der besten gesundheitlichen Versorgung einer Bevölkerung (vgl. Schwartz, 1998) integriert sie interdisziplinär die Epidemiologie, Medizin, Ökonomie, Psychologie, Politologie, Sozialpolitik, Soziologie und Statistik. Das Spektrum humanwissenschaftlicher Disziplinen, welche die Gesundheitswissenschaften curricular umschreiben, sind:
- Epidemiologie mit Gesundheitsberichterstattung, Umweltmedizin und Ökologie
- Gesundheitssystem/Gesundheitssystemforschung, Gesundheitspolitik und Gesundheitsökonomie mit Qualitätssicherung und Management im Gesundheitswesen
- Sozialwissenschaften mit Gesundheitssoziologie, Medizinsoziologie und Gerontologie
- Versorgungsforschung mit Philosophie, Pflegewissenschaft, Rehabilitation und Sport
Auch international haben die Gesundheitswissenschaften bzw. Public Health an Bedeutung gewonnen, wie der Weltbericht Gewalt und Gesundheit belegt. Mit Blick auf die praktische Umsetzung bekommt das Gesundheitsmanagement mehr Gewicht.
[Bearbeiten] Aktuelle Entwicklungen
[Bearbeiten] Methoden
Im Zuge der empirischen Forschung beziehen sich die Gesundheitswissenschaften auf eine breite Palette an Forschungsansätzen aus der Epidemiologie mit deskriptiver und analytischer Epidemiologie, empirischer Sozialforschung mit quantitativen und qualitativen Forschungsansätzen, deskriptiver und schließender Statistik, einschließlich uni- und multivariante Regressionsanalyse und der gesundheitsökonomischen Analysen mit der Kosten-Nutzen-Analyse, Kosten-Nutzwert-Analyse und Kosten-Effektivitäts-Analyse.
[Bearbeiten] Forschungsgebiete
Das Forschungsinteresse ist die Identifikation von Risikofaktoren (genetische, klinische, soziale), die Identifikation von gesundheitsförderlichen Faktoren (Salutogenese) und die Analyse und Evaluation von Versorgungsstrukturen (Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege). Die wichtigsten medizinsoziologischen Gesundheitsfaktoren sind Geschlecht, Alter und sozio-ökonomischer Status sowie der Zufall.
Die Untersuchungsgegenstände reichen von der Klinischen Forschung, Evidenzbasierte Medizin (EBM), Evidence-based Nursing (EBN) über Health Technology Assessment (HTA) bis zur Ökonomischen Evaluation. Weitere Themen sind:
- Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege
- Medizinische Statistik, klinische Studie, Survey, Surveillance, QALY, DALY, Vier-Felder-Tafel,
- Klassifikationssysteme, ICD-10, OPS, DRG, Disease Management
- Pflegesatz, Leitlinien, Risikostrukturausgleich,
- Health Maintenance Organization (HMO), Medical-Savings-Accounts, Krankenversicherung
- New Public Management, E-health
[Bearbeiten] Public-Health-Programme
Bekannt geworden sind Gesundheitsprogramme auf nationaler und internationaler Ebene. Angestossen wurden diese Programme durch die Weltgesundheitsorganisation, Regionalbüros der WHO und nationaler Gesundheitsbehörden. Es geht um Themen mit epidemischer Inzidenz wie AIDS, Diabetes, Depressionen, Herzinfarkt, Tuberkulose, Suizid oder das konfliktreiche Thema Rauchen. Zuständig in Deutschland ist der Öffentliche Gesundheitsdienst von der Bundesregierung über das Robert-Koch-Institut in Berlin bis zum Gesundheitsamt einer Kommune (vgl. Niehoff, Braun, 2003).
[Bearbeiten] Public-Health-Studium
Sind die Gesundheitswissenschaften zwar eine eigenständige Disziplin, so werden sie im Zuge der neuen Approbationsordnung an Medizinischen Fakultäten gelehrt. Public Health hat Verknüpfungen wie zum Öffentlichen Gesundheitsdienst, zur Medizinsoziologie, zur Sozialmedizin, zur Präventivmedizin, zum Medizinrecht, zur Gesundheitsökonomie und zum Gesundheitsmanagement (vgl. H. Waller, 2002).
Neben der Medizinischen Hochschule Hannover mit dem Studiengang Bevölkerungsmedizin und Gesundheitswesen (Public Health) gibt es Fakultäten für Gesundheitswissenschaften, z.B. in Berlin, Bielefeld, Dresden, Hamburg und München. An der Universität Bielefeld wird seit 1989 der postgraduale Studiengang Gesundheitswissenschaften angeboten mit der ersten Fakultät Deutschlands seit 1994. Akademische Grade können als (international anerkannter) Master of Public Health (Diplom-Gesundheitswissenschaftler) wie als Bachelor of Public Health erworben werden. Auch ist der Erwerb des Doktorgrades sowie die Durchführung von Habilitationen möglich. Begehrt sind die Titel zum Master of European Public Health sowie der Angewandten Gesundheitswissenschaften.
Eine Vielzahl von Fachhochschulen bieten ein grundständiges Public-Health-Studium an.
[Bearbeiten] Fazit
Angesicht epidemiologischer, ökonomischer und ökologischer Herausforderungen in der modernen Gesellschaft, sind die Gesundheitswissenenschaft bzw. Public Health eine wichtige wissenschaftliche und praktische Disziplin geworden, sowohl für Entwicklungsländer wie Zivilgesellschaften.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolfgang Eckart: Geschichte der Medizin. Springer-Lehrbuch, Berlin 1999, ISBN 3-540-51982-3
- Jochen Haisch, Rolf Weitkunat, Manfred Wildner (Hrsg.): Wörterbuch Public Health. Hans Huber, Bern 1999, ISBN 3-456-83051-3
- Bernhard Mann: Die Bedeutung der Soziologie für die moderne Public-Health-Entwicklung. In: Heine von Alemann, Annette Vogel (Hrsg.): Soziologische Beratung. Berufsverband Deutscher Soziologen. Leske+Budrich, Opladen 1996, ISBN 3-8100-1682-9
- Jens-Uwe Niehoff, Bernard Braun: Sozialmedizin und Public Health. Nomos, Baden-Baden 2003, ISBN 3-8329-0118-3
- Doris Schaeffer, Martin Moers, Rolf Rosenbrock (Hrsg.): Public Health und Pflege. edition sigma, Berlin 1994, ISBN 3-89404-134-X
- Friedrich Wilhelm Schwartz, Bernhard Badura, Rainer Leidl, Heiner Raspe, Johannes Siegrist (Hrsg.): Das Public-Health-Buch. Gesundheit und Gesundheitswesen. Urban & Schwarzenberg, München 1998, ISBN 3-541-17441-2
- Heiko Waller: Gesundheitswissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017014-7
[Bearbeiten] Weblinks
[Bearbeiten] Aktuelle Meldungen aus den Gesundheitswissenschaften
[Bearbeiten] Forschung und Lehre
- Fakultät für Gesundheitswissenschaften (Universität Bielefeld)
- Deutsche Gesellschaft für Public Health
- Berliner Zentrum für Public Health
- Interdiziplinäres Zentrum für Public Health Erlangen
[Bearbeiten] Gesundheitsberichterstattung
- Gesundheitsberichterstattung des Bundes
- Gesundheitsziele.de
- KIGGS: Studie zur Kinder und Jugendgesundheit
- Leitlinien.de
- www.dimdi.de DIMDI: Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information
- inek.customer.msim.de - G-DRG: Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (Deutschland)
- WHO Europe Health for all Database
[Bearbeiten] Public Health International
- World Health Organization
- Association of Schools of Public Health
- UK Association of Public Health Observatories
- American Public Health Association APHA
- World Federation of Public Health Associations International