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Westliche Welt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Begriff westliche Welt oder der Westen kann je nach Kontext verschiedene Bedeutungen haben. Während er ursprünglich die westeuropäische Kultur definierte, wird er heute meistens auf die Gesellschaften West- und Mitteleuropas sowie Nordamerikas bezogen. Dazu gehören auch die genealogisch, linguistisch und philosophisch eng verwandten Kolonien, deren ethnische Identität und dominierende Kultur von Europa abgeleitet wurden.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Westliche Länder

Um zu definieren, was typisch für die westliche Gesellschaft und Kultur ist, muss man den Kontext verstehen. Die Definitionen von Westen (auch Okzident genannt) unterscheiden sich je nach Zeit und Kontext. Es ist nicht immer klar, welche Definition benutzt wird.

[Bearbeiten] Historische Einteilungen

[Bearbeiten] Hellenisch

Die hellenistische Unterscheidung zwischen Griechen und Barbaren nimmt die Trennung in Ost und West vorweg. Man unterschied zwischen der griechisch sprechenden Kultur des Hauptlands Griechenland, der ägäischen und ionischen Küste sowie Magna Graecia in Süditalien und den umgebenden nicht-griechischen Kulturen des Perserreiches, der Phönizier und Ägypten. Die Einteilung kann man bis zum Trojanischen Krieg zurückverfolgen, der traditionell von 11941184 v. Chr. datiert wird. Sofern er eine historische Basis hatte, wurde der Konflikt zwischen den Achaiern und den nicht-griechischen Trojanern im Westen Anatoliens ausgetragen. Die Griechen betrachteten die Perserkriege des frühen 5. Jahrhunderts v. Chr. als Konflikt zwischen Ost und West.

[Bearbeiten] Römisches Reich

Der Mittelmeer-Raum wurde von den Römern vereint, aber es blieben Unterschiede zwischen der westlichen Hälfte des Reiches, in der hauptsächlich Latein gesprochen wurde, und der urbanisierten östlichen Hälfte, wo Griechisch die Lingua franca war. Im Jahre 292 teilte der römische Kaiser Diokletian das römische Reich in zwei Regionen auf, von denen jede von einem Augustus und einem Caesar (der Tetrarchie) verwaltet wurden. Der östliche Teil entwickelte sich zum Byzantinischen Reich, einer christlichen Theokratie, in der der Kaiser auch der Herrscher im spirituellen Leben war (Cäsaropapismus).

[Bearbeiten] Christlich

Die Unterscheidung zwischen den westlichen und östlichen Teilen der christlichen Welt blieben während des Mittelalters bestehen, trotz einer nominellen Einheit (dem Konzept des Christentums), das durch die Eroberungen christlicher Länder durch muslimische Araber und Türken entstand. Die Franken unter Karl dem Großen errichteten ein westliches Reich, das als Heiliges Römisches Reich vom Papst anerkannt wurde und den Kaiser von Byzanz angriff. Die Kirche nach römischem Ritus, die in West- und Mitteleuropa vom Papst (dem Patriarchen von Rom) angeführt wurde, brach während des Großen Schismas mit den östlichen, griechisch sprechenden Patriarchen. Beide Kirchen breiteten sich während des Mittelalters aus. Skandinavien, Deutschland, Großbritannien und andere nicht-christliche Länder im Nordwesten wurden von der westlichen Kirche konvertiert, während Russland und große Teile Osteuropas von der östlichen Kirche beeinflusst wurden. Lateinische und fränkische Kreuzritter eroberten die byzantinische Hauptstadt Konstantinopel 1204 während des Vierten Kreuzzugs und gingen gnadenlos gegen die „ungläubigen“ Muslime vor. Bis heute ist das von „Franken“ abgeleitete farang der arabische (und auch thailändische) Ausdruck für einen Fremden.

[Bearbeiten] Kalter Krieg

Bipolare Staatenwelt in der Phase des Kalten Krieges mit der westlichen Welt
Bipolare Staatenwelt in der Phase des Kalten Krieges mit der westlichen Welt

Während des Kalten Krieges entstand eine neue Definition. Die Erde wurde in drei „Welten“ aufgeteilt. Zur Ersten Welt gehörten die NATO-Mitglieder und andere Verbündete der USA. Die Zweite Welt war der Ostblock unter dem Einfluss der Sowjetunion, zu dem auch die Länder des Warschauer Pakts gehörten. Die Dritte Welt bestand aus den blockfreien Staaten, darunter Indien, Jugoslawien und zeitweise China, obwohl manche es für angebracht halten, die letzten beiden wegen ihrer kommunistischen Ideologie in der Zweiten Welt einzuordnen.

Es gab einige Staaten, die nicht in dieses Schema passten, darunter die Schweiz, Schweden und Irland, die sich für die Neutralität entschieden. Finnland stand unter dem Einfluss der UdSSR, blieb aber neutral und war weder kommunistisch noch Mitglied des Warschauer Paktes oder des Comecon. Als Österreich 1955 eine unabhängige Republik wurde, geschah dies unter der Bedingung, neutral zu bleiben, aber als ein Staat westlich des Eisernen Vorhangs war es unter dem Einfluss der USA. Die Türkei war Mitglied der NATO, wurde aber nicht als Teil der Ersten oder westlichen Welt angesehen. Spanien trat erst 1982, kurz vor dem Ende des Kalten Krieges und nach dem Tod des autoritären Diktators Franco, der NATO bei. Die westliche Welt wurde bis auf die genannten Ausnahmen zum Synonym für die Erste Welt.

Griechenland und Portugal waren wie die Türkei NATO-Mitglieder, wurden aber erst als Teil des Westens anerkannt, nachdem sie die Demokratie eingeführt und während der 1970er Jahre ihre Wirtschaft an die Standards der ersten Welt angeglichen hatten. Australien und Neuseeland sowie später Israel und Zypern wurden keine NATO-Mitglieder, aber wegen ihrer Demokratie, des hohen Lebensstandards und der europäischen Kultur Teile der Ersten Welt.

[Bearbeiten] Nach dem Kalten Krieg

Nach dem Ende des Kalten Krieges, wurde der Begriff „Zweite Welt“ nicht mehr gebraucht und „Erste Welt“ bezog sich nun auf die demokratisch, finanziell und industriell entwickelten Länder, die zum größten Teil mit den USA verbündet waren. Als „Dritte Welt“ bezeichnete man nun die armen, nicht industrialisierten Entwicklungsländer. Der Begriff „westlich“ verlangt demnach also weniger eine geographische als eine kulturelle und ökonomische Definition.

  • Afrikanische Historiker können von westlichen Einflüssen durch europäische Staaten, die im Norden liegen, und den westlichen Staat Südafrika im äußersten Süden sprechen.
  • Australien und Neuseeland sind angelsächsische, westliche Staaten, die südlich von Ostasien liegen.
  • Internationale Firmen aus den USA können als fremde Einflüsse in Europa betrachtet werden, aber als westlich bezeichnet werden, wenn ihre Präsenz in Asien gesehen (und manchmal kritisiert) wird.
  • Ökonomisch können die im fernen Osten gelegenen Staaten Japan, Südkorea, Taiwan, Hongkong und Singapur als westlich oder Erste Welt angesehen werden, obwohl sie kulturell nicht-westlich bleiben.

Heute unterscheiden sich die Menschen in ihren Definitionen der westlichen Welt und die verschiedenen Definitionen überlappen sich nur teilweise. Es gibt sicherlich nicht-westlich Industrieländer, nicht alle westlichen Länder sind NATO-Mitglieder usw.

[Bearbeiten] Weitere Definitionen

Da der Begriff „westliche Welt“ keine verbindliche internationale Definition besitzt, benutzen Regierungen für internationale Verträge andere Definitionen. In akademischen Artikeln wird er nur im Kontext von Gebieten und Zeiten benutzt, die unter dem direkten Einfluss des weströmischen Reiches standen.

„Westliche Welt“ ist oft gleichbedeutend mit „Erste Welt“, um den Unterschied zu den Entwicklungsländern der Dritten Welt zu betonen. Der Ausdruck „der Norden“ hat in einigen Kontexten den Begriff „der Westen“ ersetzt, v. a. wenn es um Kritik und eine stärkere Abgrenzung zwischen West und Ost geht. Der Norden liefert einige geographische Hinweise für die Lage reicher Staaten, von denen die meisten in der nördlichen Hemisphäre liegen. Da aber allgemein die meisten Länder in dieser Region liegen, wurde diese Unterscheidung von einigen als unbrauchbar betrachtet.

Die 30 Staaten in der OECD, zu denen die Mitgliedsländer der EU, Norwegen, Island, die Schweiz, Kanada, die USA, Mexiko, Australien, Neuseeland, die Türkei, Südkorea und Japan gehören, sind in etwa mit der „Ersten Welt“ identisch, obwohl einige wenige Länder wie die Türkei und Mexiko nicht zu den Industriestaaten gehören.

Die Existenz von „der Norden“ impliziert die Existenz von „der Süden“ und die sozio-ökonomische Grenze zwischen Norden und Süden. Obwohl Israel, Zypern und Taiwan keine OECD-Mitglieder sind, könnten sie auch als westliche oder nördliche Staaten betrachtet werden, da ihre Lebensstandards sowie die sozialen, ökonomischen und politischen Strukturen denen der OECD ähnlich sind.

Der „Westen“ kann auch auf die kulturellen und sozialen Bedingungen der westlichen Gesellschaft bezogen werden. In diesem Zusammenhang könnte man Südamerika wegen der Hochkultur und Literatur als Teil des Westens auffassen.

Der Begriff wird außerdem von den Kritikern des westlichen Einflusses und der Geschichte des Imperialismus und Kolonialismus pejorativ benutzt.

Ethnologische Definitionen beziehen sich auf die westliche Kultur. Der britische Schriftsteller Rudyard Kipling schrieb über diesen Kontrast: „Osten ist Osten und Westen ist Westen und die beiden sollen sich niemals treffen.“ (“East is East and West is West and never the twain shall meet.”) Damit deutete er an, dass jemand aus dem Westen die asiatische Kultur nicht verstehen kann, weil die Unterschiede zu groß sind.

Im Nahen und Mittleren Osten (beide relativ zum westlichen gelegenen Europa) ist die Unterscheidung zwischen West- und Osteuropa weniger bedeutend; Länder, die Westeuropäer als Teil von Osteuropa ansehen (z. B. Russland), zählen im Mittleren Osten als westlich in dem Sinne, dass sie sowohl europäisch als auch christlich sind.

[Bearbeiten] Huntingtons Definition

1993 veröffentlichte Samuel Phillips Huntington den Artikel The Clash of Civilizations? im Journal Foreign Affairs, der 1996 zu einem Buch mit dem Titel The Clash of Civilizations and the Remaking of World Order (deutsch: Kampf der Kulturen) erweitert wurde.

Huntingtons These besagte, dass die Welt aus verschiedenen Zivilisationen bestehe und Konflikte zwischen diesen Zivilisationen die primären Spannungen in der Welt nach dem Kalten Krieg seien, die die ideologischen Konflikte (z. B. Kapitalismus vs. Kommunismus) ablösten. Die hauptsächlich katholischen und protestantischen Staaten West- und Mitteleuropas bilden demnach zusammen mit den USA, Kanada, Australien und Neuseeland die „euro-atlantische“ Zivilisation, die gemeinsame Wertsysteme teilen, welche durch den historischen Einfluss der Renaissance, der Reformation und der Aufklärung geformt wurden. Huntington und seine Anhänger setzen den Begriff „Westen“ ungefähr mit der euro-atlantischen Zivilisation gleich, wobei Ländern mit Wurzeln in anderen Zivilisationen wie Griechenland, die Türkei oder Japan sich mit dem Westen verbünden könnten, da sie westliche Ideen und Werte in ihre Gesellschaften aufgenommen haben.

Huntingtons These war einflussreich, aber keinesfalls allgemein akzeptiert; ihre Befürworter sagen, dass man damit moderne Konflikte wie die im früheren Jugoslawien erklären könne, während die Gegner befürchten, dass die Gleichsetzung von Werten wie der Demokratie mit der westlichen Zivilisation rassistische oder xenophobische Ansichten über nicht-westliche Gesellschaften verstärkt und eindeutig nicht-westliche Demokratie (z. B. Indien, das etwa ein Drittel aller Menschen, die weltweit in einem demokratischen System leben, umfasst) ignoriert.

Laut Huntington bilden die orthodoxen Nationen Südost- und Osteuropas eine spezielle „euro-asiatische“ Zivilisation; diese Länder wurden nicht durch die kulturellen Einflüsse der Renaissance, Reformation und Aufklärung geprägt und sind nicht im oben genannten Sinne westlich. Obwohl die Renaissance im orthodoxen Osteuropa tatsächlich nicht stattfand (auch wegen der osmanischen Herrschaft auf dem Balkan und der mongolischen Dominanz in Russland), waren die Renaissance und die Reformation auch im hauptsächlich katholischen Ungarn nicht erfolgreich. Die Reformation hatte im orthodoxen Osteuropa keinen Einfluss, da sie gegen die römisch-katholische Kirche gerichtet war und in diesen Gebieten keine Katholiken lebten. Die Aufklärung geschah in Russland vor allem durch die Reformen Peter des Großen.

Huntington betrachtete auch Lateinamerika als separate Zivilisation.

[Bearbeiten] Westliches Leben

Westliche Länder weisen im Vergleich zum Rest der Welt einen hohen Lebensstandard für die meisten Bürger auf. Sie verfügen auch über demokratische, weltliche Regierungen und sind Rechtsstaaten mit entwickelter Justiz, die den Bürger gewisse Rechte zugestehen. Außerdem prägen ein hohes Bildungsniveau und eine ähnliche, „moderne“ Popkultur die westliche Gesellschaft. Militärisch und diplomatisch sind die westlichen Länder seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs alle mehr oder weniger miteinander verbündet. Einige halten dies für die grundlegende Definition der westlichen Welt, weshalb Japan üblicherweise als westlich angesehen wird und Kolumbien nicht.

[Bearbeiten] Westliches Gedankengut

Der Begriff „westlich“ assoziiert man meistens mit der kulturellen Tradition, die ihre Ursprünge in der griechischen Philosophie und der christlichen Religion hat. Zu den zentralen Inhalten dieser Tradition gehören die Deduktion und der Rechtsstaat. Die christliche Religion, die 1500 Jahre lang großen Einfluss hat, verliert im 21. Jahrhundert in vielen westlichen Staaten zunehmend an Bedeutung, während die Säkularisierung und die Freidenker immer wichtiger werden. Eine Ausnahme bildet der Bible Belt im Süden der USA, wo Religion und Fundamentalismus bedeutend sind.

Die westliche Gesellschaft folgt einer Evolution, die mit den griechischen Philosophen aus Athen wie Solon und Sokrates begann. Sie setzte sich durch das Römische Reich fort und breitete sich – ergänzt durch das Christentum (das seine Ursprünge im Mittleren Osten hatte) – in Europa aus. Während der Kolonialzeit wurde sie in Amerika und Australasien eingeführt.

Im frühen 4. Jahrhundert machte Kaiser Konstantin der Große Konstantinopel zur Hauptstadt des byzantinischen Reichs. Das östliche Reich umfasste Gebiete östlich der Adria und am Rand des östlichen Mittelmeers sowie Teile des Schwarzen Meeres. Diese Trennung zwischen dem östlichen und westlichen Reich spiegelte sich in der Verwaltung der christlichen Kirche, in der Rom und Konstantinopel darüber stritten, wer die Hauptstadt der Christenheit sei. Als die beiden Kirchen ihren Einfluss ausbreiteten, bewegte sich die Grenze zwischen Ost und West, aber sie war kulturell durch die Existenz des byzantinischen Reiches und die schwankende Macht der Kirche in Rom definiert. Die kulturelle Grenze hatte weitreichende Folgen; sie existierte noch während des Kalten Krieges als ungefähre Westgrenze der mit der Sowjetunion verbündeten Länder.

Dennoch stellen viele die Bedeutung westlicher Werte in Frage und weisen darauf hin, dass Gesellschaften wie Japan und die USA sehr unterschiedlich sind. Außerdem betonen sie, dass Befürworter westlicher Werte selektiv vorgehen, wenn sie den Umfang von „westlich“ festlegen; z. B. berücksichtigen sie Konzepte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, aber weder den Totalitarismus, der zuerst im Westen entstand, noch die Sklaverei, die im Westen große Ausmaße annahm und deren Geschichte im Westen Jahrtausende zurückreicht. Daher kann man durch die Auswahl westlicher Werte tautologisch zeigen, dass diese überlegen sind, da untergeordnete Werte per Definition nicht westlich sind (vgl. Kein wahrer Schotte).

Ein anderer Angriff auf das Konzept der westlichen Werte kommt von den Befürwortern islamischer oder asiatischer Werte. Nach deren Ansicht gibt es Charakterzüge, die den Westen definieren, aber diese sind untergeordnet und werden üblicherweise mit moralischem Verfall, Gier und Dekadenz assoziiert. Die Vertreter dieser Ansicht zeigen sich besorgt über die „Verwestlichung“ der restlichen Welt.

Da die Länder des Westens im Allgemeinen diejenigen waren, die die Gebiete außerhalb Europas erforschten und kolonialisierten, verbinden einige den Begriff „westlich“ mit dem europäischen Kolonialismus. Allerdings haben auch andere Länder Kolonien errichten, so dass dies kein rein westliches Phänomen ist.

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