Geschichte Weißrusslands
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Weißrusslands Geschichte ist geprägt von der Lage des dünn besiedelten Landes am Übergangsbereich zwischen katholisch geprägtem litauisch-polnischem Einflussbereich und orthodox geprägtem russisch-ukrainischem Einflussbereich. So kam es häufig zu Herrschaftswechseln und Besetzungen durch fremde Mächte. Phasen der Unabhängigkeit waren jeweils nur von vergleichsweise kurzer Dauer.
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[Bearbeiten] Frühes Mittelalter
Über die Frühgeschichte Weißrusslands ist nur wenig bekannt. Man vermutet aber, dass sich auf dem Gebiet des Landes der geografische Ursprung der slawischen Völker befindet. Das Gebiet Weißrusslands wurde im Frühen Mittelalter wiederholt von Wikingern durchquert. Diese gründeten im heute ukrainischen Kiew das Reich der Kiewer Rus, das auch zunehmend Einfluss über das Gebiet des heutigen Weißrusslands gewann. Um 1000 gründeten sich auf dem Gebiet Weißrusslands verschiedene selbständige Fürstentümer (Mensk, Polazk und andere), die mehr oder weniger Bestandteile der Kiewer Rus waren.
[Bearbeiten] Großfürstentum Litauen
Nach dem Einfall der Mongolen in Osteuropa und der Zerschlagung der Kiewer Rus hatten sich die weißrussischen Fürsten im 13. Jahrhundert mehr oder weniger freiwillig dem Großfürstentum Litauen angeschlossen. Die Schicksale Weißrusslands und Litauens waren nun für 600 Jahre miteinander verbunden. Beide Völker heißen in ihren Sprachen "Litauer" (lietuvis bzw. litwin). Weißrussland machte damals den Hauptteil des Staatsgebietes aus.
Mit der Zeit wurde die altweißrussische Sprache und Kultur im Großfürstentum dominant (siehe Goldenes Zeitalter (Weißrussland)), weshalb sich das Großfürstentum Litauen und später die Republik beider Nationen (Polen-Litauen) sich von nun an als rechtmäßiger Erbe der Rus (magnus dux Littwanie, Samathie et Rusie) sah und im 15. und 16. Jahrhundert zum Konkurrenten des Großfürstentums Moskau bei der Sammlung der russischen Länder wurde.
Nach dem Tod von Polens König Kasimirs III. des Großen eröffnete sich 1385/86 die Möglichkeit, Polen durch Heirat mit dem damals noch nicht christianisierten Litauen zu verbinden. Der litauische Großfürst Jogaila ließ sich taufen, verband sich in der Union von Krewo ehelich mit Polens Königin Hedwig von Anjou (Jadwiga Andegaweńska), bestieg den polnischen Thron und begründete als König Wladyslaw II. Jagiello (Władysław II Jagiełło) von Polen das Herrscherhaus der Jagiellonen. Das Großfürstentum Litauen überließ er seinem Cousin Vytautas (poln. Witold, 1401 Großfürst), der es bis zu seinem Tod 1430 regierte.
Die Personalunion von Krėva (Krevo) hatte einschneidende Folgen für die orthodoxe Bevölkerung. Zwar sollte der Status quo erhalten bleiben, doch in Folge wurden die orthodoxe Minderheit im Osten Weißrusslands und in der Ukraine schlechter gestellt als die Katholiken.
Mit der Schlacht bei Tannenberg (14. Juli 1410, weißrussisch Грунвальд/Grünwald), bei der die Truppen der Deutschen Ritterorden aus Preußen und Livland vernichtend geschlagen wurden, konnten die Grenzen nach Norden endgültig befestigt werden (die Grenze mit Ostpreußen hatte bis 1918 unverändert Bestand). Errungen wurde dieser Sieg von vereinten polnischen und litauischen Truppen, denn Polens König Wladyslaw II. Jagiello und Großfürst Vytautas (Vitaut) agierten zusammen.
In den sich an den Tod Vytautas' und Jogailas (1434) anschließenden Nachfolgekämpfen konnte der polnische Adel seinen Einfluss nach und nach vergrößern. Unter dem Eindruck der Moskauer Offensive im Livländischen Krieg (1558-1582/83), bei dem Russland und das Litauische Großfürstentum zeitweilig die Hauptwidersacher waren, mussten Litauen der Union von Lublin mit Polen zustimmen. Die Realunion von Lublin (1569) bildete auch für die Geschichte der (damals litauischen) Ukraine eine deutliche Zäsur.
Die ukrainischen Länder wurden nun direkt dem Königreich Polen unterstellt und die kulturelle und religiöse Integration des ukrainischen in den polnischen Adel beschleunigt. Es bildetet sich eine tiefe Kluft zwischen dem privilegierten katholischen Adel und der orthodox gebliebenen ukrainischen Unterschicht.
In den folgenden gut 200 Jahren verlor Litauen kontinuierlich an politischer Dominanz. Die meisten relevanten Entscheidungen fielen in Krakau und Warschau. Es war aber eines der Zentren jüdischer Kultur in Osteuropa mit eigenen Schulen, einer großen Bibliothek und zahlreichen Bibelschulen. Die berühmteste Figur ist Rabbi Eliyahu (der "Gaon" (Weise) von Wilna, 1720-1797), der sich leidenschaftlich für einen Ausgleich zwischen traditionellem Judentum und der aufkommenden Erneuerungsbewegung Haskala einsetzte.
[Bearbeiten] Russische Herrschaft
Zu Ende des 18./ Anfang des 19. Jahrhunderts kam das Gebiet nach und nach unter russische Herrschaft durch die sog. "Teilungen Polens". Es war nur noch ein russisches Gouvernement, das zentralistisch von Moskau aus regiert wurde und das starken Russifizierungsversuchen ausgesetzt wurde. Die weißrussische Sprache wurde verboten und erst 1905 legalisiert, konnte jedoch auch weiterhin nicht in den Schulen unterrichtet werden. Verboten war auch die Verwendung des lateinischen Alphabets. 1839 ließ der Zar die unierte Kirche in Weißrußland und der Ukraine abschaffen. Jene Bevölkerungsteile, die dieser Konfession angehörten, wurden gezwungen zum orthodoxen Glauben zurückzukehren.
[Bearbeiten] Erste Unabhängigkeit
Am 25. Februar 1918 rückten deutsche Truppen in Minsk ein.
Unter deutschem Schutz, aber ohne das Placet der Besatzungsmacht wurde am 25. März 1918 zum ersten Mal die Unabhängigkeit Weißrusslands proklamiert. Die "Rada", das Exekutivorgan des I. Weißrussischen Volkskongresses, deklarierte die Loslösung von Sowjetrussland und rief die "freie und unabhängige Weißrussische Volksrepublik" ("Belaruskaja Narodnaja Respublika") aus, die weder vom Deutschen Reich noch von den Westmächten anerkannt wurde. Sie existierte nur ein halbes Jahr bis Herbst 1918, gilt aber historisch und im Bewusstsein der Weißrussen als der Gründungsakt einer eigenen weißrussischen Staatlichkeit.
Im Zuge der deutschen Novemberrevolution, der Hinfälligkeit des Vertrages von Brest-Litowsk und des Bürgerkrieges im benachbarten Russland, der auch auf Weißrussland übergriff, geriet das Land unter die Kontrolle der Kommunisten, die die von der Russischen Sowjetrepublik abhängige Litauisch-Weißrussische Sowjetrepublik ausriefen ("Lit-Biel").
Von Westen her versuchte Polen unter Marschall Józef Piłsudski, weite Teile Weißrusslands unter seine Kontrolle zu bringen, um dort einen mit Polen föderierten Staat zu bilden. Er wollte an die Traditionen des Großherzogtums Litauen anknüpfen.
In dieser Phase wurde am 1. Januar 1919 die Sozialistische Räterepublik Weißrussland proklamiert, doch bereits im August desselben Jahres besetzte Polen einen großen Teil Weißrusslands und auch die Hauptstadt Minsk. Diese Besetzung dauerte bis zum 11. Juli 1920 an. Am 1. August 1920 wurde schließlich die Neugründung der Weißrussischen Sowjetrepublik proklamiert.
1920 erkannte Polen die Weißrussische Sowjetrepublik an, Weißrussland wurde auf zwei Mächte aufgeteilt, nämlich Polen und die unter der Kontrolle der russischen Kommunisten stehende Weißrussische Sozialistische Sowjetrepublik.
[Bearbeiten] Zwischen den Weltkriegen (Sowjetunion)
Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg gehörte der westliche Teil des heutigen Weißrusslands zu Polen, der östliche zur Weißrussischen SSR, die sich 1922 der Sowjetunion anschloss.
In Polen stieß die von Piłsudski und den Sozialisten propagierte Idee einer Autonomie für Weißrussland auf große Kritik, besonders bei der nationalistischen Mehrheit im Sejm. Trotzdem hatten Weißrussen ihre Vertretung im Parlament (Hramada, Bündnis der Nationalen Minderheiten), ihre Schulen und Gesellschaften, die aber im Vergleich zu Ostgalizien oder Wolhynien stärker diskriminiert wurden. In den Jahren 1929-1939 wurden ca. 300.000 Polen in Westweißrussland angesiedelt.
Auf der sowjetischen Seite genossen die Weißrussen zunächst eine ziemlich große Autonomie. Es wurde eine quasi-unabhängige Republik errichtet, die 1929 und 1932 territorial vergrößert wurde. Weißrussisch wurde zusammen mit Russisch und Polnisch als offizielle Sprache der Republik anerkannt. Die katholischen, orthodoxen und jüdischen Geistlichen waren jedoch schon unter Lenin der Verfolgung ausgesetzt: nicht nur verbot man den Religionsunterricht in den Schulen, sondern man schloss auch Kirchen und Synagogen, erlegte den Kirchen immer wieder neue Steuern auf und verschleppte Geistliche nach Sibirien. Unter Stalin wurde auch ein großer Teil der weißrussischen Intelligenzija verfolgt und ermordet (siehe: Kurapaty). Weißrussland blieb von der Hungersnot der Jahre 1932/33 ("Holodomor") verschont und nahm Flüchtlinge aus dem Süden auf. Die 1930er Jahre standen unter dem Zeichen der massiven Kollektivierung der Landwirtschaft und der Industrialisierung.
[Bearbeiten] Zweiter Weltkrieg
Am 17. September 1939 erfolgte die Besetzung Ostpolens durch die Rote Armee. Im geheimen Zusatzprotokoll des Deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes wurden die Gebiete zwischen Slucz und Bug (also ganz Weißrussland) der sowjetischen Einflusssphäre zugeschlagen. Am 22. Oktober 1939 wurden die sogenannten Wahlen zum „Volkskongress von Westweißrussland“ durchgeführt, zusammen mit einer Volksabstimmung, in der sich dem offiziellen Ergebnis zufolge 99,9 Prozent der Bevölkerung für den Verbleib bei der Sowjetunion aussprachen. Am 2. November wurde Westweißrussland offiziell an die Weißrussische SSR angeschlossen. Die WSSR umfasste jetzt nicht nur ethnisch weißrussische Gebiete, sondern auch Bialystok, Hrodna und Lida, wo Polen und Juden die Mehrheit bildeten. Kurz nach der „Aufnahme“ der Regionen Polesie, Bialystok und Wilna in die UdSSR wurden sogenannte Volksfeinde wie polnische Adelige, jüdische und polnische Unternehmer, weißrussische Intelligenzler, Kommunisten und Geistliche nach Sibirien und Kasachstan deportiert. Die Zahl der Verschleppten wird auf 400.000 bis 500.000 Menschen geschätzt, ist aber schwer zu überprüfen.
Im Sommer des Jahres 1941 eroberte die deutsche Wehrmacht das Land innerhalb weniger Wochen. Die Rote Armee evakuierte kurz vor und noch während des Einmarsches rund 20 % der weißrussischen Bevölkerung nach Russland (englische wikipedia)
Die deutsche Invasion brachte starke Zerstörungen. Obwohl man in vielen Gebieten Weißrusslands anfangs froh über die sowjetische Niederlage war, enttäuschten die Deutschen die lokale Bevölkerung schnell.
Von 1941 bis 1944 ermordeten Wehrmacht und SS rund zweieinhalb Millionen Einwohner Weißrusslands - mehr als ein Viertel der Bevölkerung. Die deutschen Soldaten führten einen Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung. Es wurden mehr als 200 Städte und 9.000 Dörfer zerstört. Vielfach trieben die deutschen Soldaten die Dorfeinwohner in Scheunen und brannten diese nieder, wie 1943 in Chatyn (nicht zu verwechseln mit Katyn). Heute ist dieser Ort nahe Minsk eine Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges. Allein in Minsk ermordete die deutsche Besatzungsmacht mehr als 100.000 Einwohner. Die jüdische Bevölkerung Weißrusslands wurde fast vollständig ermordet. Etwa acht bis neun Prozent aller umgebrachten europäischen Juden stammten aus Weißrussland. Fast alle Städte des Landes waren völlig zerstört. Die Industriebetriebe waren um 85 Prozent, die Industriekapazität um 95 Prozent, die Staatsfläche um 40 bis 50 Prozent, der Viehbestand um 80 Prozent zurückgegangen. Es gab nach Kriegsende drei Millionen Obdachlose. 25 Prozent der weißrussischen Bevölkerung waren umgekommen. Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten in Weißrussland zehn Millionen Menschen. Erst gegen Ende der 1980er Jahre hatte die Bevölkerungszahl Weißrusslands wieder den Vorkriegsstand erreicht.
Die bewaffnete Widerstandsbewegung Weißrusslands galt als eine der stärksten Europas. Es gab über 1000 Partisanengruppen (kommunistisch, nationalistisch). Im Herbst 1943 eroberte die Rote Armee den äußersten Osten des Landes wieder und im Sommer 1944 war das gesamte Land befreit, geriet damit allerdings auch wieder unter sowjetische Herrschaft.
[Bearbeiten] Nachkriegszeit (Sowjetunion)
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte der Wiederaufbau des ganzen Landes. In Weißrussland wurde Industrie angesiedelt, viele Russen kamen als Fachkräfte ins Land. Kulturpolitisch wurde die weißrussische Sprache deutlich benachteiligt, was zu einem starken Rückgang ihres Gebrauchs führte.
Stark betroffen war das Land vom Reaktorunglück am 26. April 1986 in Tschernobyl in der benachbarten Ukraine, das nur rund 10 km südlich der weißrussischen Grenze liegt. Nach der katastrophalen Kernschmelze und Explosion wurde die Warnung und die Evakuierung tausender Betroffener auf beiden Seiten der Grenze viel zu spät durchgeführt. Weißrussland war von den Folgen am schwersten betroffen, da hier 70% des Fallouts niedergingen; rund 22% des Landes waren mit Cäsium 137 verstrahlt.
[Bearbeiten] Gegenwart
Im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion erklärte sich Weißrussland 1991 unter Stanislaw Schuschkewitsch für unabhängig und trat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) bei. Gegenwärtiges Staatsoberhaupt ist Lukaschenko, der von zumeist westlichen Kritikern manchmal als "der letzte Diktator Europas" bezeichnet wurde.
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