Kreisfreie Stadt
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Eine kreisfreie Stadt (in Baden-Württemberg als Stadtkreis bezeichnet) ist eine kommunale Gebietskörperschaft, die nach dem Kommunalrecht Deutschlands neben dem eigenen und übertragenen Wirkungskreis einer Gemeinde und eines Landkreises auch die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde namens des Staates in eigener Zuständigkeit erledigt. Im Bereich der allgemeinen und inneren Verwaltung ist das Stadtgebiet einer kreisfreien Stadt damit staatsfrei.
In der Regel handelt es sich dabei um Großstädte - also Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern - oder größere Mittelstädte. Allerdings gibt es in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen auch Großstädte, die nicht kreisfrei sind, z. B. Hildesheim, Moers, Neuss, Paderborn, Recklinghausen, Reutlingen oder Witten und im Gegensatz dazu in Bayern und Rheinland-Pfalz kreisfreie Städte, die weniger als 50.000 Einwohner haben, z. B. Pirmasens, Schwabach, Coburg und Amberg. Vereinzelt trifft man auch den Sonderfall an, dass Städte "nur" einen Teil der Aufgaben eines Landkreises übernehmen.
Die kleinste kreisfreie Stadt in Deutschland ist Zweibrücken in Rheinland-Pfalz mit rund 35.000 Einwohnern (2005), die größte die bayerische Landeshauptstadt München mit 1,3 Millionen Einwohnern. Berlin und Hamburg sind zwar größer, jedoch Sonderfälle kreisfreier Städte, sogenannte Stadtstaaten. Das Bundesland Bremen besteht dagegen aus zwei kreisfreien Städten, nämlich der Stadt Bremen und der ca. 60 km nördlich gelegenen Seestadt Bremerhaven.
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[Bearbeiten] Historische Entwicklung
[Bearbeiten] Preußen
Bei der 1816 erfolgten Gliederung Preußens in Kreise wurden die Provinzhauptstädte Breslau, Danzig, Düsseldorf, Köln, Königsberg, Magdeburg, Münster, Posen, Potsdam und Stettin als Stadtkreise der unmittelbaren Kontrolle der Provinzregierung unterstellt. Aachen, Erfurt, Halle und Minden wurden ebenfalls kreisfrei. Minden verlor seine Kreisfreiheit bereits 1817 schon wieder, ebenso 1820 auch Düsseldorf und Erfurt, die wieder in die jeweiligen Landkreise eingegliedert wurden.
Nach der Annexion des Königreiches Hannover, des Kurfürstentums Hessen-Kassel, des Herzogtums Nassau und der Freien Stadt Frankfurt im Jahre 1866 wurden die ehemaligen Hauptstädte dieser Staaten, Hannover, Kassel, Wiesbaden und Frankfurt am Main, als Stadtkreise übernommen.
Durch das starke Wachstum der Städte infolge der Industrialisierung wurde die Forderung an die Adresse der preußischen Regierung nach einer Neugliederung der Kreise und der Bildung von Stadtkreisen immer lauter. Waren Barmen und Elberfeld, die am 1. Juni 1861 Stadtkreise wurden, noch als Ausnahmefall charakterisiert worden, so musste die Regierung 1872 offiziell der Neubildung von Stadtkreisen zustimmen. Erfurt (1. Januar 1872), Düsseldorf (20. April 1872) und Krefeld (14. Oktober 1872) waren die ersten Städte, die von dieser neuen Regelung profitierten. Am 1. Juli 1873 wurde Görlitz, 1874 wurden auch Duisburg (am 28. Januar), Elbing, Liegnitz (am 1. Januar) und Stralsund neue Stadtkreise.
Ab 1875 war generell eine Einwohnerzahl von mehr als 30.000 Voraussetzung für die Bildung von Stadtkreisen. In einigen Fällen wie z.B. Hamborn wurde am 1. Mai 1911 aus einem rasant auf 100.000 Einwohner gewachsenen Dorf direkt ein Stadtkreis. Dieser wurde am 1. August 1929 mit Duisburg zum Stadtkreis Duisburg-Hamborn vereinigt.
[Bearbeiten] Sachsen
Ursprünglich wurden nur die drei Bezirkshauptstädte Dresden, Leipzig und Chemnitz als Unmittelbare Städte von der Einteilung in Amtshauptmannschaften ausgenommen. Als die Stadt Plauen jedoch um 1904 zu einer Großstadt mit über 100.000 Einwohnern herangewachsen war, musste die sächsische Regierung reagieren und gewährte 1907 auch der viertgrößten sächsischen Stadt Plauen und der fünftgrößten sächsischen Stadt Zwickau das Privileg der Kreisfreiheit.
Die seit 1919 amtierende sozialdemokratische Regierung stand dem Wunsch der Städte nach Kreisfreiheit deutlich offener gegenüber und gewährte 1922 zunächst den Städten Bautzen, Freiberg, Meißen und Zittau, im Jahre 1924 dann auch vielen weiteren Städten (unter anderem Döbeln, Freital, Mittweida, Pirna und Riesa) das Privileg der Kreisfreiheit. Die Stadt Radebeul wurde 1935 als letzte sächsische Stadt zum Stadtkreis erhoben, nachdem sie durch den Zusammenschluss mit der Stadt Kötzschenbroda die geforderte Anzahl von 30.000 Einwohnern erreicht hatte.
Die Städte Görlitz (Stadtkreis seit 1873) und Hoyerswerda (Stadtkreis seit 1996) gehörten bis 1945 zur preußischen Provinz Niederschlesien.
[Bearbeiten] Übrige deutsche Staaten
Das Großherzogtum Oldenburg gewährte außer der Landeshauptstadt Oldenburg (Oldb.) auch den Städten Jever (1855), Varel (1858), Delmenhorst (1903) und Rüstringen (1911), das 1937 mit Wilhelmshaven vereinigt wurde, das Privileg der Kreisfreiheit.
Die Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und Thüringen führten bei ihrer staatlichen Neugliederung in den Jahren 1920 bis 1922 das in Preußen übliche System mit Stadt- und Landkreisen ein. Nach der Vereinigung der beiden mecklenburgischen Freistaaten Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz im Jahre 1934 wurden die beiden Strelitzer Städte Neubrandenburg und Neustrelitz als Stadtkreise übernommen, die übrigen Strelitzer Städte jedoch dem Landkreis Stargard eingegliedert.
Baden, Braunschweig, Hessen-Darmstadt und Württemberg kannten bis zur Verwaltungsreform 1938 mit Ausnahme der württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart keine Stadtkreise.
[Bearbeiten] Die Deutsche Gemeindeordnung von 1935
Die Deutsche Gemeindeordnung von 1935 führte den Begriff „Stadtkreis“ neu ein. In der „Ersten Verordnung zur Durchführung der Deutschen Gemeindeordnung“ vom 23. März 1935 wurden alle Stadtkreise, geordnet nach Bundesstaaten aufgezählt. 1942 gab es hierzu eine Ergänzung. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es sich bei diesen Stadtkreisen mit Ausnahme der im Staat Preußen nicht um Stadtkreise im heutigen Sinne handelte. Sie waren eher zu vergleichen mit „kreisangehörigen Städten mit Sonderstatus“, also etwa Großen Kreisstädten.
Siehe hierzu: Liste der kreisangehörigen Städte mit Sonderstatus in Deutschland.
[Bearbeiten] Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland wurden anfangs nur zwei kreisfreie Städte neu errichtet: Wolfsburg am 1. Oktober 1951 und Leverkusen am 1. April 1955. Dagegen ließ sich der Stadtkreis Konstanz am 1. Oktober 1953 freiwillig in den gleichnamigen Landkreis eingliedern. Im Zuge der Gebietsreformen der 1970er Jahre wurden viele kreisfreie Städte entweder in die benachbarten Landkreise eingegliedert, z. B. Cuxhaven, Fulda, Gladbeck, Hildesheim, Neu-Ulm, Siegen und Witten oder aber mit einer Nachbarstadt vereinigt, z. B. Rheydt, Wanne-Eickel und Wattenscheid.
Nach der Wiedervereinigung gab es in den östlichen Bundesländern Pläne für Gemeinde- und Kreisneugliederungen. Während im Land Brandenburg die Städte Eisenhüttenstadt und Schwedt/Oder am 6. Dezember 1993 in die sie umgebenden neuen Landkreise eingegliedert wurden, ging man in Sachsen und Thüringen den umgekehrten Weg und entließ zwei Städte aus dem Landkreis, dem sie bisher angehörten: Hoyerswerda wurde zum 1. Januar 1996, Eisenach zum 1. Januar 1998 kreisfrei. Die Kreisfreiheit der Stadt Hoyerswerda wird derzeit allerdings wieder in Frage gestellt. Das Land Mecklenburg-Vorpommern möchte sogar im Jahr 2009 alle kreisfreien Städte in die sie umgebenden neuen Kreise eingliedern.
In Niedersachsen ging man einen etwas anderen Weg: Die Landeshauptstadt Hannover wurde am 1. November 2001 in die neu geschaffene Region Hannover eingegliedert, behielt aber ihren Rechtsstatus als kreisfreie Stadt, sofern im oder aufgrund des "Gesetzes über die Region Hannover" nichts anderes bestimmt ist.
[Bearbeiten] Deutsche Demokratische Republik
Während in den ersten Jahren der sowjetischen Besatzung noch Stadtkreise eingerichtet wurden (z. B. Schönebeck (Elbe) im Jahre 1946), beseitigte die 1950 bis 1952 durchgeführte Verwaltungsreform die Mehrzahl der historisch gewachsenen Stadtkreise.
Allerdings wurden in der DDR auch neue Stadtkreise gebildet. So war z. B. Johanngeorgenstadt von 1951 bis 1957 Stadtkreis; denn durch den Uranabbau war die Zahl der Einwohner auf über 40.000 gewachsen. Nach 1957 sank sie wieder ab. Ähnlich erging es Schneeberg, das von 1951 bis 1958 einen Stadtkreis bildete. Auch die neu errichtete Stalinstadt (heute Eisenhüttenstadt) wurde 1953 von der DDR-Regierung zum Stadtkreis erhoben. Schwedt (Oder) (1961) und Suhl (1967) gehörten ebenfalls zu den Städten, die wegen ihrer politischen und wirtschaftlichen Bedeutung Stadtkreise wurden. Die Großsiedlung Halle-Neustadt wurde am 12. Mai 1967 zu einem selbstständigen, von Halle (Saale) losgelösten Stadtkreis erklärt, am 6. Mai 1990 aber wieder in die Stadt Halle eingliedert.
[Bearbeiten] Österreich
In Österreich wird eine kreisfreie Stadt als Statutarstadt bezeichnet. Lediglich zwischen 1938 und 1945 wurden diese Statutarstädte wie im übrigen Deutschen Reich als Stadtkreise bezeichnet. Diese verfügen im Gegensatz zu kreisfreien Städten über eine eigene Kommunalverfassung, das Statut. Eine Statutarstadt übernimmt zugleich die Aufgaben der Bezirkshauptmannschaft.
[Bearbeiten] Polen
Auch Polen gehört zu den Ländern, in denen zwischen Landkreisen und Stadtkreisen unterschieden wird. Einige Städte wurden bereits im Deutschen Kaiserreich zum Stadtkreis (Bromberg 1875, Graudenz und Thorn 1900) beziehungsweise während ihrer Zugehörigkeit zur k.u.k.-Monarchie zur Statutarstadt erhoben (zum Beispiel Bielitz). Andere Städte wurden erst nach 1918 von der neu gegründeten polnischen Republik zu Stadtkreisen erklärt, wie beispielsweise Gniezno (1925), Inowrocław (1925) und Kalisz (1929).
[Bearbeiten] Vereinigtes Königreich
Im Vereinigten Königreich wurden County Boroughs 1889 eingeführt, 1974 aber wieder abgeschafft. Die Voraussetzung für die Gewährung des Status war eine gewisse Mindestzahl von Einwohnern, die von zuerst 50.000 über 75.000 (1926) auf zuletzt 100.000 erhöht wurde. 1992 wurden wieder so genannte Unitary Authorities eingeführt, die weitgehend den alten County boroughs entsprechen.
[Bearbeiten] Vereinigte Staaten
In den Vereinigten Staaten gibt es unter der Bezeichnung Independent city ebenfalls das Konzept einer kreisfreien Stadt. Seit 1871 sind in Virginia alle Städte per Gesetz kreisfrei, aber auch in anderen Bundesstaaten gibt es independent cities, wie beispielsweise Baltimore in Maryland oder St. Louis in Missouri.