Hexenlehre
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Die Hexenlehre war in der Frühen Neuzeit (15. - 18. Jahrhundert) von Bedeutung. Zur Hexenlehre zählten die damaligen Theologen, die heute oft als Hexentheoretiker bezeichnet werden, als Hauptelement den Teufelspakt, der sogleich mit dem Vertrag mit dem Teufel auch einen Abfall von Gott und somit Gotteslästerung bedeutete. Eng mit der Vorstellung eines Paktes mit dem Teufel war die Vorstellung der so genannten Teufelsbuhlschaft verknüpft. Hierunter ist der Geschlechtsverkehr zwischen Hexe/Hexer und Teufel (Incubus und Succubus) zu verstehen. Als drittes Element wurde der Hexensabbat in Verbindung mit dem Hexenflug genannt. Das vierte Element der Hexenlehre stellte die Schadenszauberei dar.
Unheilvolle Bedeutung gewann diese Hexenlehre im Zusammenhang mit den Hexenprozessen. Lieferten der Teufelspakt, die Teufelsbuhlschaft und die angebliche Schadenszauberei die Inhalte für die Zusammenstellung der Straftatbestände angeblicher Hexen, so lieferte die vermeintliche Anwesenheit an Hexensabbaten die Begründung für eine weitere Anwendung der Folter - denn schließlich galt es, weitere Hexen herauszupressen, die man doch auf dem Sabbat gesehen haben musste! Der Hexenflug, der als Zeichen für die durch den Teufel vermittelten übernatürlichen Eigenschaften der Hexen galt, gab eine Begründung für die Wirksamkeit des Hexenbades. Schwammen die angeblichen Hexen mit überkreuz gebundenen Händen und Füßen an der Oberfläche, so galt dies als Zeichen ihrer teuflischen Leichtigkeit, was oft als starkes Indiz für die Schuld der Angeklagten galt.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Chronologische Darstellung der Entwicklung der Hexenlehre
[Bearbeiten] Altertum
- Assyrer, Babylonier und Griechen glauben an Zwischenwesen (Dämonen)
- der Glaube an dämonische Zwischenwesen wird im römischen Staat in den Götterkult integriert
- im Judentum bzw. Christentum übernimmt der Teufel die Rolle des personifizierten Bösen
[Bearbeiten] 3./4./5. Jh. n.Chr.
- Das Christentum wird Staatsreligion im römischen Reich. Alte Glaubensvorstellungen von Dämonen und Göttern fließen in die Glaubenspraxis vieler christianisierter ehemaliger Heiden ein und führt zu regionalen Spielarten des Christentums.
- Die Kirchenväter erarbeiten die Grundsätze der nun modifizierten Dämonologie.
[Bearbeiten] um 800
- Karl der Große verbietet die Zaubererverfolgung in seinen Gesetzen
[Bearbeiten] um 900
- der canon episcopi, Bestandteil des kanonischen Rechts, lehnt einen Glauben an Hexen und Hexenflug als Phantasiegespinst ab
[Bearbeiten] um 1199
- Papst Innozenz III. (1198 - 1216) setzt kirchliche Sonderbeauftragte zur Durchführung der Inquisition gegen Ketzer ein
[Bearbeiten] 1219 - 22
- Caesarius von Heisterbach verfasst sein Buch Dialogus miraculorum (Dialog über die Wunder), in dem er das vorgebliche Treiben von Hexen beschreibt
[Bearbeiten] im 13. Jh.
- Ausbau der Inquisition unter der Päpsten Gregor IX. (1227 - 1241) bis Bonifatius VIII. (1294 - 1300)
[Bearbeiten] 1224
- Kaiser Friedrich II. setzt den Tod auf dem Scheiterhaufen als Strafe für Ketzer ein
[Bearbeiten] um 1225
- Der Sachsenspiegel sieht die Verbrennung als Strafe für Ketzerei und Zauberei vor
[Bearbeiten] 1229
- Das Konzil von Toulouse regelt Verfahren und Bestrafung bei Ketzerei, wobei kirchliche und weltliche Gewalt Hand in Hand arbeiten sollen
[Bearbeiten] 1248
- Papst Innozenz IV. überträgt offiziell die Inquisition an die Dominikaner
[Bearbeiten] Mitte 13.Jh.
- die Gelehrten der Hochscholastik geben dem Dämonenglauben wieder eine bedeutende Stellung im Rahmen der Theologie
[Bearbeiten] ca. 1225 - 1274
- Thomas von Aquin, scholastischer Gelehrter und einer der Kirchenlehrer, integriert die Teufelsbuhlschaft, die Hexenluftfahrt, die Tierverwandlung und das Wettermachen ebenso wie den Teufelspakt in die Vorstellung von schadensbringenden Weibern, aus denen später die Hexenvorstellungen hervorgehen. Er legt damit als renommierter Denker eine der bedeutsamen Grundlagen für die späteren massenhaften Hexenverbrennungen
[Bearbeiten] ab 14. Jh.
- allmähliche Gleichsetzung von Ketzerei und Zauberei, da bei beiden Delikten der zentrale Vorwurf der des Abfalls von Gott und der Hinwendung zum Teufel ist
[Bearbeiten] ca. 1300
- Arnaldus de Villanova (1235 - 1311) schreibt 'De maleficis'
[Bearbeiten] ca. 1330
- das Buch 'Super materia haereticorum' von Zanchinus Ugolini (1302 - 1340) wird veröffentlicht
[Bearbeiten] 1323
- Thomas von Aquin wird heilig gesprochen - noch wird seine Definition die Hexerei betreffend nicht angewandt. Erst später wird sie als erlösende Entdeckung und Würdigung ihre unheilvolle Wirkung entfalten
[Bearbeiten] 1370 / 1376
- Nicolaus Emericus (1320 - 1399) schreibt seine Zaubertraktate:'Tractatus contra daemonum invocatores' und 'Directorium Inquisitorum'
[Bearbeiten] seit dem 15. Jh.
- Thomas von Aquin wird mit dem Ehrentitel doctor angelicus ausgezeichnet . Seine Lehren werden dementsprechend immer mehr verbreitet, anerkannt und sogar verehrt
[Bearbeiten] ca. 1435 - 1437
- Johannes Nider (1385 - 1438) schreibt sein Buch 'Formicarius'
[Bearbeiten] ca. 1450
- die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg legt den Grundstein zur Verbreitung des bald perfekt definierten Hexenglaubens und der Maßnahmen, die dagegen zu ergreifen seien
[Bearbeiten] ca. 1458
- Nicolas Jacquiers Abhandlung Flagellum Haereticorum Fascinariorum wird niedergeschrieben und erlangt nach und nach in Fachkreisen Bekanntheit, wird aber wohl erst 1581 in einer stärkeren Auflage gedruckt
[Bearbeiten] ca. 1460
- Girolamo Visconti schreibt 'Lamiarum sive striarum opusculum'
[Bearbeiten] 1482
- Bernard Basin verfasst 'Tractatus de artibus magicis et magorum maleficiis'
[Bearbeiten] 1484
- Papst Innozenz VIII. (1484 - 92) unterzeichnet die Bulle Summis desiderantes affectibus, sie war ihm durch Heinrich Institoris in endgültiger Form vorgelegt worden. Institoris diente sie als Legitimation für den Hexenhammer, die uneingeschränkte Hexenverfolgung in Deutschland konnte damit beginnen.
[Bearbeiten] 1487
- Heinrich Kramer (lat.: Henricus Institoris) veröffentlichte mit seinem Buch 'Malleus Maleficarum' ( 'Der Hexenhammer') ein inquisitorische Gebrauchsanweisung. Dass Jakob Sprenger Mitautor oder -herausgeber des Buches sei, ist falsch. Diese Auffassung ist jedoch auch heute noch anzutreffen. Bei der überaus einflussreichen Schrift handelt es sich eine bloße Zusammenführung, Kompilation, früherer Hexenschriften - Institoris brachte nichts Neues hervor. Sein Machwerk fand u.a. durch die dieses Buchdruckerkunst weite Verbreitung und gilt als eines der unheilvollsten Bücher der Geschichte, da es jahrhundertelang zur Rechtfertigung der Hexenverfolgung diente. Die späteren Hexentraktate gelten entweder gleichsam als Kopien des Hexenhammers , oder sie behandeln Teilaspekte intensiver oder sie versuchen die Theorie im Ganzen oder in Teilbereichen zu widerlegen.
[Bearbeiten] Ende 15. bis Mitte 17. Jh.
- Hochphase der europäischen Hexenverfolgung
- Hexenverfolgung in Salem
- zahlreiche Traktate im Sinne der Hexenlehre und einige wenige, die gegen den Hexenglauben gerichtet sind, werden verfasst (vgl. dazu auch den Artikel Hexentheoretiker, in dem weitere Autoren mit ihren Werken aufgeführt werden)
[Bearbeiten] nach 1700
- immer mehr 'hält die Vernunft Einzug' in die Wissenschaft, wovon auch die Hexenlehre nicht unbeeinflusst bleibt
- langsames Verdrängen der Folter aus der Gerichtspraxis durch die Vorstellungen der Aufklärung
[Bearbeiten] 1773
- Eva Faschaunerin wird nach dem wohl letzten Hexenprozess Österreichs enthauptet, abgehackte Körperteile zur Schau gestellt.
[Bearbeiten] 1775, 11. April
- Anna Schwegelin (auch Anna Maria Schwägel) (Kempten) wird als letzte Hexe offiziell in Deutschland verurteilt. Sie stirbt im Gefängnis, das Todesurteil wurde nicht vollstreckt.
[Bearbeiten] 1782, 13. Juni
- Anna Göldi wird in Glarus enthauptet. Es wird ihr zur Last gelegt mit Hilfe des Teufels Stecknadeln in die Milch eines Kindes gehext zu haben. Offiziell wegen Giftmordes verurteilt.
[Bearbeiten] ab 1800
- nur noch vereinzelte Hexenprozesse (wenn Todesfälle vorkommen, dann im Zusammenhang mit Lynchjustiz durch das Volk)
- die Hexe wird in das Märchenreich verbannt
- der Teufel spielt immer mehr nur noch eine untergeordnete Rolle in der Vorstellungswelt der Menschen
- andererseits entwickeln sich der Okkultismus und moderne Naturreligionen, deren Anhänger sich wieder als Hexen bezeichnen, z.B. die Wicca.
[Bearbeiten] Zeit des Nationalsozialismus
- Zwischen 1933 und 1945 entwickelte Reichsführer-SS Heinrich Himmler eine Art "nationalsozialistische Religion" mit der Verehrung germanischer Götter und einem Hexenglauben. "Parteiphilosoph" Alfred Rosenberg schlug einen "Mythus des Blutes" vor, der die biblische Tradition ersetzen sollte.
- Heinrich Himmler behauptete, die als "Hexen" verfolgten Frauen seien germanischen Ursprungs gewesen, die von sadistischen christlichen Priestern gequält wurden. Es wird vermutet, dass sich einige nationalsozialistische Führer auch bei Akten über Hexenprozesse bedienten, um sich "Anregungen" für die Folter und Bestrafung in den Konzentrationslagern zu holen.
- Es war das Ziel der Nationalsozialisten, das Christentum, die Humanität, die Idee der Menschenwürde und den Gedanken der christlichen Nächstenliebe abzuschaffen. Die Nazis behaupteten, das Christentum lehre eine "Sklavenmoral". Dieser wollten sie eine "Herrenmoral" gegenüberstellen, bei der das Kriegführen, die Stärke und Macht, die Männlichkeit, die Nation, der "Lebensraum" und die "Rasse" im Vordergrund standen.
[Bearbeiten] 1944
- nach Angaben des Museum of Witchcraft wurde 1944 die Schottin Helen Duncan als letzte Person mit dem Hexereigesetz von 1735 verurteilt. Das Gesetz wurde daraufhin 1951 aufgehoben.
Siehe: http://www.historic-uk.com/HistoryUK/Scotland-History/HelenDuncan.htm
[Bearbeiten] 1954
- letzter in Großbritannien geführter Prozess gegen eine Hexe, wobei man sich auf ein Hexengesetz aus dem Jahr 1754 berief (allerdings kam es zu keiner Verurteilung).
[Bearbeiten] ab 2. Hälfte des 20. Jh.
- vermehrte künstliche Wiederbelebung der vermeintlichen Hexenkulte, z. T. auch im Sinne der frühneuzeitlichen Hexenlehre
- Modetrend Schwarze Messe feststellbar
[Bearbeiten] Literatur
- Kurt Rau, Augsburger Kinderhexenprozesse 1625-1730, Böhlau 2006, ISBN 3205774124
- Wolfgang Behringer, Hexen und Hexenprozesse in Deutschland, dtv 2000, ISBN 3423307811
- Heinrich Institoris und Heinrich Kramer, Der Hexenhammer. Malleus maleficarum, dtv 2000, ISBN 3423307803
- Friedrich von Spee, Cautio Criminalis oder Rechtliches Bedenken wegen der Hexenprozesse, dtv 2000, ISBN 342330782X
- Brian P. Levack, Hexenjagd. Die Geschichte der Hexenverfolgungen in Europa, C.H.Beck 2003, ISBN 3406421326
- Franz Rueb, Hexenbrände. Die Schweizergeschichte des Teufelswahns, ISBN 385504158X
- Heike Albrecht Hexenglauben, Hexenverfolgung, Hexenwahn im Deutschland der Frühen Neuzeit - Ansatz einer soziologischen Analyse, Diplomica 2002, ISBN 3832455566