Alfred Kerr
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Alfred Kerr (* 25. Dezember 1867 in Breslau als Alfred Kempner; † 12. Oktober 1948 in Hamburg) war ein deutscher Schriftsteller, Theaterkritiker und Journalist jüdischer Herkunft.
Kerr sah in der Kritik eine eigene Kunstform und schuf dafür einen treffenden, geistreich-ironischen und oft absichtlich saloppen Stil. Er war einer der einflussreichsten Kritiker Berlins in der Zeit vom Naturalismus bis 1933 (Tag, Neue Rundschau, Berliner Tageblatt). Kerr förderte Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann. Von einer jahrzehntelangen Freundschaft zwischen Kempner (alias Kerr) und Walther Rathenau wird im Ullsteinroman von Sten Nadolny (2003 erschienen, ISBN 3-54825956-1) erzählt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Leben
Alfred Kerrs Eltern waren der jüdische Weinhändler und Fabrikbesitzer Emanuel Kempner und Helene, geb. Calé. Er war – entgegen einiger Vermutungen aus der damaligen Zeit – nicht Neffe der bekannten Dichterin Friederike Kempner.
Nach seiner Kindheit in Breslau begann Alfred Kempner 1890 das Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik. Von 1892 bis 1900 schrieb er Theaterkritiken für die "Vossische Zeitung", die "Breslauer Zeitung" und die "Neue Rundschau". Im Jahr 1887 änderte er seinen Nachnamen und nannte sich seit dem "Kerr" und nicht mehr "Kempner".
1894 schloss er das Studium mit der Promotion in Halle ab. 1898 wurde seine Dissertation über die Jugenddichtung Clemens Brentanos unter dem Titel "Godwi. Ein Kapitel deutscher Romantik" veröffentlicht.
Von 1900 bis 1919 erschienen Veröffentlichungen von Theaterkritiken in der Zeitschrift "Tag". Am 27. Oktober 1909 erfolgte die offizielle Namensänderung in Alfred Kerr. Von 1910 bis 1912 gab Kerr gemeinsam mit dem Verleger Paul Cassirer die Kunst- und Literaturzeitschrift "Pan" heraus, deren alleiniger Herausgeber er dann von 1912 bis 1915 war. Hier veröffentlichte er zwei "unzüchtige" Gedichte Klabunds.
1911 veröffentlichte Kerr nach einer Affäre des Berliner Polizeipräsidenten mit Cassirers Gattin im "Pan" einen Privatbrief und machte aus einer zivilen eine politische Angelegenheit, wobei er erstmals mit Karl Kraus aneinander geriet.
Während des Ersten Weltkriegs schrieb Kerr unter dem Pseudonym "Gottlieb" militaristische Gedichte gegen die kriegsführenden Mächte der Entente, welche er in August Scherls Zeitung "Tag" veröffentlicht. Im Kriegsjahr 1917 erschien der Gedichtband "Die Harfe", unter dem Titel "Die Welt im Drama" wurden in fünf Bänden seine ersten gesammelten Kritiken veröffentlicht. 1918 heiratete er Ingeborg Thormählen, die allerdings noch im selben Jahr starb.
Nach dem Ersten Weltkrieg, von 1919 bis 1933, schrieb Kerr für das "Berliner Tageblatt" und für die "Frankfurter Zeitung". Im Jahr 1920 heiratete er Julia Weismann, aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Judith und Michael. 1925 solidarisierte sich Kerr, wie auch Bertolt Brecht, Max Brod, Kurt Pinthus und Alfred Wolfenstein mit Johannes R. Becher, dessen Gedichtband Roter Marsch – Der Leichnam auf dem Thron – die Bombenflieger beschlagnahmt wurde und für den Becher vorübergehend in Haft kam.
1928 stieß der inzwischen demokratisch und pazifistisch engagierte Kerr erneut mit Karl Kraus zusammen, der ihm seine Kriegsgedichte vorhielt. Obwohl beide sich vor Gericht verglichen, veröffentlichte Kraus die "Akte Kerr" wegen dessen inakzeptablen Verhaltens im Prozess in seiner Zeitschrift "Die Fackel". Eine Entgegnung Kerrs wurde angekündigt, aber nie geschrieben. Bis 1933 argumentierte Kerr in seinen Glossen für den Berliner Rundfunk gegen die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei.
Von 1923 bis 1925 erschienen Kerrs Reiseberichte. Im Jahr 1926 wurde der Gedichtband "Caprichos" veröffentlicht. 1928 berichtete Kerr in dem "Buch der Freundschaft" von seinen Kindheits- und Jugenderlebnissen.
Am 10. Mai 1933 wurden seine Werke Opfer der Bücherverbrennung der Nationalsozialisten. Am 13. Mai 1933 wurde er dann vom Vorstand des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler auf die Liste der Autoren gesetzt, deren Werke "für das deutsche Ansehen als schädigend zu erachten seien." In der ersten Liste des Börsenblatts aus öffentlichen Bibliotheken auszusondernder Literatur wurden die gesamten Schriften Kerrs genannt.
Nach der Machtergreifung floh er zunächst in die Schweiz, von dort nach Frankreich und blieb von 1935 an in London. Im Exil schrieb Kerr für die von den Exilanten neu gegründeten Zeitungen "Pariser Tageblatt" und "Pariser Tageszeitung" sowie für "Le Figaro", "Le Temps" und "Les Nouvelles Littéraires".
1938 wurde Kerr Mitgründer des Freien Deutschen Kulturbundes. Von 1939 bis 1947 war er Vorsitzender der Deutschen P.E.N.-Vereinigung in London.
Von 1945 an arbeitete Kerr für die deutschen Tageszeitungen "Die Welt" und "Die Neue Zeitung". Am 17. Mai 1947 wurde Kerr britischer Staatsbürger. Am 12. Oktober 1948 starb Alfred Kerr in Hamburg. Nach einem Schlaganfall hatte er den Freitod durch eine Überdosis Schlaftabletten gewählt. Begraben wurde er in Hamburg-Ohlsdorf.
[Bearbeiten] Familie
- Kerrs Sohn Michael wurde in England zum ersten nicht in England geborenen Richter am High Court seit über 800 Jahren.
- Kerrs Tochter Judith hat über die Erlebnisse der Familie aus Sicht eines Kindes berichtet (Als Hitler das rosa Kaninchen stahl).
[Bearbeiten] Werke
- Schauspielkunst, 1904
- Die Welt im Drama, 5 Bände, 1917
- Der Krämerspiegel, 12 Gedichte, 1921
- Die Welt im Licht, Reiseführer, 2 Bände, 1920
- Caprichos, 1926
- O Spanien! Eine Reise von Alfred Kerr. Berlin: S. Fischer Verlag 1924
- Es sei wie es wolle, Es war doch so schön! Berlin: S. Fischer Verlag 1928
- Die Allgier trieb nach Algier... Ausflug nach Afrika. Berlin: S. Fischer Verlag 1929
- Die Diktatur des Hausknecht,1934
- A.Kerr, Werke in 8 Bänden, S.Fischer Verlag, 1998 ff.
- "Berliner Briefe", Artikel in der "Breslauer Zeitung" 1895-1900
- in: "Wo liegt Berlin", Aufbau-Verlag, Berlin 1997
- "Warum fließt der Rhein nicht durch Berlin?", Aufbau-Verlag, 1999
[Bearbeiten] Preise
Mit dem Namen Alfred Kerr sind folgende Preise und Auszeichnungen verbunden:
- Alfred-Kerr-Preis für Literaturkritik, verliehen vom "Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel"
- Alfred-Kerr-Darstellerpreis für den besten jungen Schauspieler oder die beste junge Schauspielerin, verliehen von der Alfred-Kerr-Stiftung
[Bearbeiten] Stiftung
In Berlin gibt es die Alfred-Kerr-Stiftung.
[Bearbeiten] Literatur
- Hugo Fetting (Hrsg.): Alfred Kerr. Mit Schleuder und Harfe. Theaterkritiken aus drei Jahrzehnten. Berlin 1982.
- Günther Rühle (Hrsg.): Alfred Kerr: Ich sage, was zu sagen ist Band VII; Theaterkritiken 1893 – 1919; Hrsg. von ; S. Fischer, Frankfurt am Main 1998.
- Günther Rühle (Hrsg.): Alfred Kerr: So liegt der Fall Band VII, 2., S. Fischer, Frankfurt am Main 2001.
- Siegfried Jacobsohn: Der Fall Kerr, in: Ders., Gesammelte Schriften, Göttingen 2005, Bd. 2, S. 119-124.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Alfred Kerr im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Kurzbiografie (DHM)
- Kurzbiografie (exil-archiv.de)
Personendaten | |
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NAME | Kerr, Alfred |
ALTERNATIVNAMEN | Kempner, Alfred [früherer Name] |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller, Theaterkritiker und Journalist |
GEBURTSDATUM | 25. Dezember 1867 |
GEBURTSORT | Breslau |
STERBEDATUM | 12. Oktober 1948 |
STERBEORT | Hamburg |