Goldenes Zeitalter (Niederlande)
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Dieser Artikel konzentriert sich auf soziale und kulturelle Geschichte des Goldenen Zeitalters der Niederlande. Für politische Ereignisse siehe Geschichte der Niederlande. Für mehr Informationen zu Personen siehe Liste von Personen des Goldenen Zeitalters der Niederlande.. |
Das Goldene Zeitalter (niederl.: De gouden eeuw) bezeichnet eine wirtschaftliche und kulturelle Epoche der niederländischen Geschichte, die grob mit dem 17. Jahrhundert übereinstimmt und in der die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande zur führenden Handelsmacht Europas wurden. Begleitet war der Zeitabschnitt von einer Blütezeit Geistes- und Naturwissenschaften, Kultur und Kunst, die zu Unrecht zuweilen auf den Kunstmarkt reduziert wird.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Vorgeschichte
„Das Goldene Zeitalter - der Name schon taugt nichts. Er riecht nach der Aurea Aetas der Antike, jenem mythologischen Schlaraffenland Ovids, das uns wegen seiner saturierten Schlaffheit schon als Schulbuben gelangweilt hat. Wenn unsere sog. Blütezeit einen Namen haben soll, so nenne man sie nicht „golden“: Sie schmeckt nach Holz und Eisen, Pech und Teer, Farbe und Tinte. Was unseren Staat im 17.Jh. groß gemacht hat, war Pioniergeist und aktive Frömmigkeit, Fantasie, Kühnheit und Tatkraft, das Bewußtsein von Recht und Billigkeit, von Barmherzigkeit und in allem ein Gottvertrauen.“
1477 kamen die Niederlande unter die Herrschaft der Habsburger. In dieser Zeit war die ökonomische Situation der damals Burgundischen Niederlande sehr günstig, vor allem unter der Herrschaft von Karl V. erstarkten neben Ackerbau, Viehzucht und Fischerei auch Handel und Gewerbe. Daneben wuchs der Textilsektor rasch und Antwerpen wurde bald ökonomisches Zentrum der Region. Desgleichen erlebten Wissenschaft und Kultur eine Blütezeit, nicht zuletzt durch Christoffel Plantijn. Gleichzeitig war freilich die Epoche der Reformation angebrochen und Karl V. und sein Sohn und Nachfolger Philip II. – beide strenggläubige Katholiken –, ließen die Protestanten verfolgen.
[Bearbeiten] Konflikt mit Spanien
Als Philipp II. den Calvinismus zur Ketzerei erklärte, rebellierten die nördlichen Provinzen unter der Führung Willems von Oranien. Mit seinem Versuch, Brabant zu besetzen, begann 1568 der Achtzigjährige Krieg. 1579 taten sich die sieben nördlichen Provinzen zur Utrechter Union zusammen und gründeten 1581 die Republik der Sieben Vereinigten Niederlande, die die Grundlage für die heutigen Niederlande bildeten, während die katholischen Südprovinzen – heute Belgien und Luxemburg – bei Spanien blieben. Der Vertrag von Utrecht räumte den Provinzen unter anderem das Recht zur Kontrolle der Schifffahrt auf dem Niederrhein ein, was ganz entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung war. 1585 eroberten die Spanier Antwerpen, worauf hin die Niederländer die Schelde sperrten und der Stadt damit den Zugang zur Nordsee nahmen. Damit waren die Weichen für Amsterdam als künftiges regionales Handelszentrum gestellt, das seinen Rivalen Antwerpen rasch hinter sich lassen konnte.
[Bearbeiten] See- und Kaufleute
Die Grundlagen des Goldenen Zeitalters lagen im Ostseehandel[2], der seit dem frühen 15. Jahrhundert vor allem von der Provinz Holland und Amsterdam aus systematisch betrieben wurde und die Niederlande – trotz der Belagerung durch die Spanier – zu einer blühenden Handelsnation machten. Kleinere und schnellere Schiffe als ihre Konkurrenten, die zudem weniger Personal benötigten, machten die Amsterdamer Händler zu den flexibelsten ihrer Zeit. Schon Ende des 16. Jahrhunderts begann die Blüte Amsterdams beziehungsweise Hollands.
Bereits um 1600 hatte sich erhebliches Investitionskapital in Amsterdam angesammelt, das für neue Aufgaben zur Verfügung stand. Erste Schiffsexpeditionen wurden finanziert, um Handelsmöglichkeiten in Asien und Amerika zu erkunden. Die See- und Kaufleute hatten Glück, weil die Hanse im Niedergang begriffen und auch die anderen Konkurrenten durch Kriege und Aufstände andernorts abgelenkt waren. Nur ein Beispiel dafür ist die Zerstörung der spanischen Armada durch die Engländer 1588. Da sich die Spanier weiter auf die Engländer und Franzosen konzentrierten, wagten sich die niederländischen Handelsschiffe immer weiter auf die Meere hinaus, erschlossen neue Seewege und gründeten Kolonien. Diese Einzelunternehmen führten aber anfänglich nur zu geringen Erfolgen.
[Bearbeiten] Voraussetzungen und Wechselwirkungen
Der wirtschaftliche Aufstieg des kleinen Staatenbundes der zwei Millionen Niederländer zur Groß- und Kolonialmacht des 17. Jahrhunderts ist ein verblüffendes [3], aber erklärbares Phänomen:
[Bearbeiten] Urbanisierung und politisches System
Die Niederlande des angehenden 17. Jahrhunderts wiesen die fortgeschrittenste Urbanisierung und den höchsten Verstädterungsgrad Europas auf. [4]Ihr Staatenbund war demokratischer als andere europäische Länder[5], politisch defensiv eingestellt und von einem ökonomischen System geprägt, das nicht auf Landwirtschaft, sondern auf Handel und Seefahrt aufbaute.
1609 wurde die Amsterdamer Wechselbank gegründet – die weltweit erste Zentralbank und eine der ersten europäischen Notenbanken – und 1611 die Amsterdamer Warenbörse. Sie förderte den Zahlungsverkehr, der bis dahin aufgrund der Vielzahl in Umlauf befindlicher unterschiedlicher Währungen erschwert wurde. Günstige Zinssätze, feste Devisenkurse und eine hohe Darlehensbereitschaft der niederländischen Banken zogen Kapitalanleger und Finanzleute aus ganz Europa an.
[Bearbeiten] Soziales Gefüge
Der soziale Status der niederländischen Bürger wurde größtenteils durch das Einkommen bestimmt – ungewöhnlich im Europa des 17. Jahrhunderts, wo der persönliche Status in den meisten Ländern durch die Ständeordnung noch durch die Geburt vorherbestimmt war.
Die Aristokratie hatte das Land zusammen mit den Spaniern verlassen oder viele seiner Privilegien an die Städte verkauft. Der Klerus hatte ebenfalls kaum weltlichen Einfluss: die katholische Kirche war weitgehend unterdrückt, die junge protestantische Kirche geteilt. Bankiers, Kaufleute, Reeder und Händler bildeten die überaus kaufkräftige Oberschicht, bei der auch die höchste Macht lag.
Nicht zuletzt durch die Einwanderung religiös Verfolgter, unter ihnen zahlreiche Angehörige der Oberschicht und des Bildungsbürgertums, Schriftsteller und Gelehrte, weist das Land dazu die niedrigste Zahl an Analphabeten in Europa auf.[6]
[Bearbeiten] Welthandel
Trotz aller Konkurrenz der Provinzen untereinander (insbesondere zwischen Amsterdam und der Provinz Zeeland) wurde 1602 die Niederländische Ostindien Kompanie (niederl.: Vereenigde Oostindische Compagnie oder VOC) gegründet, um mit vereinten Kräften stärker auftreten zu können. Die Kompanie wurde rasch zum größten Handelsunternehmen des 17. Jahrhunderts und baute ein niederländisches Monopol im Asienhandel auf, das sie zwei Jahrhunderte lang behalten sollte. Ihre Handelsrouten erstreckten sich entlang der afrikanischen und asiatischen Küste mit Stützpunkten in Indonesien, Japan, Taiwan, Ceylon und Südafrika. Für den Handel mit Westafrika und Amerika wurde die Niederländische Westindische Kompanie (niederl.: niederl. Name: Geoctroyeerde West-Indische Compagnie oder WIC) gegründet, die von 1625 bis 1664 die niederländische Besitzung Neu-Amsterdam, das heutige New York, verwaltete.
Weitere Handelszweige waren der Ostseehandel, der Handel mit Russland und die „Straatvaart“ (der Handel mit Italien und der Levante, den Ländern an der Ostküste des Mittelmeeres).
Spätestens nach der Erlangung der vollständigen Handelsfreiheit [7] im Rahmen des Westfälischen Friedens 1648 beherrschten die Niederländer den Welthandel – eine Position, die zuvor in geringerem Umfang die Portugiesen und Spanier inne hatten und die später, nach langem Konkurrenzkampf und mehreren Kriege (hauptsächlich auf See), an die Engländer verloren ging.
[Bearbeiten] Religiöse Toleranz
Calvinismus war der vorherrschende Glaube, jedoch wurde das Land am Anfang des Jahrhunderts durch harte Debatten zwischen Calvinisten und Protestanten gespaltet.
Auch der Humanismus mit seinem einflussreichsten Vertreter Desiderius Erasmus hatte sich etabliert und war für den kulturellen und sozialen Wandel zwischen Mittelalter und Neuzeit ebenso verantwortlich wie für die Bildungsbewegung und teilweise für das Klima der Toleranz. Diese Toleranz auch gegenüber Katholiken aufrecht zu erhalten, war nicht einfach, nachdem die Religion im Unabhängigkeitskrieg eine wichtige Rolle gespielt hatte. Feindliche Neigungen pflegte man dennoch möglichst mit Geld zu überbrücken. Deshalb konnten sich Katholiken die Privilegien zur Abhaltung von Feierlichkeiten durchaus erkaufen, öffentliche Ämter blieben ihnen aber versagt. Das gleiche galt für Wiedertäufer und Juden.
Dennoch war das Niveau der religiösen Toleranz ausreichend hoch, um Religionsflüchtlinge aus anderen Ländern anzuziehen, besonders jüdische Händler aus Portugal, die viel Wohlstand mitbrachten (Portugiesische Synagoge Amsterdams). Auch ließ die Annullierung des Edikts von Nantes in Frankreich (1685) zahlreiche französische Hugenotten und Juden in die Niederlande einwandern; viele von ihnen waren Wissenschaftler.
Die Toleranz hatte aber auch ihre Grenzen, wie der Philosoph Baruch de Spinoza feststellen musste.
Da die Vereinigten Provinzen der Niederlande aus religiöser Unterdrückung entstanden waren, gewährten sie ihren Bürgern Religionsfreiheit. Diese Kunde von Toleranz verbreitete sich schnell und hatte zur Folge, dass Protestanten, Juden, Hugenotten und andere religiös Verfolgte aus Spanien, Portugal und anderen Nationen ins Land strömten.
Jeder konnnte für acht Gulden – was allerdings immerhin der Jahresheuer eines niederländischen Seemanns entsprach und so zusätzlich für übervolle Staatskassen sorgte – in die Provinzen einwandern. Auch deshalb zog es Gelehrte, Akademiker und Künstler ins Land, in dem sich bald viele der besten und klügsten Köpfe Europas sammelten.
[Bearbeiten] Heimische Wirtschaft
Die heimische Wirtschaft breitete sich ebenso aus. Werften und Zuckerraffinerien sind gute Beispiele. Mehr und mehr Land wurde urbar gemacht oder trocken gelegt, um Amsterdam herum wurden die ersten Großprojekte zur Landgewinnung eingeleitet: Mehrere Binnenseen nördlich von Amsterdam wurden mit einem Deich umgeben und mit Hilfe von Windkraft leergepumpt (droogmakerijen), um fruchtbares Ackerland zu gewinnen. Die Getreideproduktion, Vieh- und Milchwirtschaft wuchs an, um den steigenden Lebensmittelbedarf der rasant wachsenden holländischen Städte des 17. Jahrhunderts zu befriedigen.
Fast wie während der Französischen Revolution breitete sich politische Freiheit über alle Gebiete aus und erschuf genauso eine Offenheit für neue kulturelle und wissenschaftliche Ideen – die Grundlage für eine ungewöhnliche Blütezeit vonKunst und Kultur, Literatur und Wissenschaft mit sich.
[Bearbeiten] Blütezeit
„Die Niederlande waren im 17. Jahrhundert ein Land der Superlative: jährlich wurden 70.000 Bilder gemalt, 110.000 Stück Tuch produziert und 200 Millionen Gulden an Volkseinkommen erwirtschaftet.“
– Michael North: Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts.
[Bearbeiten] Wissenschaft
Die im Land nun herrschende weitgehende Lehr- und Forschungsfreiheit und die 1575 gegründete renommierte Universität Leiden zog zahlreiche Wissenschaftler und Denker aus ganz Europa an. Auch der französische Philosoph René Descartes lebte von 1628 bis 1649 in Leiden.
Niederländische Rechtswissenschaftler waren für ihr Wissen im internationalen Recht geschätzt. Hugo Grotius legte den Grundstein für das moderne Seerecht; er begründete das Konzept der Freien Meere (Mare liberum), das von den Engländern, den Hauptrivalen der Niederlande, aufs Schärfste angefochten wurde. Auch formulierte er in seinem Buch De iure belli ac pacis (Über Gesetze von Krieg und Frieden) Rechtsgedanken in Hinsicht auf Nationenkonflikte. Sein Kollege Cornelis van Bynkershoek gilt als der Vater der 3-Meilen-Zone und erreichte ebenfalls Bedeutung in der Entwicklung des Völkerrechts.
Christiaan Huygens war Mathematiker, Physiker und Astronom. Unter seinen Beiträgen in der Astronomie befindet sich die Erklärung der Saturnringe, die Entdeckung des Saturnmondes Titan und der Rotation des Mars. Auch auf dem Gebiet der Optik und Mechanik war er aktiv. Er erfand die Pendeluhr, die einen großen Schritt in Richtung exakter Zeitmessung darstellte. Er wurde als erster ausländischer Wissenschaftler Ehrenmitglied der britischen Royal Society und wurde der erste Direktor der 1666 gegründeten französischen Akademie der Wissenschaften. Isaac Newton lobte ihn als „elegantesten Mathematiker“ seiner Zeit.
Auf dem Gebiet der Optik war der aus Delft stammende Antoni van Leeuwenhoek der bekannteste niederländische Wissenschaftler dieser Zeit. Er entwickelte das Mikroskop entscheidend weiter, indem er die Linsen selbst schliff und Vergrößerungen bis zum 270-Fachen erreichte. Er war auch der erste, der methodisch mikroskopisches Leben erforschte und lieferte die erste Beschreibung der roten Blutkörperchen, was die Grundlage der Zellbiologie schuf. Allerdings nahm er seine Kenntnisse um die Kunst des Linsenschleifens als Geheimnis mit ins Grab, so dass erst im 19. Jahrhundert mit verbesserten Linsen an diese Untersuchungen angeschlossen werden konnte.
Berühmte niederländische Wasserbauingenieure waren Simon Stevin, der auch die Unmöglichkeit des Perpetuum Mobiles bewies und die Dezimalzahlen im täglichen Gebrauch einführte sowie Jan Leeghwater aus De Rijp, der als Jan Adriaenszoon geboren wurde. In einem Dorf inmitten von Moorweiden geboren, entwickelte er Methoden und entwarf Mühlen zur Trockenlegung von Moorgebieten und der Umwandlung von Seen in Polder. Aus hohem Wasserstand machte er niedriges - und nannte sich entsprechend Leeghwater, „Niedrigwasser“. Er war der Begründer des modernen niederländischen Entwässerungs- und Landgewinnungssystems.
[Bearbeiten] Kultur
Die Niederlande durchliefen im Goldenen Zeitalter eine kulturelle Entwicklung, die sich von den Nachbarstaaten deutlich abhob und die allgemein als Höhepunkt der holländisch-niederländischen Zivilisation angesehen wird[8] Wo in anderen Ländern reiche Aristokraten oft Schirmherren und Gönner der Künste waren, spielten in den zeitgenössischem Niederlanden wohlhabende Händler und andere Patrizier diese Rolle.
Hier bestimmten bürgerliche Auftraggeber die Kunstproduktion und fußte der Barock auf dem Selbstverständnis einer frühkapitalistischen Republik, was zu einem höheren Realismus und zur Bevorzugung bestimmter Gattungen wie Porträtmalerei (Einzel- und Gruppenbildnis), Genrebilder oder Stilllebenmalerei führte. Obwohl viele Meister des Barock aus den Niederlanden stammten, passte mit einigen Ausnahmen (beispielsweise dem Dramatiker Joost van den Vondel) die barocke Fröhlichkeit und Ausgelassenheit nicht zu der calvinistischen Vorstellung von Kunst als reiner Unterhaltungsfunktion (und nicht religiöser Andachtsfunktion). Der Klassizismus mit seiner Abkehr von der Allegorie des Barock passte da besser.
Die schutterij, die Schützen mit ihrer Schützengilde und die rederijkers, die Dichter, organisiert in der rederijkerskamer, der Dichtergilde (seinerzeit „Redekammer“ genannt), stellten gleichzeitig auch kulturelle Zentren und Förderer der Künste dar. Erstere hatten sich zu einer Art städtischen Bürgerwehr organisiert und sorgten nachts für Ruhe und Ordnung in den Städten. Alle männlichen Einwohner waren ihr zu Dienst verpflichtet. Zweitere stellten Vereinigungen auf Stadtebene dar, die literarische Aktivitäten begünstigen und unterstützten. Die Städte waren ebenso stolz auf die Gilden wie die Bürger auf ihre Mitgliedschaft, die sie sich viel kosten ließen. Große niederländische Dichter wie Pieter C. Hooft und Joost van den Vondel waren Mitglied einer Rederijkerskamer; die einzelnen Gilden und Gildenmitglieder, insbesondere der Schützen, ließen sich gerne bei der Ausübung ihrer Ehrenaufgabe porträtieren. Ein Beispiel dafür ist das Bild der Nachtwache von Rembrandt.
[Bearbeiten] Malerei
„Die sinnige Völkerschaft will sich nun auch in der Malerei erfreuen, sie will in ihren Bildern noch einmal die Reinlichkeit ihrer Städte, Häuser, Hausgeräte, ihren häuslichen Frieden, ihren Reichtum, den ehrbaren Putz ihrer Weiber und Kinder, die Kühnheit ihrer Seemänner genießen.“
– Hegel: Vorlesungen über die Ästhetik
Im 17. Jahrhundert erreichte die Malerei in den Niederlanden eine Blütezeit, mit der der Begriff des Goldenen Zeitalters oft alleine verbunden wird. Dank ihrer Kaufkraft, ihres Repräsentationsbedürfnisses und ihres gesteigerten Interesses an der Beschreibung der sichtbaren Welt blühte die weltliche Malerei auf wie nie zuvor und nirgendwo sonst.
Schon im 16. Jahrhundert war die Kunstproduktion hoch gewesen. Allein in Antwerpen sollen 1560 mehr als 300 Meister mit Malerei und Graphik beschäftigt gewesen sein, hingegen nur 169 Bäcker und 78 Fleischer. [9]
Die Bedeutung des Maler- und Graphikerwesens dieser Zeit begründet sich dabei aber unter anderem auch schlicht in der unübersehbaren Menge und dem Übergewicht der Bilder-Produktion gegenüber den übrigen Künsten. In dem dicht besiedelten Land bildeten sich in kurzer Zeit und auf engstem Raum viele Zentren der Malerei – neben Amsterdam etwa Haarlem, Delft, Utrecht, Leiden, Den Haag oder Deventer. Bald waren die Malerei und die Druckgraphik geradezu allgegenwärtig, die Niederlande wurden zu einer einzigen riesigen Kunstfabrik. Jährlich kamen 70 000 Bilder auf den Markt, die berühmte und weniger berühmte Maler gemeinsam mit ihren Schülern fast schon am Fließband produzierten. Historiker, wie Michael North, schätzen, dass so etliche Millionen Bilder hergestellt wurden, wovon heute kaum mehr 10 Prozent erhalten sind. Jedenfalls besaß statistisch gesehen, in dieser Zeit jeder Einwohner 2,5 Bilder. [10]
Das wirtschaftliche Stärke des Landes kam auf breiter Basis der sozialen und kulturellen Lebensqualität seiner Bürger zugute. Durch den Aufstieg des Bürgertums in die Oberschicht wurde auch die Kunst bürgerlich. Die traditionellen kirchlichen Bildthemen wurden seit der Reformation aber als „katholisch“ abgelehnt (siehe Bildersturm); die protestantischen Bürger wollten ihre Religiosität, ihre Lebensführung und ihre ureigenen Themen und Probleme – in erster Linie also sich selbst in ihrem beruflichen und privaten Umfeld – verewigt sehen. Dies führte zur Ausprägung neuer Bildgattungen und zur Erfindung neuen Bildthemen. Es entstanden geradezu massenweise Einzelportraits und Gruppenbildnisse, auf denen die Familie, die Verwandtschaft, die Gildemitglieder, das Ratskollegium oder Festivitäten und Feierlichkeiten festgehalten waren; Stillleben gewährten Einblicke in das tägliche Leben des Bürgertums in protzigen Interieurs hinter äußerlich belanglos und streng daher kommenden schmalen Bürgerhäusern.
Eine noch nie da gewesene Spezialisierung innerhalb der Malerei setzte ein. Willem Claesz. Heda und Willem Kalf standen für das Stillleben. Ihre „Ontbijtjes“, ihre „Imbiss“-Stillleben, hatten sie auf wenige Gegenstände reduziert, die sie mit geringen kompositorischen Änderungen wieder und wieder variierten. Jan van Goyen, Jacob van Ruisdael und Meindert Hobbema für die Landschaftsmalerei, Jan Steen, Adriaen van Ostade und Adriaen Brouwer für die Bauernsatire, Gerard Terborch und Pieter de Hooch für das Gesellschaftsstück[11], Pieter Jansz Saenredam und Emanuel de Witte für die Architekturmalerei, Thomas de Keyser und Frans Hals für Porträts.
Paulus Potter schließlich malte Rinder, Philips Wouwerman Pferde, hauptsächlich Schimmel, Melchior d’Hondecoeter Geflügel, Willem van de Velde konzentrierte sich auf Schiffe, Jan van Huysum hatte sich auf Blumen und Abraham van Beijeren auf Austern, Hummer und Früchte spezialisiert, während Pieter Claesz der Mann für feines Silberzeug war.
Ein weiterer ganz trivialer Grund des Bilderüberflusses war der enorme Überhang an Kapital, erwirtschaftet aus spekulativen oder riskanten Geldgeschäften anlässlich Seefahrts- und Kolonialabenteuern, das nicht vollständig nutzbringend angelegt werden konnte. Der Kauf von Einrichtungs- und Dekorationsgegenständen, besonders Bildern, wurde eine beliebte Geldanlage, an der sich auch kleine Leute beteiligen konnten.
Die Preise der auch auf Jahrmärkten angebotenen Bilder waren im Allgemeinen sehr niedrig, und der wachsende Bedarf zog eine rasante Erhöhung der Produktion und damit ein stetiges Anwachsen des Malerstandes nach. Die Überzahl von Künstlern führt zur Entwicklung eines buchstäblichen Kunstproletariats und es entstand geradezu eine Bilderindustrie. Viele, heute hochgeschätzte Maler mussten ihren Lebensunterhalt anderweitig finanzieren, die wenigsten konnten allein vor der Malerei leben. Jan Steen betrieb ein Wirtshaus, Jakob Ruisdael war Arzt, Jan van Goyen handelte mit Tulpen, Meindert Hobbema war Steuereintreiber, die Malerfamilie van de Velde betrieb ein Leinwandhaus. Viele Künstler nahmen auch Arbeit als so genannte Grobmaler – also Anstreicher – an, wenn die Aufträge als Feinmaler ausblieben. Beide, Grob- und Feinmaler, gehörten jedenfalls noch lange derselben Gilde an.
Singuläre Spitzenkräfte wie Rembrandt oder Vermeer waren keineswegs zeittypisch und wurden in ihrer Genialität damals von nur wenigen erkannt. Im Gegensatz zu ihren hoch spezialisierten Kollegen machten sie sich verschiedene Genres zu Eigen und hinterließen ein vielseitiges Œuvre.
Das große Geld aber verdienten andere, wie zum Beispiel Gerard Dou und Hondhorst: Maler, die für die Hofhaltung des Statthalters arbeiteten oder – wie Rubens – sich gleich im feudal und klerikal verbliebenen Flandern niederließen beziehungsweise Hofmaler in Italien oder Spanien wurden.
Mit dem neuen Interesse am Gemälde und der Kommerzialisierung der Kunstproduktion entstand auch ein neues Verhältnis zwischen Maler und Auftraggeber – ein neuer Beruf, der Geld an der Kunstproduktion verdiente: Der des Kunsthändlers beziehungsweise Bildermaklers. [12] Produziert und gekauft wurden ausschließlich Staffeleibilder mit vorwiegend profanen Themen; eine Nachfrage nach Altarbildern oder anderen großformatigen religiösen Gemälden bestand wegen des protestantischen Bekenntnisses nicht. Da die meist kleinformatigen und dementsprechend mobilen Bilder oft nicht auf Bestellung, sondern für den freien Markt und einen sich beständig erweiternden Kreis an bürgerlichen Sammlern geschaffen wurden, entstanden sowohl ein reger Kunsthandel als auch das Ausstellungswesen.
[Bearbeiten] Architektur
„Eine schöne Stadt, Amsterdam. Auch der Verbannte bewundert die nobelschlichte Architektur der alten Patrizierhäuser, spürt den etwas verwunschenen Reiz der Grachten.“
– Thomas Mann (1935)
Auch auf dem Gebiet der Architektur und des Städtebaus haben die Niederlande eine lange Tradition vorzuweisen. Stand das 16. Jahrhundert noch ganz im Zeichen einer Auseinandersetzung mit der italienischen Renaissance, die gegen Ende des Jahrhunderts vom Manierismus zum Frühbarock überleitete (hier besonders die Arbeiten des städtischen Baumeisters Lieven de Key (1560–1627) mit dem Rathaus und der Fleischhalle in Haarlem), setzte ansonsten schon Anfang des 17. Jahrhunderts ein an Palladio angelehnter, sich schnell zum strengen holländischen Klassizismus entwickelnder Stil ein, der mit seinem fast puritanischem Willen zur Vereinfachung dem damaligen „Zeitgeist“ als Gegenmodell zum barocken Feudalismus sehr entgegenkam.
Als Meisterwerk von Jacob van Campen, dem Begründer des nordniederländischen Klassizismus, gilt das 1642 bis 1648 errichtete ehemalige Amsterdamer Rathaus (stadhuis), in dem sich heute der Königliche Palast befindet. Es demonstrierte die Vormachtstellung der Stadt Amsterdam in der einflussreichsten Provinz Holland der niederländischen Generalstaaten und ist zugleich der größte Bau dieser Art in seiner Zeit – im übrigen gleichzeitig auch eine ingenieurtechnische Meisterleistung, mussten doch zunächst 13 569 Pfähle in den sumpfigen Boden gegründet werden. [13]
Durch die florierende Wirtschaft breiteten sich die Städte schnell aus. Der auf der morastigen Amstelmündung entstandene Amsterdamer Grachtengürtel mit seinen Grachtenhäusern spiegelt die wirtschaftliche und kulturelle Blüte wider, die die Stadt erlebte. Hier und in den anderen niederländischen Städten wirkte besonders der Architekt Hendrick de Keyser (1565-1621), der neben zahlreichen Amsterdamer Kirchen, öffentlichen Gebäude und privaten Herrenhäuser auch das Delfter Rathaus errichtete.
Dem stand Den Haag nur wenig nach, das sich zur eleganten Diplomatenstadt mauserte, wo van Campen und Pieter Post 1640 Moritz von Nassaus Stadtpalais Mauritshuis errichteten [14] und wo auch Bartholomeus van Bassen (Bartholomeus van Bassen) zahlreiche Kirchen, Brücken und öffentliche Gebäude, aber auch Hofjes errichtete, in denen ein Teil der ärmeren Bevölkerung unterkam. Utrecht am Rheindelta erlebte mit seinen hochherrschaftlichen Giebelhäusern und vielen Kirchen und Klöstern genauso einen Bauboom, wie Leiden, Haarlem oder Gouda. Auch Delft, wo Architekten wie Hendrik Swaef oder Paulus Moreelse wirkten, entwickelte sich zu einem blühenden Handelszentrum, in dem Tuchweberei, Bierbrauerei und Porzellanmanufakturen angesiedelt waren. Hier wurden aber nur wenige öffentliche Gebäude im klassizistischen Stil errichtet, hingegen mehr auf bereits bestehende Gebäude zurückgegriffen. Das beste zeitgenössische Beispiel ist die Vleeshal (Fleischhalle) von Swaef aus dem Jahr 1650.
Typisch für viele zeitgenössische Architekten war es, dass sie ursprünglich Architekturmaler oder Bildhauer waren und zusätzlich Innenräume, ja auch Möbel entwarfen und somit das gesamte Intérieur der Bauwerke komponierten. Die Innenausstattung der Zunft- und Wohnhäuser zeigten im übrigen weiter oft deutliche französische, teilweise barocke Einflüsse.
[Bearbeiten] Druckkunst
Auch Buchdruck und die Buchverlage erlebten eine Blüte. Viele Bücher über Religion, Philosophie und Wissenschaft, die im Ausland umstritten gewesen oder verboten worden wären, konnten in den Niederlanden gedruckt und verbreitet werden. So entwickelte sich die Niederländische Republik während des 17. Jahrhunderts zu Europas Verlagshaus. Amsterdam, das erst 1500 die erste Druckerei erhielt, erlangte neben Leiden als Druckplatz insbesondere durch die an beiden Orten tätige Druckerfamilie Elzevir hohe Bekanntheit.
Die Niederlande hatten bereits im 16. Jahrhundert eine führende Stellung im Druckgewerbe inne und sollten sie auch im 17. Jahrhundert beibehalten. Der Schwerpunkt der niederländischen Buchproduktion verschob sich von Antwerpen nach Leiden und Amsterdam als neue Druckzentren. So erschienen sogar die späteren Werke Galileis in Leiden, und da blieb es natürlich nicht aus, dass auch viele andere Autoren dort nicht nur drucken ließen, sondern sich vor Ort niederließen, um ihre literarischen Aktivitäten dorthin zu verlagern. Allerdings konnte die Buchdruckerkunst des Christoph Plantin, dessen Antwerper Druckerei als „achtes Weltwunder“ die Augen der gelehrten Welt auf sich zog, nicht gehalten werden. Es entwickelte sich vielmehr – wegen der nachkriegsbedingten Materialknappheit und der extrem hohen Nachfrage – eine deutlich geringere Qualität in Papier, Druckfarben und Einband; auch erschienen die ersten Paperbacks auf dem Markt.
Noch in den Kriegswirren des ausgehenden 16. Jahrhunderts war Plantin – um dem massiven Eingriff der staatlichen und kirchlichen Zensur zu entgehen – von Antwerpen nach Leiden übersiedelt. Innerhalb von zwei Jahren baute er wieder einen großen Betrieb auf, den er – mittlerweile im fortgeschrittenen Alter – seinem Schwiegersohn Franciscus Raphelingus zur Weiterführung überließ, der allerdings nicht so erfolgreich war und 1620 die Bestallung als Akademiedrucker an Isaac Elzevir verlor. Mit Plantin war auch Louis Elzevir (1540–1617) aus Antwerpen geflüchtet. Da er kein Kapital für eine eigene Druckerei aufbringen konnte, eröffnete er ein Buchgeschäft und knüpfte gute Beziehungen zur Leidener Universität, von denen seine Erben nach seinem Tod profitierten. Seine Söhne Mathijs und Bonaventura wurden Buchhändler, Louis der Jüngere übernahm die Filiale in Den Haag und Joost die in Utrecht. Wenige Jahre später begründete Neffe Isaac Elzevir (1596–1651), nachdem er reich geheiratet hatte, eine Universitätsbuchdruckerei in Leiden. Das Druckhaus wurde schnell sehr erfolgreich, ging allerdings im frühen 18. Jahrhundert unter (wohingegen aus dem Den Haager und Utrechter Zweig der Familie später weitere Druckereien hervorgingen, die den Namen bis heute bekannt gehalten haben).
Die Elzevirs waren keine gelehrten Buchdrucker wie etwa Manutius oder Estienne, aber sie verfügten über wichtige Kontakte in der damaligen wissenschaftlichen Welt. So ließ „alles, was Rang und Namen hatte“, bei ihnen drucken: Bacon, die Brüder Pierre und Thomas Corneille, Comenius, Descartes, Thomas Hobbes, Hugo Grotius, Milton, La Rochefoucauld, um nur einige Namen zu nennen und nicht zu vergessen Molière, von dem die Elzevier 24 Theaterstücke herausbrachten und dazu zwei Gesamtausgaben.
Auf dem Gebiet der Kartographie war Elzevir hingegen nicht tätig. Mit den Mercatorkarten, die von Jodocus Hondius publiziert wurden, begann die große Zeit der niederländischen Kartenkunst und wurde Amsterdam zum Zentrum der Karten- und Globenproduktion, wo sich auch der bedeutendste Hersteller, William Janszoon Blaeu niedergelassen hatte.
[Bearbeiten] Literatur
Das 17. Jahrhundert gilt als das bislang bibliographisch am schlechtesten erschlossene Jahrhundert. Dennoch wissen wir einiges über die damalige Literatur der Niederlande.
In der Renaissancezeit entwickelte sich ein von der Reformation geprägter Humanismus. Den starken Einfluss der klassischen Dichter, besonders des Tacitus, zeigen die Nederlandsche histooriën (1642–54) des Historikers P. C. Hooft, der mit seinen Gedichten die französische und italienische Lyrik in den Niederlanden einführte und auch Hirtenspiele und Dramen schrieb. Klassische Dramen wurden mit der Einheit von Ort, Zeit und Handlung geschrieben, wie es von Aristoteles vorgeschrieben war.
Mit seinen biblischen und vaterländischen Dramen gilt Joost van den Vondel als Dichter von klassischem Rang. Seine bekanntesten Werke sind Gijsbrecht van Aemstel (1637) und Lucifer (1654), die heute noch verlegt und aufgeführt werden. Als Kommödiendichter (De Spaanse Brabander von 1617) wurde der auch als Lyriker bedeutende Gerbrand Adriaenszoon Bredero geschätzt.
Weitere bedeutende Autoren waren der Moralist Jacob Cats, der Diplomat Constantijn Huygens, der Kupferstecher Jan Luyken, der führende zeitgenössische Dichter des niederländischen Südens Justus de Harduyn (1582-1636), der religiöse Lyriker Jacob Revius (1586–1658), dessen Statenbijbel 1637 erschien, der Dichter und Dramatiker Willem Godschalk van Focquenbroch (1630–1674), der Dichter und Illustrator Jan Luyken (1649–1712), dessen Werke teilweise bis heute verlegt werden, Karel van Mander (1548–1606), der unter anderem Schilderboeck, ein Buch über die Malerei, schrieb sowie der Komödienschreiber Thomas Asseleyn (1620–1701).
Auch der Universalgelehrte Grotius muss als Literat genannt werden. Sein Hauptwerk ist die juristische Studie De Jure Belli ac Pacis libri tres, in der er den Krieg rechtfertigt, wenn es keine anderen Mittel zur Bewältigung eines Konfliktes gibt und mit der er wichtige Grundlagen des Völkerrechts legt. In der Studie mit dem Titel Mare Liberum erklärt er die Meere zu internationalen Gewässern, nicht einem bestimmten Herrscher gehören können. Dieses Werk wurde zur Grundlage des modernen Seerechts.
Das berühmteste Werk des niederländischen Philosophen Spinozas Ethica, ordine geometrico demonstrata, in dem er mit Hilfe der Mathematik die jüdisch-mystische Tradition und das von der Vernunft geprägte, wissenschaftliche Denken in einer allumfassenden Vision miteinander vereint. Gemeinsam mit Voltaire und Descartes war Spinoza einer der Begründer der Aufklärung.
[Bearbeiten] Bildhauerei
Die niederländische Bildhauerkunst konnte von den Errungenschaften des 17. Jahrhunderts nicht in dem Maße profitieren, wie die anderen Schönen Künste.
Ab 800 n. Chr. wurden Bildhauerarbeiten hauptsächlich als architektonischer Schmuck für Fassaden und Grabmäler verwendet und ab dem 11. Jahrhundert kamen Kult- und Heiligenbilder hinzu. Widersprachen schon die gradlinigen, schnörkellosen Formen des Klassizismus gegenüber der Verspieltheit und Figurbetonung von Rokoko und Barock einem Einsatz allzu vieler dekorativer Elemente, so betrafen gerade Statuen das gespannte Verhältnis der protestantischen Kirche zur Bildenden Kunst. Ein weiterer Grund für die schwache Nachfrage war der Rückzug der Aristokratie aus dem Land.
Dennoch wurden Skulpturen für Regierungs- und private Gebäude sowie kirchliche und weltliche Außenanlagen in Auftrag gegeben. Daneben gab es einen größeren Kundenkreis für profane Kunst; beispielsweise waren Skulpturen für Grabsteine und Büsten begehrt.
Die führenden niederländische Bildhauer des 17. Jahrhunderts waren der bereits oben als Architekt besprochene Hendrick de Keyser, der 1618 auch die Erasmus-Statue in Rotterdam schuf, das erste nicht religiöse Standbild der Niederlande, Artus Quellinus I., Artus Quellinus II. und Rombout Verhulst, alle aus den südlichen Niederlanden. Weiterhin zu nennen sind Bartholomeus Eggers (1637-1892), der zwar einen Auftrag für das Mauritshuis erhielt, ansonsten aber hauptsächlich für den Kurfürsten von Brandenburg arbeitete sowie Johannes Blommendael (1650-1704), der ebenfalls hauptsächlich für deutsche Auftraggeber arbeitete.
[Bearbeiten] Musik
Auch im Goldenen Zeitalter blieb die Musik der Niederlande weitgehend bedeutungslos. Einflüsse aus dem Ausland dominierten im Zeitalter eines Johann Sebastian Bach und anderer Barock-Komponisten natürlich weiterhin die Musik der Niederlande, die keinen eigenen Stil ausbildete.
Musizieren in den Familien war ein bevorzugter Zeitvertreib des 17. Jahrhunderts. Gebräuchliche Instrumente waren Laute, Cembalo, Gambe (Kniegeige) und Flöte. Viele Gesangbücher wurden veröffentlicht.
Von der Mitte des 17. Jahrhunderts an wurden lyrische Dramen, Ballett und Opern in der Amsterdamse Schouwburg (eröffnet 1638) aufgeführt, häufig französischen und italienischen Ursprungs.
Lediglich Constantijn Huygens, Jan Pieterszoon Sweelinck, Organisten und Komponisten von Oratorien und Kantaten, Adriaen Valerius (1575-1625), Dichter von geistlichen und patriotischen Liedern (Geusenlieder[15]), der Glockenspieler Jacob van Eyck sowie der bereits als Autor besprochene Constantijn Huygens mit schätzungsweise 800 Stücken, konnten eine gewisse, wenn auch heute überwiegend vergessene Bedeutung erlangen.
[Bearbeiten] Niedergang
- Der schwindelnde Aufstieg der Holländer im goldenen Zeitalter konnte in der weltpolitischen Rivalität mit den Großmächten nicht durchgehalten werden. Dazu fehlten der doch recht kleinen Nation der Niederlande schlicht die entsprechenden Dimensionen und Ressourcen an Land und Leuten. Man hat seine Möglichkeiten überspannt, die für Holland eine Zeitlang so glücklichen äußeren Umstände änderten sich wieder, die Realität der Nachgeborenen wird eher medioker, die Wahnsinnspreise für die Tulpen ebenso, und die Wale verschwinden wieder von den Küsten. [16]
Das Jahr 1672 ist in den Niederlanden als Rampjaar bekannt - das Katastrophenjahr, in dem England, Frankreich, Köln und Münster der Republik den Krieg erklärten, die gleichzeitig mit erheblichen innerpolitischen Unruhen zu kämpfen hatte. Es kam zum dritten Englisch-Niederländischen Krieg, nach deren Ende Jakob II. von England nach Frankreich floh. Jakobs Tochter Maria wurde zur Königin erklärt; sie sollte zusammen mit ihrem Ehemann Wilhelm III herrschen, der seit 1672, nach dem Sturz Johan de Witts, Statthalter, Generalkapitän und Admiral der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande war.
Im Laufe der Regierungszeit des Paares gelang es dem englischen Parlament auch gegen den königlichen Widerstand, seine Rechte wesentlich zu erweitern. So wurde beispielsweise die Bill of Rights verabschiedet, die parlamentarische Verantwortlichkeit von Ministern durchgesetzt. Die politische Elite begann, die wirtschaftlichen Interessen des zu koordinieren und zu unterstützen. 1694 wurde die Bank von England als erste Staatsbank gegründet; das Parlament garantierte die Deckung der Staatsanleihen und schaffte so Vertrauen. Staatsinteresse und Kapitalinteresse begannen, sich eng zu verknüpfen.
Das Erstarken Englands läutete gleichermaßen das Ende der Goldenen Zeitalters der Niederlande ein, auch wenn der Geschichtsverlauf nicht ganz verkürzt auf die These von Aufstieg, Blüte und Verfall beschrieben werden kann. Nach 1680 verschlechterte sich für die Niederländische Ostindien Kompanie erstmals die Situation. In Europa sanken die Pfefferpreise und stieg gleichzeitig die Nachfrage nach Textilien aus Indien, Kaffee aus Mokka und Tee aus China. Die Kompanie verfügte aber zum einen über zu wenig Edelmetall zum Ankauf dieser Produkte in Asien - was zu ständigen Kreditaufnahmen führte -, zum anderen hatte sie sich bei diesen nicht monopolisierten Produkten mit der englischen Konkurrenz auseinander zu setzen, die gerade finanziell erstarkten.
Die wachsenden Kosten des Überseehandels wurden für die Kompanie wie das ganze Land zu einer immer stärkeren Belastung. Fehler in strategischen Entscheidungen im Mutterland, aber auch Korruption und Bereicherung der Beamten durch einen ausgedehnten Privathandel förderten den Niedergang. Den Todesstoß für die angeschlagene Kompanie versetzten aber der 1780 ausbrechende Kolonialkrieg mit Großbritannien, in dessen Folge die Niederlande Teile ihres Kolonialbesitzes an Großbritannien abtreten mussten sowie französische Revolutionstruppen, die im Bündnis mit der demokratisch-bürgerlichen Patriotenpartei die Batavische Republik begründeten. Da die VOC als Repräsentantin der konservativen niederländischen Oligarchie schlechthin galt, ging am 31. Dezember 1799 das hoch verschuldete Unternehmen samt seiner asiatischen Besitzungen in das Eigentum der Republik über.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Anmerkungen
- ↑ Huizingas Geschichtsverständnis ist von seinem Studium der Sprachwissenschaften und seiner Begeisterung für Kunst - insbesondere Malerei - geprägt. Er begreift Geschichtsschreibung als bildhaft-intuitive Mentalitäts- bzw. Kulturgeschichte. Sein bekanntestes Werk ist Herbst des Mittelalters (1919), das heute als Klassiker der europäischen Historiographie des 20. Jahrhunderts gilt.
- ↑ Zu den damaligen Machtverhältnissen im Ostseehandel und der Konkurrenz zur Hanse siehe: Hanse#Krisen_und_Niedergang_.28etwa_1400_bis_1669.29
- ↑ So fragt M. North in Geschichte der Niederlande: „Wie konnte ein solch kleines Land mit weniger als 2 Millionen Einwohnern und ohne natürliche Reichtümer im 17. Jahrhundert, einer allgemeinen Krisenzeit, zur führenden Wirtschaftsmacht aufsteigen?“
- ↑ Michael North (Hg.): Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts.
- ↑ „Die holländische Republik (1579-1795) wird oft als Geburtsort der modernen Demokratie genannt. ... Es bestehen einige Belege dafür, dass die holländische Unabhängigkeitserklärung, die 'Plakkaat van Verlatinghe' (1581), der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die von Jefferson 1776 geschrieben wurde, als Vorlage diente (Lucas, 1994). Die Republik wurde föderalistisch organisiert. Die Städte und die Provinzen hatten dabei mehr Kompetenzen als die nationale Ebene („Stadtgesetz bricht Landesgesetz“). Das 'Staatsoberhaupt', der stadholder, war ein Angestellter mit wenig Macht. Wenn der Estates-General (eine Art Tagsatzung) etwas entscheiden wollte, mussten die Vertreter zur Konsultation zurück in die Provinzen.“ (Europa Magazin, Nr 3/2000, online abrufbar unter [1])
- ↑ Michael North (Hg.): Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts.
- ↑ Handelsfreiheit oder Freihandel bedeutet im engern Sinn und im Gegensatz zum Zollschutz der durch Schutzzölle nicht beengte internationale Handel.
- ↑ Helmut Kaechele: Das goldene Zeitalter der Niederlande und sein Reflex in der Malerei.
- ↑ Ekkehard Mai: Gillis Mostaert (1528 - 1598). Ein Antwerpener Maler zur Zeit der Bruegel-Dynastie. Edition Minerva 2005. ISBN 3932353935.
- ↑ Helmut Kaechele: Das goldene Zeitalter der Niederlande und sein Reflex in der Malerei. [2]
- ↑ Ein Gesellschaftsstück ist eine Variation des Genrebildes, das bäuerliche Festlichkeiten thematisiert
- ↑ Michael North: Das Goldene Zeitalter.
- ↑ http://www.carillon-towers.net/paleis.htm: 't Stadthuis t'Amsterdam
- ↑ Im übrigen der erste in den Niederlanden in Grund- und Aufriss rein klassizistische Bau auf Grundlage der italienischen Architekturtheorie.
- ↑ Geusen waren niederländische Freiheitskämpfer gegen die Spanier im 16. Jahrhundert.
- ↑ Helmut Kaechele: Das goldene Zeitalter der Niederlande und sein Reflex in der Malerei.
[Bearbeiten] Literatur
- Michael North: Das Goldene Zeitalter. Böhlau 2001. ISBN 3412137006.
- Michael North: Geschichte der Niederlande. C.H.Beck 1997. ISBN 3406418783.
- Johan Huizinga: Herbst des Mittelalters. Kröner 2006. ISBN 3520204126.
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Maler des Goldenen Zeitalters der Niederlande – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
- De Nederlandse Geschiedenis. Herausgegeben vom Niederländischen Außenministerium.
- Amsterdams Centrum voor de Studie van de Gouden Eeuw. Ein Projekt der Universität Amsterdam.
Dieser Artikel befindet sich derzeit im Reviewprozess. Sag auch dort deine Meinung und hilf mit, ihn zu verbessern! |