Fußball-Europameisterschaft 1996
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Die zehnte Fußball-Europameisterschaft der Herren wurde vom 8. bis 30. Juni 1996 in England ausgetragen. Das Endspiel im Londoner Wembleystadion zwischen Deutschland und Tschechien gewann Deutschland in der Verlängerung durch Golden Goal in der 95. Minute.
Seit dieser Europameisterschaft nehmen 16 Mannschaften in 4 Gruppen an der EM-Endrunde teil, während es davor nur 8 Mannschaften in zwei Gruppen waren.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Qualifikation der deutschsprachigen Mannschaften
Hauptartikel: Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 1996
Die Neuordnung in Europa führte zahlreiche junge Länder erstmals in die Qualifikation zur Europameisterschaft, was zu umfangreicheren Gruppen und viel mehr Spielen als früher führte.
Deutschland traf in Gruppe Sieben auf Bulgarien, Georgien, Wales, Moldawien und Albanien. Die deutsche Mannschaft setzte sich schnell an die Spitze der Gruppe, doch gab es zum Ende der ersten Saison 1995 einen kleinen Einbruch mit einem 1:1 zu Haus gegen Wales und einer 2:3-Niederlage in Bulgarien. Eine Revanche gegen Bulgarien für das Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 in den USA missglückte zunächst. Siege in den Rückspielen mit diesen stärksten Konkurrenten gaben dann dennoch Ausschlag für eine weitgehend problemlose Qualifikation der Mannschaft von Berti Vogts, bei der die deutsche Mannschaft allerdings nur selten ein Ausrufezeichen setzte. So konnten zum Beispiel gegen den späteren Gruppenletzten Albanien nur zwei knappe Siege eingefahren werden, zudem gelang es in den zehn Gruppenspielen trotz schwacher Gegner nur zweimal, zu Null zu spielen. Insgesamt machte Deutschland keinen überragenden Eindruck.
Österreich bekam es in der Gruppe Sechs mit Portugal, Irland, Nordirland, Lettland und Liechtenstein zu tun. Eine Heimniederlage gegen Nordirland und eine Niederlage in Portugal zeigte der Mannschaft Österreichs des Jahres 1994 schnell ihre Grenzen auf. Portugal konnte sich souverän als Gruppenerster qualifizieren. Österreich landete am Ende auf Platz vier und vergab die Chance auf einen Relegationsplatz durch eine 3:5-Niederlage in Nordirland.
In Gruppe Drei traf die Schweiz auf die Türkei, Schweden, Ungarn und Island und sorgte gleich mit einem Paukenschlag für Hoffnung bei den Eidgenossen. Der WM-Dritte von 1994 und Halbfinalist der letzten EM, Schweden, wurde mit 4:2 bezwungen. Mit dem Dortmunder Stéphane Chapuisat und dem eingebürgerten türkischstämmigen Kubilay Türkyılmaz hatten sie endlich Angreifer von europäischem Format, die bereits maßgeblichen Anteil daran hatten, dass die Schweiz an der WM 1994 in den USA teilnahm. Am letzten Spieltag standen dann die Schweiz und die Türkei punktgleich an der Spitze. Die Schweiz gewann mit 3:0 gegen Ungarn und die Türkei spielte in Schweden nur 2:2, qualifizierte sich dann aber über die Relegationsspiele.
[Bearbeiten] Spielstätten
- London (Wembley-Stadion)
- Birmingham (Villa Park)
- Leeds (Elland Road)
- Newcastle upon Tyne (St. James' Park)
- Manchester (Old Trafford)
- Liverpool (Anfield-Stadion)
- Sheffield (Hillsborough-Stadion)
- Nottingham (City Ground)
[Bearbeiten] Teilnehmer
Gruppe 1 | Gruppe 2 | Gruppe 3 | Gruppe 4 |
---|---|---|---|
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[Bearbeiten] Spielergebnisse
[Bearbeiten] Vorrunde
[Bearbeiten] Gruppe 1
Rang | Land | Tore | Punkte |
---|---|---|---|
1 | ![]() |
7:2 | 7 |
2 | ![]() |
3:4 | 4 |
3 | ![]() |
1:2 | 4 |
4 | ![]() |
1:4 | 1 |
England wollte unbedingt die Chance nutzen, im eigenen Land wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1966 endlich seinen zweiten Titel zu gewinnen. Für die WM 1994 in den USA konnte man sich nicht qualifizieren, doch hatte sich um Alan Shearer und Paul Gascoigne eine Mannschaft geformt, die die Engländer hoffen ließ. Das erste Spiel gegen die Schweiz endete jedoch mit einer Enttäuschung für die Engländer. Man bestimmte zwar das Spiel, führte aber nur mit 1:0 durch Shearer, als in der 86. Minute Türkyilmaz per Handelfmeter für die Schweizer den überraschenden Ausgleich besorgte.
Zum Glück für die Engländer erging es dem zweiten Favoriten der Gruppe, den Niederlanden, gegen Schottland nicht besser. Nachdem die Engländer das britische Duell für sich entschieden hatten und auch die Holländer die Schweiz bezwingen konnten, kam es zum alles entscheidenden Duell zwischen England und Holland. Die Schotten konnten mit einem Sieg gegen die Schweiz Nutznießer dieser Situation sein und damit einen Favoriten aus dem Turnier stoßen. In der ersten Halbzeit war das Spiel sehr ausgeglichen, aber die Engländer führten durch einen Elfmeter von Shearer mit 1:0. Bis zur 62. Minute dominierten die Engländern mit den Stürmern Alan Shearer und Teddy Sheringham die Niederländer und erhöhten die Führung auf 4:0. Zu diesem Zeitpunkt führte Schottland gegen die Schweiz mit 1:0, was das Ausscheiden für Holland bedeutet hätte. Sie hätten mindestens noch ein Tor benötigt, um noch als Gruppenzweiter ins Viertelfinale einziehen zu können. Patrick Kluivert erzielte dann in der 78. Minute den wichtigen Treffer zum 1:4.
[Bearbeiten] Gruppe 2
Rang | Land | Tore | Punkte |
---|---|---|---|
1 | ![]() |
5:2 | 7 |
2 | ![]() |
4:3 | 5 |
3 | ![]() |
3:4 | 4 |
4 | ![]() |
1:4 | 0 |
In Gruppe Zwei standen sich sehr ausgeglichene Mannschaften gegenüber. Rumänien kam mit der Empfehlung einer herausragenden WM 1994 mit ihrem Star Gheorghe Hagi, konnte jedoch nicht überzeugen und verlor jedes Spiel, vor allem weil Torjäger Florin Raducioiu nicht an seine Leistungen bei der WM anknüpfen konnte. Spanien galt wie bei allen Turnieren als Geheimfavorit, ihnen fehlte jedoch ein Weltklassestürmer. Bulgarien als WM-Vierter kam mit seinem Superstar Christo Stoitschkow ebenfalls mit sehr viel Vorschusslorbeeren nach England und Frankreich wollte das Turnier nutzen, um sich auf die Fußball-Weltmeisterschaft 1998 im eigenen Land vorzubereiten. Die Gruppe wurde dann am letzten Spieltag entschieden durch das 3:1 Frankreichs gegen Bulgarien. Luboslav Penev, eigentlich Torjäger, traf zum 0:2 ins eigene Tor. Der 1:3-Treffer durch Patrice Loko fiel in der Nachspielzeit.
[Bearbeiten] Gruppe 3
Rang | Land | Tore | Punkte |
---|---|---|---|
1 | ![]() |
5:0 | 7 |
2 | ![]() |
5:6 | 4 |
3 | ![]() |
3:3 | 4 |
4 | ![]() |
4:8 | 1 |
Berti Vogts setzte weiterhin auf die Weltmeister von 1990. Hinzu kam als Führungsspieler Matthias Sammer. Sammer spielte jetzt auch seine Rolle, die er bei Borussia Dortmund spielte, als Libero vor der Abwehr. Das junge tschechische Team wurde in der ersten Halbzeit mit einem Doppelschlag von Christian Ziege und Andreas Möller mit 2:0 geschlagen. Nach dem Sieg über Russland und nach der überraschenden Niederlage der Italiener gegen die Tschechen, wo ein junger Spieler namens Pavel Nedvěd seinen ersten großen Auftritt auf der internationalen Bühne hatte, konnten drei Mannschaften noch auf 6 Punkte kommen. Italien musste gewinnen, um sich fürs Viertelfinale zu qualifizieren, wohingegen Deutschland in jedem Falle schon für das Viertelfinale qualifiziert war und es nur noch um den Gruppensieg ging. Im Spiel Deutschlands gegen Italien hielt Torhüter Köpke zahlreiche Schüsse auf sein Tor und in der 9. Minute einen Foulelfmeter von Gianfranco Zola. Die Tschechen spielten 3:3 gegen Russland und sorgten für das Ausscheiden der Italiener, da bei Punktgleichstand der direkte Vergleich den Ausschlag gab. Das Ausscheiden Russlands stand schon vor dem Spiel fest, die Russen sorgten jedoch für Spannung als sie aus einem 0:2 in der ersten Halbzeit bis zur 85. Minute eine 3:2-Führung machten. Vladimír Šmicer erzielte in der Nachspielzeit den für Tschechien wertvollen Ausgleich.
[Bearbeiten] Gruppe 4
Rang | Land | Tore | Punkte |
---|---|---|---|
1 | ![]() |
5:1 | 7 |
2 | ![]() |
4:3 | 6 |
3 | ![]() |
4:4 | 4 |
4 | ![]() |
0:5 | 0 |
In Gruppe Vier zahlte Neuling Türkei Lehrgeld und fuhr ohne Punktgewinn oder Tor wieder nach Hause. Ein weiterer Neuling, Kroatien, wurde mit seinen ehemals für Jugoslawien spielenden Stars Davor Šuker, Zvonimir Boban und Robert Prosinečki zur bestimmenden Mannschaft dieser Gruppe. Überragend war vor allem Šuker, der die Dänen fast im Alleingang schlug. Vor dem letzten Spieltag hatte sich damit Kroatien bereits fürs Viertelfinale qualifiziert, trat nur mit einer B-Elf gegen Portugal an und verlor mit 0:3, was bedeutete, dass Dänemark die Heimreise antreten musste.
[Bearbeiten] Viertelfinale
Das erste Viertelfinalspiel zwischen England und Spanien zeigte vor allem die Defensivkunst der Spanier um ihren Innenverteidiger Miguel Ángel Nadal. Wirklich zwingende Chancen hatte keine der beiden Mannschaften bei leichten Vorteilen für die Spanier. Das Spiel musste durch Elfmeterschießen entschieden werden. Hierbei verschossen Fernando Hierro und Nadal, womit England ins Halbfinale einzog.
Auch im Spiel Frankreich gegen Niederlande gab es keinen Sieger nach 120 Minuten. Torlos gingen beide Teams ins Elfmeterschießen. Für die Niederländer, die bereits 1992 im Elfmeterschießen gescheitert waren, vergab dieses Mal Clarence Seedorf. Laurent Blanc verwandelte anschließend zum 5:4 für Frankreich.
In Manchester ging die deutsche Mannschaft im Spiel gegen Kroatien bereits in der ersten Halbzeit durch einen verwandelten Handelfmeter von Jürgen Klinsmann in Führung. Allerdings musste er den Platz verletzt noch vor der Pause verlassen. Der deutsche Kapitän wurde durch den Dortmunder Steffen Freund ersetzt. Zu Beginn der zweiten Halbzeit erzielte Davor Šuker nach einem groben Schnitzer in der deutschen Defensive den Ausgleich für die Kroaten. Matthias Sammer erzielte allerdings schon recht schnell danach den Treffer zum 2:1-Endstand, wobei wiederum die kroatische Mannschaft nicht gut aussah.
Portugal galt aufgrund seiner außergewöhnlichen Techniker wie Luís Figo oder Manuel Rui Costa als Favorit gegen Tschechien. Die Tschechen spielten dagegen ruhig aus der eigenen stabilen Abwehr heraus und lebten vor allem davon, dass die Portugiesen ihre Torchancen nicht nutzen konnten. In der 54. Minute nutzte dann Karel Poborský eine Konterchance zum entscheidenden 1:0.
22. Juni 1996 | London | ![]() |
- | ![]() |
4:2 n.E. | |
22. Juni 1996 | Liverpool | ![]() |
- | ![]() |
5:4 n.E. | |
23. Juni 1996 | Manchester | ![]() |
- | ![]() |
2:1 | |
23. Juni 1996 | Birmingham | ![]() |
- | ![]() |
1:0 |
[Bearbeiten] Halbfinale
Das Spiel Tschechien gegen Frankreich wurde vor allem von der Defensivarbeit beider Mannschaften geprägt, was zu einem glanzlosen 0:0 nach 120 Minuten führte. Wieder musste für Tschechien und Frankreich die Entscheidung im Elfmeterschießen fallen. Die jeweils ersten fünf Elfmeter wurden sicher verwandelt, bis Reynald Pedros mit dem sechsten Elfmeter für Frankreich an Petr Kouba scheiterte. Miroslav Kadlec vom 1. FC Kaiserslautern verwandelte danach den alles entscheidenden Elfmeter mit großer Sicherheit, und Tschechien stand nach 1976 wieder im Finale einer Europameisterschaft.
Am Abend kam es dann in Wembley zum Klassiker Deutschland gegen England. Die britischen Zeitungen heizten auf übliche Weise schon Tage vorher die Stimmung an (Gascoigne im Stahlhelm, "Achtung! Surrender! For you Fritz ze Euro 96 iz over"), und England ging sehr selbstbewusst in dieses Halbfinale. Schon in der zweiten Minute hatten sie eine Torchance und bekamen einen Eckstoß. Die deutsche Abwehr war auf den scharf knapp vors Tor geschlagenen Ball nicht vorbereitet, und Alan Shearer köpfte in der 3. Minute das 1:0 für England. Das Stadion war ein Tollhaus, und die Engländer machten weiter Druck. In diese Druckphase fiel völlig überraschend in der 16. Minute durch Stefan Kuntz der Ausgleich. Der Rest der ersten Halbzeit und auch die zweite Halbzeit waren sehr ausgeglichen. Beide Mannschaften hatten Chancen, den Siegtreffer zu erzielen.
Ab dem Viertelfinale galt bei diesem Turnier erstmals die Golden-Goal-Regelung, und anders als im ersten Halbfinale nachmittags, als beide Mannschaften das Golden Goal in erster Linie verhindern wollten, setzten Deutschland und England alles daran, ein Tor zu erzielen. Die größeren Chancen hatten dabei die Engländer. Paul Gascoigne verpasste einen Ball um Zentimeter, den er aus einem Meter Entfernung ins leere Tor hätte schießen müssen. Im Gegenzug wurde allerdings ein Tor von Stefan Kuntz nicht anerkannt.
Wie bereits bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1990 in Italien kam es nach Ablauf der Verlängerung zum Elfmeterschießen. Bis zum 6:6 hatte jede Mannschaft getroffen, als Gareth Southgate antrat und Andreas Köpke hielt. Andreas Möller war dann der letzte deutsche Schütze und traf.
26. Juni 1996 | Manchester | ![]() |
- | ![]() |
6:5 n.E. | |
26. Juni 1996 | London | ![]() |
- | ![]() |
6:7 n.E. |
[Bearbeiten] Endspiel
Im Endspiel im Londoner Wembleystadion trafen Deutschland und Tschechien ein zweites Mal bei dieser EM aufeinander. Die deutsche Mannschaft galt als klarer Favorit für das Finale, nicht nur, weil sie das erste Spiel in der Vorrunde gegen die Tschechen ungefährdet gewonnen hatten, sondern auch, weil ihre Leistungen im Viertelfinale und Halbfinale überzeugender waren. In der 59. Minute ging Tschechien durch einen Elfmeter in Führung. Der Elfmeter war jedoch eine doppelte Fehlentscheidung, da es sich zum einen nicht um ein Foul handelte und zum anderen das Geschehen auch außerhalb des Strafraums stattfand. Berti Vogts wechselte daraufhin den Stürmer Oliver Bierhoff in der 69. Minute für Mehmet Scholl ein, der vier Minuten später den Ausgleich per Kopfball erzielte.
In der Verlängerung erzielte Bierhoff dann das Golden Goal in der 95. Minute. Deutschland war nach 1972 und 1980 zum dritten Mal Europameister und Berti Vogts gewann im dritten Anlauf seinen ersten Titel als Teamchef der Deutschen Nationalmannschaft.
30. Juni 1996 | London | ![]() |
- | ![]() |
2:1 n.GG |
[Bearbeiten] Europameister 1996
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Bulgarien | Dänemark | Deutschland | England | Frankreich | Italien | Kroatien | Niederlande | Portugal | Rumänien | Russland | Schottland | Schweiz | Spanien | Tschechien | Türkei
Frankreich 1960 | Spanien 1964 | Italien 1968 | Belgien 1972 | Jugoslawien 1976 | Italien 1980 | Frankreich 1984 | Deutschland 1988 | Schweden 1992 | England 1996 | Niederlande und Belgien 2000 | Portugal 2004 | Österreich und Schweiz 2008 | 2012
1984 | Norwegen 1987 | Deutschland 1989 | Dänemark 1991 | Italien 1993 | 1995 | Norwegen 1997 | Deutschland 2001 | England 2005 | Finnland 2009
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