Static Wikipedia February 2008 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu

Web Analytics
Cookie Policy Terms and Conditions Politische Entwicklung des Iran - Wikipedia

Politische Entwicklung des Iran

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel erläutert die politische Entwicklung des Iran nach der Islamischen Revolution 1979, die Entwicklung vor 1979 wird im Artikel Geschichte des Iran erläutert.
Iranische Demonstranten mit Waffen aus einer Kaserne kurz vor dem Sturz der Monarchie 1979.
Iranische Demonstranten mit Waffen aus einer Kaserne kurz vor dem Sturz der Monarchie 1979.

Die Islamische Republik Iran besteht seit dem 1. April 1979. Der Gründung vorausgegangen war der Sturz der Pahlavi-Dynastie durch die Islamische Revolution unter Führung von Ajatollah Ruhollah Chomeini. Der gestürzte Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlavi, verließ das Land am 16. Januar 1979. Zwei Wochen später landete Chomeini in Teheran und es gab keinen Zweifel, dass er die politische Entwicklung des Landes weitestgehend bestimmen würde.

Chomeini hatte, vom Schah in den Irak und von dort ins Exil nach Paris verbannt, bereits einen Verfassungsentwurf für das Land ausgearbeitet, der in Verhandlungen zwischen allen an der Revolution beteiligten Fraktionen noch modifiziert und schließlich dem iranischen Volk zur Abstimmung vorgelegt wurde. Auf diese Weise kam es, vor allem durch Einfluss der liberal-islamischen Kräfte um Mehdī Bāzargān, zur Aufnahme demokratischer Elemente in der Verfassung, die Chomeini ursprünglich nicht vorgesehen hatte. Das von ihm entwickelte Prinzip der Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten (welayat-e-faghih) blieb allerdings unangetastet.

Das Referendum am 31. März 1979, bei dem es zum welayat-e-faghih keine Alternative gab, endete, laut der später hinzugefügten Präambel der Verfassung, mit 98,2 % Stimmen für den Entwurf. Somit wurde die einstige Monarchie Iran zur Islamischen Republik, einem schiitischen Gottesstaat, geführt von der höchsten Autorität des Islams.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Staatsaufbau

Die am 1. April 1979 ausgerufene Islamische Republik Iran ist eine Theokratie. Der Staatsapparat ist in allen entscheidenden Bereichen auf den religiös autorisierten, geistigen Führer ausgerichtet. Die demokratischen Elemente des Staates können dessen Macht und Einflussnahme nicht aufwiegen.

In der Islamischen Republik Iran gilt das islamische Recht, die Schari'a.

[Bearbeiten] Der oberste Rechtsgelehrte

Hauptartikel: Oberster Rechtsgelehrter

In der schiitischen Tradition blieb die Konzeption Chomeinis bei der Überzeugung, jegliche politische Herrschaft sei bis zur Rückkehr des in der Verborgenheit lebenden 12. Imams Mahdi nicht zu legitimieren. Die Verfassung rückte aber von dem bisher in der schiitischen Geistlichkeit aus dieser Überzeugung abgeleiteten Laizismus, also der Nichteinmischung der Ayatollahs in politische Fragen, ab. Statt dessen sollte der gottesfürchtigste und unter den Gläubigen angesehenste Rechtsgelehrte nun die politische Herrschaft in Iran übernehmen um die Welt auf die Rückkehr des 12. Imams vorzubereiten. In Grundsatz 5 heißt es

„In der Islamischen Republik Iran steht während der Abwesenheit des entrückten 12. Imam - möge Gott, daß er baldigst kommt - der Führungsauftrag (Imamat) und die Führungsbefugnis (welayat-e-amr) in den Angelegenheiten der islamischen Gemeinschaft dem gerechten, gottesfürchtigen, über die Erfordernisse der Zeit informierten, tapferen, zur Führung befähigten Rechtsgelehrten zu [...]“

Verfassung der Islamischen Republik Iran, 1979

Dem obersten Rechtsgelehrten obliegt der Oberbefehl über die Streitkräfte des Iran, die Ernennung des obersten Richters, die Ernennung der Rechtsgelehrten des Wächterrates, sowie ein Vetorecht bei allen politischen und juristischen Entscheidungen.

In der Verfassung von 1979 wird Ayatollah Chomeini explizit als erster Rechtsgelehrter genannt, der die Kriterien erfüllt und folgerichtig die Herrschaft in Vertretung des 12. Imams antritt. Da Chomeini die entscheidende Führungspersönlichkeit der Islamischen Revolution verkörperte, wurde das Amt während seiner Regentschaft als Amt des Revolutionsführers bezeichnet.

Im Zuge der Verfassungsänderungen 1989 wurde der Hinweis entfernt, der oberste Rechtsgelehrte müsse von der Mehrheit der Gläubigen als geistige Autorität anerkannt werden. Statt dessen wurde mehr Gewicht auf politische Qualifikationen gelegt.

[Bearbeiten] Der Wächterrat

Hauptartikel: Wächterrat

Der Wächterrat ist die wichtigste Institution zur Einflussnahme des obersten Rechtsgelehrten. Alle Gesetze, die das Parlament beschließt, können vom Wächterrat zurückgewiesen werden. Außerdem entscheidet er bei allen Wahlen über die Zulassung oder Ablehnung der Kandidaten. Seine Kriterien bei diesen Entscheidungen sind religiöser und weltlicher Natur. Zum einen prüft der Wächterrat auf Konformität mit dem Islam, zum anderen auf Konformität mit der Verfassung. Aus diesem Grund setzt er sich aus 6 islamischen Rechtsgelehrten und 6 "weltlichen" Juristen zusammen. Durch den Wächterrat kann der oberste Rechtsgelehrte insofern Einfluss nehmen, als dass er die 6 Rechtsgelehrten selbst bestimmt. Entscheidungen des Wächterrates werden per Mehrheitsbeschluss gefasst, bei Stimmengleichheit entscheidet der oberste Rechtsgelehrte.

[Bearbeiten] Das Parlament und der Präsident

Hauptartikel: Majlis (Iran)

In demokratischen Wahlen, zu denen alle Iraner und Iranerinnen ab dem vollendeten 17. Lebensjahr zugelassen sind, wird alle vier Jahre ein neues Parlament gewählt. Aus den Mehrheitsverhältnissen bildet sich eine Regierung unter dem Präsidenten. Die Regierung bringt Gesetzesentwürfe ein, die aber erst in Kraft treten, wenn der Wächterrat zustimmt. Wesentlich gestärkt wurde das Amt der Präsidenten der Islamischen Republik Iran durch die Verfassungsänderungen von 1989. Im ursprünglichen Verfassungsentwurf waren die heutigen Kompetenzen des Staatspräsidenten auf die Ämter des Präsidenten der Republik und des Premierministers aufgeteilt.

So stand der Premierminister an der Spitze der Regierung, koordinierte die Regierungsarbeit als Leiter des Ministerrates und schlug die Minister zu Beginn ihrer Amtszeit vor. Der Staatspräsident war hingegen der Repräsentant des Staates, sein Amt das höchste nach dem obersten Rechtsgelehrten. Er leitete die Exekutive, unterzeichnete internationale Verträge und bestimmte den Premierminister.

Seit 1989 sind die Kompetenzen im Amt des Staatspräsidenten vereint, was eine Stärkung der Regierung gegenüber dem obersten Rechtsgelehrten bedeutet. Der Staatspräsident der Islamischen Republik Iran wird für eine Amtszeit von 4 Jahren gewählt und darf nur zwei Legislaturperioden in Folge regieren. Die Wahlen finden stets zwei Jahre versetzt zu den Parlamentswahlen statt.

[Bearbeiten] Die Ära Chomeini (1979–1989)

Ajatollah Ruhollah Chomeini 1978 in Frankreich.
Ajatollah Ruhollah Chomeini 1978 in Frankreich.

Der erste geistige Führer der Islamischen Republik Iran war Ajatollah Ruhollah Chomeini. Von ihm stammt der Verfassungsentwurf und das Prinzip der Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten. Bei seinem Amtsantritt 1979 war die Lage in Iran äußerst brisant. Die breite Oppositionsfront, die den Schah in der Islamischen Revolution gestürzt hatte, war äußerst heterogen und sich oft nur in dem Ziel einig, die Schahdiktatur abschaffen zu wollen. Chomeini verkörperte allerdings den Führer der wichtigsten Bewegung, der islamischen Opposition, und wurde somit zur Symbolfigur der Revolution überhaupt. Durch diese Autorität gelang es ihm, die wichtigsten Gruppen in der Anfangsphase der jungen Islamischen Republik zu integrieren.

So wurde der Führer der, im Vergleich zu Chomeinis Lager, liberaler ausgerichteten Oppositionsgruppen Mehdī Bāzargān zum ersten Ministerpräsidenten erkoren. Auch Vertreter aus dem sozialistischen Lager, z.B. Funktionäre der Tudeh-Partei, erhielten Posten im Staatsapparat und durften sich frei bewegen. Abū l-Hasan Banīsadr wurde 1980 zum ersten Präsidenten der Islamischen Republik gewählt. Die paramilitärischen Modjahedin, die auch gegen den Schah gekämpft hatten, wurden allerdings nicht in das Staatsgefüge eingebaut. Zwischen ihnen und dem Chomeiniregime entbrannte ein Kampf, der in blutigen Auseinandersetzungen mündete und 1981 zu Verhaftungs- und Hirichtungswellen führte, bei denen tausende Modjahedin ihr Leben ließen[1].

Bald nach der Verabschiedung der Verfassung begann die Verfolgung von Revolutionsgegnern. Hier rückten zunächst die verbliebenen Schahanhänger und Monarchisten in den Blickpunkt. Es dauert allerdings nicht lange bis das Feindbild der Revolution auf die USA und Israel ausgedehnt wurde. Es kam noch 1979 zum bekannten Geiseldrama von Teheran in der US-Botschaft, bei der 52 amerikanische Staatsbürger insgesamt 444 Tage festgehalten wurden. Dieser Vorfall und die umgehend nach der Revolution veranlasste Verstaatlichung der iranischen Ölproduktion brachte die amerikanisch-iranischen Beziehungen zum Erliegen und führten zu einem feindlichen Verhältnis zwischen den beiden Staaten.

Auf Chomeinis Agenda standen vor allem zwei Punkte: Erstens die Konsolidierung der Republik und zweitens der Export der Revolution.

Die Machtsicherung und Stabilisierung des Systems war in den ersten Jahren der Revolution von besonderer Wichtigkeit. Chomeini veranlasste eine umfassende Islamisierung (auch als Kulturrevolution bezeichnet) der iranischen Gesellschaft. Er führte eine strenge Kleiderordnung für Frauen ein, verbot nicht-islamische Zeitungen und Parteien und machte unmissverständlich deutlich, dass jeder Verstoß gegen eine vom Revolutionsregime verhängte Regel, als Angriff auf die Revolution gewertet und dementsprechend hart bestraft würde.

Auch die integrative Haltung zu den an der Revolution beteiligten Gruppierungen wurde aufgekündigt. Mehdī Bāzargān und alle anderen Vertreter einer nicht-islamistischen Politik, die eben noch Staatsämter inne hatten, sahen sich plötzlich von der Chomeini-Miliz, den sogenannten Revolutionswächtern (in vielen Quellen auch Revolutionsgarde genannt) verfolgt. Hierbei kam es zu blutigen und brutalen Szenen. Das Chomeini-Regime ging 1980 bis 1982 mit schonungsloser Härte gegen jeden vor, der in ihren Augen eine Gefahr für die Islamische Republik darstellte. Es kam zu öffentlichen Massenhinrichtungen und regelrechten Verhaftungsorgien durch die Revolutionsgarde. Allein 1982 wurden zwischen 5.000 und 10.000 Menschen hingerichtet. In den Gefängnissen befinden sich bis zu 40.000 politische Gefangene, für die meisten bedeutet eine Inhaftierung Hunger, Folter und Krankheit[2]. Die Brutalität des Vorgehens trug sicherlich nicht unerheblich dazu bei, dass sich die Opposition innerhalb des Landes bald auf ein fast irrelevantes Maß verringert hatte.

Friedhof iranischer Gefallener des Iran-Irak-Kriegs in Yazd
Friedhof iranischer Gefallener des Iran-Irak-Kriegs in Yazd
Gedenkstätte für Kriegsopfer in Qazvin
Gedenkstätte für Kriegsopfer in Qazvin

Die Erlangung der Stabilität des Systems ist darüber hinaus aber auf einen weiteren Faktor zurückzuführen. Am 22. September 1980 griff der Irak unter der Führung Saddam Husseins die Islamische Republik Iran an und begann damit den ersten Golfkrieg. Aus irakischer Sicht hoffte man die Instabilität der iranischen Verhältnisse 18 Monate nach der Revolution ausnützen zu können. Aber die Rechnung ging nicht auf. Statt dessen entwickelte sich ein achtjähriger, zermürbender Krieg, der insgesamt eine Million Opfer forderte (mindestens 300.000 Iraner, darunter 50.000 bis 100.000 Kinder und Jugendliche[3]).

Im Verlauf des Krieges wurde die iranische Aufmerksamkeit auf die äußere Bedrohung gebündelt, so dass konterrevolutionäre Strömungen noch weniger Aussicht auf Erfolg hatten den Feind im eigenen Land massenwirksam ins Bewusstsein zu rücken. Und auch das Militär stand angesichts der irakischen Aggressors geschlossen hinter Chomeini. 1981 wurde Mohammad Alī Radschāʾī neuer Staatspräsident, fiel allerdings einem Attentat zum Opfer und wurde noch im selben Jahr von Seyyed Ali Chamenei ersetzt, der das Amt bis Chomeinis Tod inne hatte, um dann das Erbe des obersten Rechtsgelehrten anzutreten. Innerstaatlich zeichnete sich immer deutlicher Konfliktlinien zwischen den Chomeinitreuen Parlamentariern ab. Grob eingeordnet stritten die Linksislamisten mit der Forderung nach einer stärkeren Regulierung des Marktes durch den Staat mit den konservativen Islamisten, die dieses Modell ablehnten. Chomeini war hier mehr als einmal Schlichter ohne aber jemals endgültig Partei zu ergreifen. Der Wächterrat als Gegenspieler des Parlaments trug das seinige zu äußerst lebendigen Auseinandersetzungen im iranischen Staatsapparat bei. 1988 errichtete Chomeini auf die immerwährenden Konflikte zwischen Parlament und Wächterrat den Schlichtungsrat, der ähnlich dem deutschen Vermittlungsausschuss die Streitigkeiten über Kompromissfindung beilegen sollte.

Der Krieg indes entwickelte sich für Chomeini, der bis 1983 alle nennenswerten innerstaatlichen Oppositionsgruppen hatte auflösen und ihre Mitglieder hinrichten lassen, bald zu einem Krieg um seine zweite politische Maxime, den Export der Revolution. Die Chancen standen nicht schlecht, im überwiegend schiitischen Irak nach einem Sieg über Saddam Hussein einen Gottesstaat nach iranischem Vorbild zu errichten. Ein erster Schritt in Richtung Chomeinis erklärtem Ziel, sein Staatsmodell in alle islamischen Länder zu tragen, notfalls auch mit militärischer Gewalt.

Chomeini-Bild an einer Hauswand im Iran
Chomeini-Bild an einer Hauswand im Iran

1987 begann sich eine Abkehr Chomeinis von diesem Ziel abzuzeichnen. Er sprach sich das Recht zu, jenseits religiöser Vorschriften zu stehen und nun die absolute Herrschaft des obersten Rechtsgelehrten anzutreten. Mit der Annahme des UN Waffenstillstandsabkommen 1988 war das Eingeständnis gegeben, die Revolution nicht in den Irak tragen zu können. Das Unternehmen, für das hunderttausende Iraner ihr Leben gelassen hatten, war gescheitert. Es gab allerdings gute Gründe für Chomeini, den Krieg zu beenden. Die leeren Staatskassen ließen einen Systemkollaps befürchten, die Verluste in der Bevölkerung waren enorm und die Wirtschaft war nach 8 Kriegsjahren fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Dennoch war Chomeinis Ansehen in der iranischen Bevölkerung ungebrochen. Nach wie vor wurde er als Heiliger verehrt und nach wie vor konnte er seine Macht auch auf seine charismatische Ausstrahlung stützen.

Der Gesundheitszustand Chomeinis hatte sich bis 1988 allerdings erheblich verschlechtert und man begann sich Gedanken über die Regelung der Nachfolge zu machen. Aussichtsreichster Anwärter war Ayatollah Hussein Ali Montazeri, der einzige Groß-Ayatollah, der Chomeinis welayat-e-faghih akzeptierte. Die anderen geistigen Autoritäten des schiitischen Islams blieben bei ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Einmischung in die Politik. Montazeri, der stillschweigend schon als sicherer Nachfolger Chomeinis angesehen wurde, fiel bei Chomeini durch allzu kritische Äußerungen in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Regimes (1986 gab es zunächst geheime, dann aber öffentlich bekannt gewordene Handelsbeziehungen zum Erzfeind USA in der sogenannten Iran-Contra-Affäre) in Ungnade. Nachdem er Chomeini und dessen Staatsführung gezielt kritisierte, kam es 1989 zum endgültigen Bruch. "Die radikalen Fundamentalisten", so Montaseri, "sind daran schuld, dass wir im Ausland so einen schlechten Ruf haben. Wir brauchen eine Vielfalt an Meinungen und nicht nur eine einzige Meinung, die von einer einzigen politischen Linie monopolisiert wird."[4]

Das Problem, welches sich daraufhin ergab, war einfach zu beschreiben aber leidlich zu lösen. Es gab niemanden auf den die in der Verfassung festgeschriebenen Kriterien für den obersten Rechtsgelehrten zutrafen und der gleichzeitig auch bereit war die politische Herrschaft über die Islamische Republik Iran zu übernehmen. Diese Tatsache in Verbindung mit Chomeinis schlechtem Gesundheitszustand führten zur Verfassungsrevision am 28. Juli 1989. Das Amt des obersten Rechtsgelehrten musste fortan nicht mehr von einem Ayatollah besetzt werden, statt dessen wurde festgeschrieben, dass politische und soziale Fähigkeiten den entscheidenden Ausschlag geben sollen.

Am 3. Juni starb Chomeini. Als sein Nachfolger wurde Seyyed Alī Chāmene'ī bestimmt.

[Bearbeiten] Die Ära Chamenei (Seit 1989)

Anti-USA Parolen auf einer Teheraner Hauswand, 2004.
Anti-USA Parolen auf einer Teheraner Hauswand, 2004.
Öffentliche Hinrichtung in Iran.
Öffentliche Hinrichtung in Iran.

Zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes als oberster Rechtsgelehrter und geistiger Führer der Islamischen Republik Iran bekleidete Seyyed Ali Chamenei in der Hierarchie des schiitischen Klerus nur den Rang eines Hodschatoleslam. Er wurde zwar im Zuge der Amtsübernahme formal zum Ayatollah "aufgewertet", erlangte allerdings nie die notwendigen Reputationen innerhalb der Schia-Geistlichkeit, die diesen Rang gerechtfertigt hätten. Damit hatte Chamenei vom Beginn seiner Amtszeit an einen ungleich schwereren Stand als Chomeini. Ihm fehlte der Rückhalt in der gläubigen Bevölkerung, die Chomeini noch sicher hinter sich wusste, ihm fehlte die geistige Autorität[5].

Zwei weitere Faktoren führten zu der Tatsache, dass Chamenei bis heute den Status Chomeinis nicht erreichen konnte: Zum einen war im Zuge der Verfassungsänderung das Amt des Premierministers abgeschafft und alle seine Befugnisse und Aufgaben auf den Staatspräsidenten übergegangen. Dieses Amt hatte dadurch erheblich an Macht gewonnen, denn es war nun staatsrepräsentativ nach außen und gleichzeitig Inhaber der Exekutivmacht nach innen. Es war abzusehen, dass der Erfolg der Politik der Iranischen Republik Iran in Zukunft von der Kooperation von Staatspräsidenten und obersten Rechtsgelehrten abhängen würde. Zum anderen war Chamenei kein Charismatiker wie Chomeini[6] [7]. Er konnte die Massen nur schwerlich durch seine bloße Anwesenheit begeistern.

Trotz der relativ schlechten Bedingungen übernahm Chamenei ein mächtiges Amt mit umfangreichen bis totalitären Kompetenzen. Sein Regime hatte zwar an Ansehen und Vertrauen eingebüßt, gerade weil die entscheidende Legitimation, nämlich die Vertretungsfunktion der größten weltlich-religiöse Kapazität für den 12. Imam durch die Abschwächung der klerikalen Voraussetzungen für das Amt nicht mehr gegeben war. Eine Bewegung, die Chamenei hätte gefährlich werden können, war aber nicht in Sicht.

Der verstärkte Einfluss des Staatspräsidenten blieb aber teils wegen der Verfassung, teils wegen Chameneis Schwächen immanent.

[Bearbeiten] Regierung Rafsandschānī (1989–1997)

Im Juli 1989 wurde Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī ins Amt des iranischen Staatspräsidenten gewählt. Während der Anfangsphase seiner Amtszeit lag das Land in weiten Teilen in Schutt und Asche. Der Krieg hatte der Infrastruktur und der Ökonomie stark geschadet. Nach dem Ende des Krieges war trotz Chomeinis Tod eine allgemeine Hoffnung auf Besserung der Lage zu spüren.

Rafsandschānī galt schon 1989 als gewiefter und einflussreicher Mann. Seit der Revolution 1979 war er ständig in mächtigen Positionen und gehörte zur Clique um Chomeini. Er hatte wohl erheblichen Einfluss auf die Verfassungsänderung und den Machtzuwachs des Staatspräsidentenamtes, den er zur Voraussetzung für seine Kandidatur machte [8]. In der neuen Rolle des Regierungschefs war Rafsandschānī entschlossen, die Wirtschaft anzukurbeln, durch eine Liberalisierung des Marktes Fortschritte in Richtung Wohlstand machen zu können.

Eine Frau, bescheiden gekleidet, ist wie eine Perle in ihrer Muschel. - Eine strenge Kleiderordnung für Frauen, besteht seit der Revolution. Wandgemälde, fotografiert 2005.
Eine Frau, bescheiden gekleidet, ist wie eine Perle in ihrer Muschel. - Eine strenge Kleiderordnung für Frauen, besteht seit der Revolution. Wandgemälde, fotografiert 2005.

Im Zweiergespann an der Spitze des iranischen Staates war Rafsandschānī neben Chamenei klar der präsentere. Der Staatspräsident verstand es, seine Wirtschaftspolitik durchzusetzen und gleichzeitig einen neuen außenpolitischen Kurs einzuschlagen. So ist seine Amtszeit durch viele Versuche der vorsichtigen Annäherung an den Westen gekennzeichnet. Es gab nach wie vor Anti-USA und Anti-Israel Demonstrationen und Kundgebungen, aber Rafsandschānī entschärfte den Ton gegenüber Europa und sprach nicht mehr von einem Export der Revolution.

Die diesbezüglichen Bemühungen Rafsandschānīs wurden allerdings durch mehrere Attentate von Angehörigen des iranischen Geheimdienstes an Oppositionellen im ausländischen Exil untergraben. Der wichtigste Vorfall dieser Art, der nach Aufklärung die deutsch-iranischen Beziehungen zum erliegen brachte, war das sogenannte Mykonos-Attentat 1992 in Berlin bei dem drei hochrangige Exiliraner ums Leben kamen.

Doch auch innerhalb Irans stand der Präsident vor Problemen. Den größten Widerstand gegen Rafsandschānīs Marktliberalisierung leistete die linksislamistische Fraktion im Parlament, die einen Staatsdirigismus für die geeignetere Antwort auf die wirtschaftliche Lage in der Nachkriegszeit hielt. Die Linksislamisten hatten schon zu Chomeinis Zeiten oft Anspruch auf Gestaltung der Wirtschaftspolitik erhoben, eine Eskalation konnte aber durch Chomeinis Vermittlungskünste stets verhindert werden. Diese Fraktion war auch Chamenei ein Dorn im Auge, ein Grund mehr weshalb er Rafsandschānī zunächst gewähren ließ. Dieser schaffte es bis 1990 alle Linksislamisten aus den Regierungskreisen und wichtigen Staatsämtern zu entfernen[9].

Obwohl Rafsandschānī seine Pläne durchsetzten konnte, schaffte er es nicht die Wirtschaft nachhaltig zu beleben. Statt dessen hatte er sich mit der Aufnahme von Auslandskrediten zu Investitionszwecken und dem Massenimport von Konsumgütern deutlich übernommen. 1993 war die Islamische Republik Iran praktisch zahlungsunfähig. Rafsandschānī hatte binnen vier Jahren ca. 25 Milliarden US-Dollar Staatsschulden angehäuft. Hinzu kam eine seit 1992 überproportional steigende Inflationsrate[10]. Es kam zu Unruhen und Protesten in der Bevölkerung.

1993 wurde Rafsandschānī dennoch wiedergewählt, es zeichnete sich allerdings ab, dass er in seiner zweiten Legislaturperiode mit wesentlich mehr Widerstand und Einmischung durch den obersten Rechtsgelehrten zu rechnen hatte. Tatsächlich drängte Chamenei mehr und mehr in den politischen Vordergrund. Er gab Rafsandschānī öffentlich die Schuld an der katastrophalen Lage des Landes und machte in wesentlich größerem Maße von seiner Macht Gebrauch als noch zu Beginn der ersten Amtszeit Rafsandschānīs. So installierte er nach und nach über den Kopf des Staatspräsidenten hinweg seine Gefolgsleute in wichtigen Ämtern, verhinderte Gesetze und drängte Rafsandschānī in den letzten Jahren seiner Amtszeit an den Rand der Bedeutungslosigkeit.

1995 verschärfte sich die wirtschaftliche Situation erneut, als US-Präsident Bill Clinton im sogenannten Iran-Lybia Sanctions-Act (ILSA) einen völligen Handels- und Investitionsboykott gegen die Islamische Republik Iran durchsetzte, der bis heute andauert.

In der iranischen Gesellschaft entstand Mitte der 90er Jahre große Unzufriedenheit über die Misserfolge der Regierung, die Machtspielchen zwischen geistigem Führer und Präsidenten und der internationalen Isolation des Landes. Stimmen, die eine Reform des unflexiblen und aufgrund der Vetomöglichkeiten für Wächterrat und obersten Rechtsgelehrten oft handlungsunfähigen Systems forderten, wurden lauter.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1997 durfte Rafsandschānī nicht erneut kandidieren. Der Weg war frei für politische Veränderung.

[Bearbeiten] Regierung Chātamī (1997–2005)

Mohammad Chātamī.
Mohammad Chātamī.

Von 238 Bewerbern auf eine Kandidatur zum Staatspräsidenten ließ der Wächterrat 1997 lediglich vier zu [11][12]. Alle anderen wurden unter Hinweis auf Unverträglichkeit mit islamischen Prinzipien abgelehnt. Die Wahl gewann, für viele überraschend, Mohammad Chātamī. Dieser war bereits unter Rafsandschānī Kulturminister, trat aber 1992 aus Protest über die zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit zurück. Seit dem war er nicht mehr politisch aktiv. Zu seiner Kandidatur musste er überredet werden. Da er zum Lager der gemäßigten Linksislamisten gezählt wird, war sein Wahlerfolg nach dem erbitterten Kampf der Vorgängerregierung gegen diese Fraktion umso erstaunlicher.

Trotz seiner politischen Vorgeschichte hatte der Wächterrat ihn zugelassen und Chātamī ließ bereits im Wahlkampf anklingen, was sein dringenstes Anliegen war: Reformen. Der Staatsapparat, die Menschenrechte, die Unterdrückung der Frauen, die Zensur, die außenpolitische Isolation - all dem widmete er kritisch seine Aufmerksamkeit. Er traf mit diesen Themen den Nerv der jungen iranischen Bevölkerung, die zu großen Teilen enttäuscht von ihrem Staat war. Chātamī erhielt 70 % der Stimmen und feierte damit einen überwältigenden Erfolg.

Vor allem in den westlichen Demokratien hoffte man durch den Einfluss Chātamīs auf eine Reform des iranischen Staates von Innen und beschwor die Selbstheilungskräfte der erstarkenden iranischen Zivilgesellschaft und einen Demokratisierungsprozess [13]. Zu Beginn der Regierungszeit Chātamīs sahen seine Erfolge aus westlicher Sicht tatsächlich vielversprechend aus. Er hatte eine Liberalisierung der Presselandschaft durchsetzten und so den kritischen Stimmen im Land zu mehr Gehör verhelfen können. In Iran etablierte sich ein kritischer Diskurs über die Errungenschaften der Islamischen Revolution auf der einen und Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat auf der anderen Seite. Als die konservativen Kräfte erkannten, dass Chātamī sich tatsächlich zu einer Integrationsfigur für politische und gesellschaftliche Veränderungen entwickeln könnte und dass Lob aus westlichen Staaten nicht von ungefähr kam, leiteten sie Gegenmaßnahmen ein.

Der Geheimdienst VEVAK verübte 1998 eine Reihe von Attentaten und Entführungen an Oppositionellen und Intellektuellen. Diese als Kettenmorde bezeichneten Angriffe auf die Stabilität der jungen Regierung waren die heftigsten Gewaltausbrüche seit den Hinrichtungswellen unter Chomeini. Chātamī verurteilte die Morde scharf, ließ sich aber nicht von seinem Reformkurs abbringen. Er hatte nicht nur die religiösen Hardliner gegen sich, sondern auch das Parlament. Dort verfügten die Konservativen über die Mehrheit, verhinderten die Reformgesetze Chātamīs und brachten teilweise sogar Gesetze auf den Weg, die aus reformerischer Sich als Rückschritt bewertet werden müssen.

Mit den Parlamentswahlen 2000 schien sich das Blatt zu Gunsten Chātamīs zu wenden. Die Reformer waren nun auch die stärkste Fraktion im Parlament. Chātamī, auf dessen politischer Agenda zum ersten und bislang einzigen Mal in der Geschichte des Iran nach 1979, die Frauenrechte eine wichtige Rolle spielten, wollte nun u.a. die rigorose Trennung der Geschlechter in der iranischen Gesellschaft auflockern[14]. Doch die Mehrheit im Parlament stellte sich als wertlos heraus, als der Wächterrat in den politischen Gestaltungsprozess Chātamīs eingriff.

Mohammad Chātamī im Dezember 2003
Mohammad Chātamī im Dezember 2003

Die Bilanz war für alle Anhänger der Reformbewegung ernüchternd. Der Wächterrat blockierte fortan nicht nur nahezu alle Gesetze der Regierung Chātamī, er machte auch eine Vielzahl bereits verabschiedeter und in Kraft getretener Gesetze rückgängig. Allzu kritische Zeitungen wurden geschlossen, Journalisten verhaftet und der Ton und Umgang mit Regimekritikern generell verschärft. Der politische Stil der Reformer wurde von konservativer Seite als Säkularismus bezeichnet und bekämpft. Chātamī stellte resigniert fest, er habe nicht mehr Macht als jeder andere Iraner und drückte damit die sich ausbreitende Stimmung in Iran aus. Es verbreitete sich Resignation und Desinteresse als klar wurde, dass der geistige Führer Chamenei letztendlich die Geschicke des Staates lenken konnte.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2001 konnte Chātamī trotz der sich abzeichnenden Machtlosigkeit 77 % der Stimmen holen. An den Machtverhältnissen änderte sich nichts mehr. Chamenei blieb der starke Mann im Hintergrund, der dafür Sorge tragen ließ, dass es zu keinem ernsthaften Versuch kommen konnte, das politische System mit seinen theokratischen und demokratischen Institutionen nachhaltig zu verändern. Aus diesem Grund wird der Reformbewegung um Chātamī oft nur eine Reform des Diskurses bescheinigt, die die institutionelle Ordnung des Landes unberührt ließ [15]. Die Resignation führte zu immer geringeren Wahlbeteiligungen. So gingen bei den Kommunalwahlen 2003 nur noch 36 % der Wahlberechtigten an die Urnen. Auch bei den Parlamentswahlen ein Jahr später wurde mit 50,7 % ein neuer Tiefstand erreicht. Im Vorfeld der Wahlen waren 2.500 (hauptsächlich reformorientierte) der 8.000 Bewerber durch den Wächterrat von der Wahl ausgeschlossen worden. Die Konservativen fuhren einen grandiosen Wahlsieg ein[16] [17]. Ein Indiz dafür, dass vor allem die Anhänger der Reformbewegung auf eine Stimmabgabe verzichtet haben[18].

Die zweite Amtszeit Chātamīs endete 2005. Gemäß der iranischen Verfassung durfte er nicht erneut kandidieren. Seine achtjährige Amtszeit hatte große Erfolge in der Außenpolitik. Chātamī war international angesehen und schaffte es die Beziehungen zu vielen Staaten, sowie zur EU zu entspannen [19]. Außenminister war die gesamten 8 Jahre Kamal Charrazi. Dennoch musste er sich in der Innenpolitik dem Machtübergewicht des geistigen Führers Chamenei beugen.

[Bearbeiten] Regierung Ahmadinedschad (seit 2005)

Präsidentschaftswahlkampf 2005.
Präsidentschaftswahlkampf 2005.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2005 trat als aussichtsreichster Kandidat erneut Rafsandschānī an. Es kam zum buntesten Wahlkampf in der Geschichte des Iran. Rafsandschānī war bemüht von sich das Bild eines weltoffenen und reformorientierten Präsidenten zu vermitteln, was ihm neben seinem Image als Pragmatiker und Mann der Tat auch die meisten Stimmen bescherte. Doch mit 21 % verfehlte er die erforderliche absolute Mehrheit deutlich.

Es kam zu einem Novum in der Geschichte des Iran. Eine Stichwahl zwischen den beiden erfolgreichsten Kandidaten musste die Entscheidung bringen. Die zweitmeisten Stimmen vereinigte der zur Zeit der Wahl amtierende Bürgermeister Teherans Mahmud Ahmadinedschad auf sich. Er war eine politisch eher unbekannte Figur, war aber bereits des öfteren durch radikale Äußerungen gegen Israel und die Feinde des Islams aufgefallen. Sein Wahlkampf war unscheinbar, er holte seine Stimmen vorwiegend in den Armenvierteln Teherans, deren Bewohnern er Besserung der Lebensverhältnisse, Arbeit und Zukunft versprach.

Mahmud Ahmadinedschad.
Mahmud Ahmadinedschad.

Die noch wenige Jahre zuvor in vielen westlichen Zeitungen hochgelobte iranische Zivilgesellschaft konnte zur Stichwahl zum Präsidentenamt nicht ausreichend mobilisiert werden, um den (aus westlicher Sicht) politischen Rückschritt zu verhindern. Mahmud Ahmadinedschad gewann die Stichwahl deutlich mit knapp 62 % der Stimmen. Mit ihm zogen die sogenannten Fundamentalisten Hardliner oder Radikalislamisten in die Teheraner Regierung ein. Die meisten Mitglieder seines Kabinetts sind ehemalige Mitglieder der Revolutionsgarde. Sie zerstörten in wenigen Monaten die außenpolitischen Fortschritte Chātamīs mit Drohungen gegen Israel und feindlichen Parolen gegen die USA und Europa und trieben den Iran erneut in die außenpolitische Isolation. Außenminister unter Ahmadinedschad ist Manutschehr Mottaki.

Innenpolitisch schlug Ahmadinedschad von Anfang an Töne an, die stark an Chomeini erinnerten. Islamisierung der Gesellschaft, Kleiderordnung für Frauen usw. Letztendlich fordert er eine Rückkehr zu den Werten der Islamischen Revolution, deren kritische Betrachtung sein Vorgänger gefördert hatte.

Im Zuge der Regentschaft Ahmadinedschads hat sich der Streit um das iranische Atomprogramm verschärft und drohte mehrmals zu eskalieren. Nach Informationen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) unterhält Iran mehrere Atomanlagen, die bei der Unterzeichnung des Atomwaffensperrvertrages seitens Iran nicht angegeben wurden. Seither wird der Islamischen Republik Iran von einer breiten internationalen Front unterstellt, Atombomben herstellen zu wollen. Von offizieller Seite weist Iran immer wieder auf das im Atomwaffensperrvertrag festgeschriebene Recht der zivilen Nutzung von Kernenergie hin. Ahmadinedschad hat mit seiner Äußerung Israel von der Landkarte tilgen zu wollen, die Sorgen genährt, Iran könne bald über die Möglichkeit eines Nuklearschlages verfügen.

Karte mit den wichtigsten Standorten der iranischen Atompolitik.
Karte mit den wichtigsten Standorten der iranischen Atompolitik.

Am 15. Dezember 2006 fanden mit den Kommunalwahlen und den Wahlen zum Expertenrat die ersten Wahlen nach dem Amtsantritt Ahmadinedschads statt. Überraschend wurde mit einem Landesdurchschnitt von 65 % eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung erreicht, die den Trend der letzten Jahre beendete. Das Ergebnis war im gesamten Iran einheitlich: eine herbe Niederlage für die Radikalislamisten um den Präsidenten Ahmadinedschad. Und das trotz der auch diesmal wieder erheblichen Kandidatenselektion durch den Wächterrat.

Nicht nur in den Stadt- und Gemeinderäten schnitten die Kandidaten aus dem Präsidentenlager deutlich schlechter ab als die Konservativen und vielerorts auch als die Reformer. Im fünfzehnköpfigen Teheraner Stadtrat befinden sich auf Platz 8 und 15 die einzigen Vertreter der Radikalen. In anderen Städten war deren Ergebnis noch schlechter, selbst in der Hochburg Qom, konnten sie nur 30 % der Stimmen erringen. Auch die Wahl des Expertenrates, der den geistigen Führer Irans einsetzt und theoretisch auch wieder absetzten kann, nahm ein enttäuschendes Ende für Ahmadinedschads Kandidaten, seinen "geistigen Ziehvater" Mohammad Taghi Mesbah Yazdi. Dieser konnte sich nach erbittert geführten Wahlkampf nicht nur nicht gegen Rafsandschānī durchsetzen, der überraschend die meisten Stimmen erhielt, sondern landete sogar nur auf Platz 6[20].

Der deutliche Wahlausgang und die hohe Wahlbeteiligung werden weltweit einvernehmlich als "Denkzettel" für Ahmadinedschad und Aufbegehren der iranischen Gesellschaft interpretiert[21] [22]. So wird, vornehmlich in westlichen Zeitungen, die Hoffnung genährt, die Menschen im Iran werden sich des "Problems" Ahmadinedschad vermittels der republikanischen und demokratischen Elemente ihrer Verfassung letztendlich selbst entledigen. Dass Chamenei eine solche Entwicklung behindern würde, ist eher unwahrscheinlich. Ahmadinedschads Vorstöße scheinen auch dem geistigen Führer etwas zu radikal zu sein[23].

[Bearbeiten] Chronik

Chronik 1979 - 1989
1979
1978 - 1979 Islamische Revolution.
31. März Referendum über die Verfassung.
1. April Ausrufung der Islamische Republik Iran. Mehdī Bāzargān wird erster Ministerpräsident. Ruhollah Chomeini wird oberster Rechtsgelehrter.
5. Mai Gründung der Iranische Revolutionsgarde.
4. November Beginn der Geiselnahme von Teheran.
1980
25. Januar Abū l-Hasan Banīsadr wird zum ersten Staatspräsidenten gewählt.
30. April Geiselnahme in der Iranischen Botschaft in London durch Iraker.
11. August Mohammad Alī Radschāʾī wird neuer Ministerpräsident.
22. September Der Irak beginnt den ersten Golfkrieg.
1981
24. Juli Mohammad Alī Radschāʾī wird Staatspräsident. Neuer Ministerpräsident wird Mohammed Javad Bahonar.
30. August Bei einem Attentat werden sowohl Radschāʾī als auch Bahonar getötet.
2. September Mohammed Reza Mahdavi-Kani wird neuer Ministerpräsident.
2. Oktober Seyyed Alī Chāmene'ī wird neuer Staatspräsident. Mir Hossein Moussavi wird neuer Ministerpräsident.
1983
1983 Der Irak setzt Tabun und Senfgas ein.
8. November Iran klagt vor dem UN-Sicherheitsrat gegen den Einsatz von Chemiewaffen.
1986
Oktober Die Iran-Contra-Affäre wird aufgedeckt.
1988
Februar Chomeini gründet den Schlichtungsrat als Reaktion auf den Streit zwischen Parlament und Wächterrat.
18. Juli Chomeini unterzeichnet das Waffenstillstandsabkommen. Der Krieg mit dem Irak ist beendet.
1989
14. Februar Chomeini erklärt den indisch-britischen Autor Salman Rushdie für vogelfrei.
20. März Ayatollah Hussein Ali Montazeri verwirft sich mit Chomeini und wird als dessen Nachfolger abgesetzt.
3. Juni Chomeini stirbt. Der bisherige Staatspräsident Seyyed Alī Chāmene'ī wird sein Nachfolger.
28. Juli Verfassungsrevision. Das Amt des Staatspräsidenten wird gestärkt, das des Ministerpräsidenten abgeschafft und die Voraussetzungen für das Amt des geistigen Führers verringert.
Chronik 1989 - 2007
1989
28. Juli Präsidentschaftswahlen 89. Alī Akbar Hāschemī Rafsandschānī wird neuer Staatspräsident.
1992
10. April Parlamentswahlen 92.
17. September Mykonos-Attentat in Berlin.
1993
11. Juni Präsidentschaftswahlen 93. Rafsandschānī wird im Amt bestätigt.
1995
20. April Bill Clinton kündigt einen völligen Handels- und Investitionsboykott gegen Iran an.
1997
22. Mai Präsidentschaftswahlen 97. Der Reformer Mohammad Chātamī wird neuer Staatspräsident.
1998
November Attentate auf Oppositionelle und Intellektuelle beginnen (Kettenmorde).
2000
18. Februar Die Parlamentswahlen 2000 gewinnen die Reformer.
2001
8. Juni Bei den Präsidentschaftswahlen 2001 wird Chātamī mit großer Mehrheit wiedergewählt.
2003
10. Oktober Schirin Ebadi erhält den Friedensnobelpreis.
2004
7. Mai Bei den Parlamentswahlen 2004 fahren die konservativen Kräfte einen klaren Sieg ein.
2005
17. Juni Bei den Präsidentschaftswahlen 2005 gibt es keinen Sieger. Rafsandschānī und Mahmud Ahmadinedschad müssen in die erste Stichwahl der iranischen Geschichte.
24. Juni Die Stichwahl gewinnt Ahmadinedschad und wird neuer Präsident des Iran.
26. Oktober Ahmadinedschad hält eine Rede, in der er die Tilgung Israels von der Landkarte fordert.
2006
Januar Die von der IAEO versiegelten Atomanlagen werden wieder in Betrieb genommen und der Atomstreit eskaliert.
15. Dezember Die Kommunalwahlen bringen für das Lager Ahmadinedschads eine herbe Niederlage ein.

[Bearbeiten] Quellen

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. Bahman Nirumand: Die mit den schwarzen Mappen
  2. Amir Taheri: Chomeini und die Islamische Revolution, Hamburg 1985, S. 390
  3. "Ich fürchte, wir kommen in die Hölle"; In: Der Spiegel, Nr.9 1989, S. 160 - 168, S. 160
  4. Ebd. S. 165
  5. Helene Mutschler: Stiller Wandel oder Stillstand?
  6. www.stern.de vom 18. Juni 2003: Ein Kleriker ohne Charisma
  7. Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran, S. 13
  8. Katajun Amirpur/Reinhard Witzke: Schauplatz Iran, Freiburg im Breisgau 2004, S. 103f
  9. Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran, S. 12
  10. Ebd. S. 13
  11. Christopher Lockwood: Calls for reform grow louder as Iran goes to polls; Electronic Telegraph Nr. 729, 24. Mai 1997. (englisch)
  12. Michael Rubin: Iran’s Myth of Moderation; 18. März 2002. (englisch)
  13. Johannes Reissner: Stabilitätsanalyse Iran PDF; In: Sigrid Faath (Hrsg.): Stabilitätsprobleme zentraler Staaten; Hamburg 2003
  14. Katajun Amirpur: Gibt es in Iran noch einen Reformprozess?, S. 21
  15. Michael Rubin: WHAT ARE IRAN'S DOMESTIC PRIORITIES?; MERIA Journal Vol. 6, Nr. 2; Juni 2002. (Englisch)
  16. Matthias Nass: Die Qual der Nichtwahl. In: Die Zeit vom 26.02.2004
  17. Naika Foroutan: Iran nach den Wahlen - das Ende der Reformen von oben
  18. Andreas Jacobs: Die Präsidentschaftswahlen im Iran. In: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.): Analysen und Argumente, Nr.: 21/2005 PDF
  19. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Die Beziehungen zwischen der EU und der Islamischen Republik Iran
  20. Bahman Nirumand: Große Schlappe für Radikalislamisten. In: Heinrich Böll Stiftung (Hrsg.): Iran Report, Nr. 01/2007, S. 3f
  21. Niederlage für Radikale um Ahmadinedschad auf www.tagesschau.de
  22. Denkzettel für Ahmadinedschads Hardliner auf www.spiegel-online.de
  23. Ulrich Ladurner: Anschwellendes Kampfgeheul. In: Die Zeit vom 18.01.2007

[Bearbeiten] Literatur

  • Wilfried Buchta: Ein Vierteljahrhundert Islamische Republik Iran. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. B9/2004, Bonn 2004. ISSN 0479-611X (PDF; 0,6 MB).
  • Katajun Amirpur, Reinhard Witzke: Schauplatz Iran. Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-05536-X.
  • Katajun Amirpur: Gibt es in Iran noch einen Reformprozess?. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte. B9/2004, Bonn 2004. ISSN 0479-611X
  • Amir Taheri: Chomeini und die Islamische Revolution. Hamburg 1985, ISBN 3-455-08237-8.
  • Ray Takeyh: Hidden Iran - Paradox and Power in the Islamic Republic, New York 2006, ISBN 978-0-8050-7976-0

[Bearbeiten] Weblinks

Andere Sprachen
Static Wikipedia 2008 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -

Static Wikipedia 2007 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - en - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu -

Static Wikipedia 2006 (no images)

aa - ab - af - ak - als - am - an - ang - ar - arc - as - ast - av - ay - az - ba - bar - bat_smg - bcl - be - be_x_old - bg - bh - bi - bm - bn - bo - bpy - br - bs - bug - bxr - ca - cbk_zam - cdo - ce - ceb - ch - cho - chr - chy - co - cr - crh - cs - csb - cu - cv - cy - da - de - diq - dsb - dv - dz - ee - el - eml - eo - es - et - eu - ext - fa - ff - fi - fiu_vro - fj - fo - fr - frp - fur - fy - ga - gan - gd - gl - glk - gn - got - gu - gv - ha - hak - haw - he - hi - hif - ho - hr - hsb - ht - hu - hy - hz - ia - id - ie - ig - ii - ik - ilo - io - is - it - iu - ja - jbo - jv - ka - kaa - kab - kg - ki - kj - kk - kl - km - kn - ko - kr - ks - ksh - ku - kv - kw - ky - la - lad - lb - lbe - lg - li - lij - lmo - ln - lo - lt - lv - map_bms - mdf - mg - mh - mi - mk - ml - mn - mo - mr - mt - mus - my - myv - mzn - na - nah - nap - nds - nds_nl - ne - new - ng - nl - nn - no - nov - nrm - nv - ny - oc - om - or - os - pa - pag - pam - pap - pdc - pi - pih - pl - pms - ps - pt - qu - quality - rm - rmy - rn - ro - roa_rup - roa_tara - ru - rw - sa - sah - sc - scn - sco - sd - se - sg - sh - si - simple - sk - sl - sm - sn - so - sr - srn - ss - st - stq - su - sv - sw - szl - ta - te - tet - tg - th - ti - tk - tl - tlh - tn - to - tpi - tr - ts - tt - tum - tw - ty - udm - ug - uk - ur - uz - ve - vec - vi - vls - vo - wa - war - wo - wuu - xal - xh - yi - yo - za - zea - zh - zh_classical - zh_min_nan - zh_yue - zu