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Willy Brandt - Wikipedia

Willy Brandt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

29. Dezember 1971: Willy Brandt (links) und Richard Nixon bei einer gemeinsamen Presseerklärung
29. Dezember 1971: Willy Brandt (links) und Richard Nixon bei einer gemeinsamen Presseerklärung
US-Verteidigungsminister Robert McNamara (rechts) im Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler (links) und Westberlins Regierendem Bürgermeister Brandt am 13. April 1965 in Arlington, Virginia, USA
US-Verteidigungsminister Robert McNamara (rechts) im Gespräch mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Fritz Erler (links) und Westberlins Regierendem Bürgermeister Brandt am 13. April 1965 in Arlington, Virginia, USA

Willy Brandt (* 18. Dezember 1913 in Lübeck; † 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein; Geburtsname Herbert Ernst Karl Frahm) war ein deutscher sozialdemokratischer Politiker.

Er war von 1957 bis 1966 Regierender Bürgermeister von Berlin, von 1966 bis 1969 Bundesaußenminister und Stellvertreter des Bundeskanzlers sowie von 1969 bis 1974 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Für seine Ostpolitik, die auf Entspannung und Ausgleich mit den osteuropäischen Staaten ausgerichtet war, erhielt er am 10. Dezember 1971 den Friedensnobelpreis.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Rückseite 2-DM-Münze: Willy Brandt
Rückseite 2-DM-Münze: Willy Brandt

Willy Brandt wurde 1913 als unehelicher Sohn von Martha Frahm und John Möller geboren. Seinen Vater lernte er nie kennen; er wuchs bei seiner Mutter und seinem Großvater auf. Er verbrachte seine Jugend in Lübeck, wo er in der Vorstadt St.-Lorenz-Süd geboren wurde.

Brandt trat 1929 der Sozialistischen Arbeiter-Jugend (SAJ) und ein Jahr später der SPD bei. 1931 wechselte er zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), einer linkssozialistischen Gruppe.

1932 legte er das Abitur am Johanneum zu Lübeck ab. Nach Hitlers Machtübernahme 1933 wurde die SAP verboten. Die Partei beschloss, im Untergrund gegen die Nationalsozialisten zu kämpfen. Willy Brandt erhielt im März 1933 den Auftrag, die Ausreise des SAP-Leitungsmitglieds Paul Frölich nach Oslo zu organisieren. Frölich wurde jedoch festgenommen, so dass Brandt dessen Aufgabe, in Oslo eine Zelle der Organisation aufzubauen, übernahm. Brandt emigrierte über Dänemark nach Norwegen und begann in Oslo ein Geschichtsstudium, wo er auch die Zentrale des SAP-Jugendverbandes SJVD leitete. Ferner vertrat er den SJVD von 1934 bis 1937 beim Internationalen Büro revolutionärer Jugendorganisationen des Londoner Büros.

Er legte sich 1934 den Decknamen Willy Brandt zu, den er 1947 auch offiziell übernahm.

Unter dem Decknamen Gunnar Gaasland kehrte er für den Zeitraum zwischen September und Dezember 1936 als Student wieder nach Deutschland zurück. Er hielt sich als Kriegsberichterstatter in Berlin auf und sprach dabei Deutsch mit norwegischem Akzent. Der richtige Gunnar Gaasland hatte Brandt seinen Namen zur Verfügung gestellt und blieb zurück in Norwegen. Brandt war danach 1937 ebenfalls als Berichterstatter im spanischen Bürgerkrieg tätig.

1938 erfolgte die Ausbürgerung durch die nationalsozialistische Regierung, weshalb er sich um die norwegische Staatsbürgerschaft bemühte. Während der deutschen Besetzung Norwegens im Zweiten Weltkrieg geriet er 1940 vorübergehend in deutsche Gefangenschaft. Da er aber bei seiner Ergreifung eine norwegische Uniform trug und nicht enttarnt wurde, konnte er nach seiner baldigen Freilassung nach Schweden fliehen. Im August 1940 wurde ihm die norwegische Staatsbürgerschaft von der Botschaft in Stockholm zugesprochen. Er blieb in Stockholm bis zum Ende des Krieges, wo er gemeinsam mit August Enderle an der Wiederannäherung des SAP-Exils an die SPD federführend mitarbeitete.

Brandt war von 1941 bis 1948 mit Carlotta Thorkildsen verheiratet und hatte mit ihr die gemeinsame Tochter Ninja (* 1940). Nach der Scheidung heiratete er noch 1948 die verwitwete Rut Bergaust, geborene Hansen. Aus dieser Beziehung gingen drei Söhne hervor, Peter (* 1948), Lars (* 1951) und Matthias (* 1961). Nach 32 Jahren Ehe ließen sich Rut und Willy Brandt 1980 scheiden. Am 9. Dezember 1983 heiratete Brandt die Historikerin und Publizistin Brigitte Seebacher (* 1946).

1945 kehrte Brandt als Korrespondent für skandinavische Zeitungen nach Deutschland zurück und wurde 1948 wieder deutscher Staatsbürger. 1949 ließ er sich seinen Decknamen Willy Brandt als offiziellen Namen vom Polizeipräsidium Berlin anerkennen.

Politische Karriere

Berlin

Seine politische Karriere begann 1949 als Berliner Abgeordneter für die SPD im ersten Deutschen Bundestag. Insgesamt gehörte Brandt dem Bundestag von 1949 bis 1957, von 1961 bis zum 27. Dezember 1961 und von 1969 bis zu seinem Tode im Jahre 1992, also insgesamt 31 Jahre lang, an. 1950 wurde er auch Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. Er legte dieses Mandat erst am 6. April 1971, also knapp zwei Jahre nach seiner Wahl zum Bundeskanzler, nieder.

1955 wurde Willy Brandt in der Nachfolge Otto Suhrs Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses. 1957 wurde er, ebenfalls in der Nachfolge Otto Suhrs, zum Regierenden Bürgermeister gewählt. In diesem Amt erlangte Brandt auf Grund seines entschlossenen Handelns während des Berlin-Ultimatums (1958) und nach dem Mauerbau 1961 enorme Popularität.

Diese Popularität schlug sich auch in den Wahlergebnissen der Berliner SPD nieder: 1958 steigerte sich die SPD um 8,0 % auf 52,6 % der Stimmen, 1963 erreichte sie mit 61,9 % der Stimmen das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte.

Er blieb bis zum 30. November 1966 in diesem Amt. Vom 1. November 1957 bis zum 31. Oktober 1958 war Brandt Bundesratspräsident.

Von 1958 bis 1963 war er Landesvorsitzender der SPD Berlins.

In der Bundespolitik 1961–1969

27. Februar 1969: Besuch Nixons in Berlin
27. Februar 1969: Besuch Nixons in Berlin

Bei der Bundestagswahl 1961 trat Brandt erstmals als Kanzlerkandidat seiner Partei gegen Konrad Adenauer an. Die SPD legte zwar deutlich zu, zur Regierungsübernahme reichte es jedoch noch nicht. 1962 übernahm er – auf Initiative von Herbert Wehner – den stellvertretenden Parteivorsitz [1], 1964 als Nachfolger des verstorbenen Erich Ollenhauer den Bundesvorsitz der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, den er bis 1987 innehatte. Bei der Bundestagswahl 1965 unterlag er Bundeskanzler Ludwig Erhard, woraufhin er sich enttäuscht vorübergehend von der Bundespolitik zurückzog und eine weitere Kanzlerkandidatur ausschloss.

In dieser Zeit war er der am meisten umstrittene (und beschimpfte) Politiker der Republik. Besonders erbitterte es ihn, dass er wegen seiner antifaschistischen Vergangenheit diffamiert wurde, während Ex-Nazis deren Vergangenheit verziehen wurde. „Dieser Wahlkampf hat Wunden hinterlassen“, sagte er 1965.

Nach Erhards Rücktritt 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger (CDU) zum Bundeskanzler gewählt, der eine Große Koalition mit der SPD bildete. Willy Brandt trat von seinem Berliner Amt zurück und übernahm das Amt des Außenministers und Vizekanzlers.

Bundeskanzler

Kabinett Brandt I (1969-1972)

Nach der Bundestagswahl 1969 bildete Willy Brandt gegen den Willen von Herbert Wehner und Helmut Schmidt, die eine Fortsetzung der großen Koalition vorgezogen hätten, eine Koalition mit der FDP. Die sozialliberale Koalition verfügte lediglich über eine Mehrheit von zwölf Stimmen. Der Bundestag wählte Brandt zum vierten Bundeskanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Vizekanzler und Außenminister wurde Walter Scheel (FDP).

Brandts Amtszeit ist verbunden mit dem Stichwort der Ostpolitik, die den kalten Krieg unter der Losung „Wandel durch Annäherung” bzw. „Politik der kleinen Schritte” abmindern und die Berliner Mauer durchlässiger machen sollte.

Der Kniefall von Warschau (1970) am Mahnmal des Ghetto-Aufstandes von 1943 leitete symbolisch die Entspannungspolitik ein, die in den so genannten Ostverträgen mit Polen und der Sowjetunion mündete. Hinzu kamen später der Grundlagenvertrag mit der DDR (1970 hatte er sich mit dem Vorsitzenden des Ministerrates und stellvertretenden Vorsitzenden des Staatsrats Willi Stoph erst in Erfurt, dann in Kassel getroffen) und ein Abkommen mit der Tschechoslowakei. Dafür erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis.

Mit dieser so genannten „Neuen Ostpolitik”, die Willy Brandt gemeinsam mit Walter Scheel gegen den entschiedenen Widerstand der Mehrheit der CDU/CSU-Opposition durchsetzte, bemühte er sich um eine „Entspannung in Europa“.

Einige Geschichts- und Politikwissenschafter sehen darin heute eine Wegbereitung für den Zusammenbruch der kommunistischen Regierungen in Osteuropa und die Wiedervereinigung Deutschlands, die von Brandt mit seiner Ostpolitik jedoch nicht beabsichtigt war. Seinerzeit wurde ihm von konservativer Seite vorgeworfen, damit eine unnötige Anerkennung der DDR betrieben zu haben. Sie sahen die Entspannungspolitik nicht als Weg zum Zusammenbruch der Staaten des Ostblocks, sondern konstatierten im Ergebnis einzig eine Aufwertung der Regierungen.

Gleichzeitig ging es ihm um innenpolitische Reformen in der Sozial-, Bildungs- und Rechtspolitik. „Mehr Demokratie wagen” war das Motto, mit dem Brandt die innenpolitische Stagnation der Nachkriegszeit überwinden wollte. Auch aufgrund der Ölkrise von 1973 in Folge des israelisch-arabischen Jom-Kippur-Krieges sind diese Reformen nur teilweise realisiert worden. Besonders der so genannte „Radikalenerlass“ gegen Extremisten im öffentlichen Dienst, der 1972 eingeführt wurde, ist bis heute bekannt geblieben. Er wird bis heute von Kritikern auf der Linken scharf kritisiert und auch Brandt selbst hat ihn später als schweren Fehler bezeichnet.

Misstrauensvotum und Vertrauensfrage (1972)

Seit Amtsantritt der Regierung Brandt hatten bis zum Jahr 1972 so viele Abgeordnete der SPD und der FDP zur Unionsfraktion gewechselt, darunter der ehemalige Bundesminister Erich Mende, dass die CDU/CSU-Fraktion rechnerisch über eine knappe absolute Mehrheit verfügte. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Rainer Barzel glaubte daher im April 1972, Willy Brandt mittels eines konstruktiven Misstrauensvotums ablösen zu können. Doch für seine Wahl zum Bundeskanzler fehlten ihm bei der Abstimmung zwei Stimmen. Später wurde bekannt, dass die DDR mindestens einen Abgeordneten (Julius Steiner) der CDU bestochen hatte. Mittlerweile ist durch die Rosenholz-Dateien auch der zweite Abgeordnete aus den Reihen der CSU bekannt: Leo Wagner erhielt von der Staatssicherheit 50.000 DM. Da allerdings auch die SPD/FDP-Koalition im Bundestag über keine handlungsfähige Mehrheit mehr verfügte, stellte Brandt im September 1972 die Vertrauensfrage, bei welcher sich absprachegemäß die Bundesminister enthielten, so dass die Vertrauensfrage negativ beantwortet wurde und Bundespräsident Gustav Heinemann auf Antrag Brandts den Bundestag auflöste.

Kabinett Brandt II (1972-1974)

Bei den Neuwahlen im November 1972 wurde die Regierung Brandt eindeutig bestätigt und verfügte nunmehr über eine handlungsfähige breite Mehrheit im Bundestag. Die SPD wurde mit 45,8 % der Stimmen erstmals stärkste Bundestagsfraktion, ein Ergebnis, das auch im Ausland als Volksabstimmung über die Ostverträge verstanden wurde, für deren parlamentarische Ratifizierung jetzt der Weg frei war.

Am 7. Juni 1973 besuchte Willy Brandt als erster deutscher Bundeskanzler Israel, nachdem 1965 die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel aufgenommen worden waren. Bereits 1970 hatte mit Abba Eban erstmals ein israelischer Außenminister die Bundesrepublik besucht, der Gegenbesuch durch Außenminister Walter Scheel war im selben Jahr erfolgt.

Rücktritt in Folge der Guillaume-Affäre

Die gewonnene Bundestagswahl 1972 stellte zwar den politisch größten Erfolg Brandts dar, jedoch sind sich zeitgenössische Beobachter wie Egon Bahr darin einig, dass dieser „Höhepunkt eindeutig auch der Scheitelpunkt war – von da an ging es bergab“.[2]

Politische Ermüdungserscheinungen Brandts paarten sich mit überhöhten Erwartungen an seine zweite Regierungszeit.

Dennoch kam sein Rücktritt für die Öffentlichkeit überraschend, wobei die Guillaume-Affäre wohl eher der Auslöser als die Ursache für Brandts Rücktritt war.

Am Ende einer turnusmäßigen Zusammenkunft von SPD und Gewerkschaftsspitzenfunktionären in Bad Münstereifel am 4. und 5. Mai erklärte Brandt in einem auf den 6. Mai 1974 datierten handschriftlichen Brief seinen Rücktritt, der vom NDR am folgenden Tag publik gemacht wurde. Anlass war die Enttarnung des DDR-Spions Günter Guillaume, der als Referent für Parteiangelegenheiten einer der engsten Mitarbeiter von Brandt gewesen war. Brandt übernahm mit seinem Rücktritt Verantwortung für Fahrlässigkeiten innerhalb der Bundesregierung. Guillaume war in unmittelbarer Nähe des Kanzlers geblieben, obwohl er seit mehr als einem Jahr im Verdacht stand, Spionage zu betreiben. Brandt hatte im Glauben, Guillaumes DDR-Herkunft sei der Grund für den Spionageverdacht gewesen, die Brisanz der Angelegenheit unterschätzt und ihr entsprechend wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Diskriminierung von DDR-Bürgern, die wie Guillaume in die Bundesrepublik übergesiedelt waren, war damals nicht ungewöhnlich. Brandt behauptete später, Wehner sei an seinem Rücktritt mitschuldig gewesen, da dieser ihn davon nicht abgehalten hatte. Beide blieben im Zentralvorstand der SPD und hatten fortan zahlreiche Unstimmigkeiten. Ein weiterer Kontrahent im Kabinett Brandt II war Helmut Schmidt, damals Finanzminister.

Trotz gegenteiliger Beteuerungen Wehners wird allgemein angenommen, dass weniger die Affäre an sich, als vielmehr Wehners Einschätzung, der gesundheitlich angeschlagene, unter Depressionen leidende Brandt sei nicht zu halten, den Ausschlag zum Rücktritt gaben. Brandt sah sich längst üblen Diffamierungskampagnen von politischen Gegnern ausgesetzt, denen er nach Einschätzung Wehners im bevorstehenden Wahlkampf kaum standgehalten hätte. Dass der scheidende Kanzler zu Frauen teils charmant war, wurde ihm zum Verhängnis. Ihm wurden zahlreiche sexuelle Affären und Alkoholprobleme untergeschoben. Zudem bestanden unter anderem bei Horst Herold und Günther Nollau Befürchtungen, der deutsche Regierungschef könnte erpressbar werden. Zusammen mit der Brandt unterstellten Amtsmüdigkeit und der seit einiger Zeit schwelenden Kritik – Wehner hatte Brandt während seiner Moskaureise öffentlich mit den Worten „Der Herr badet gerne lau“ angegriffen – soll dies für Wehner Grund gewesen sein, den Wechsel des SPD-Kanzler schnell und unsentimental zu vollziehen. Nachfolger Brandts als Bundeskanzler wurde Helmut Schmidt, den Wehner mit den Worten „Helmut, Du musst das jetzt machen“ dazu aufgefordert haben soll. Schmidt will von der Nominierung überrascht gewesen und das Amt vorrangig aus Pflichtgefühl übernommen haben. Willy Brandt selbst blieb aber SPD-Vorsitzender. Zum Ende seiner eigenen Kanzlerschaft bezeichnete Schmidt es als Fehler, neben der Kanzlerschaft nicht auch den Parteivorsitz übernommen zu haben. Er sah hierin eine der Ursachen für sein eigenes Scheitern.

Nach dem Rücktritt als Bundeskanzler

Willy Brandt in Dortmund, ca. 1987
Willy Brandt in Dortmund, ca. 1987

Auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers blieb Brandt politisch weiterhin äußerst aktiv: 1976 wurde er Präsident der Sozialistischen Internationale (bis zum 15. September 1992), 1979 Mitglied des Europäischen Parlaments (bis zum 1. März 1983).

Im April 1977 trug Weltbankpräsident Robert McNamara Brandt den Vorsitz der „Unabhängigen Kommission für Internationale Entwicklungsfragen“ (Nord-Süd-Kommission) an. Nach fast drei Jahren Beratungen legte die Kommission am 12. Februar 1980 in New York ihren Nord-Süd-Bericht vor, der allgemein als „Brandt-Report“ bekannt wurde.

Am 15. November 1978 erlitt Brandt einen Herzinfarkt, so dass er seine politischen Aufgaben vorübergehend nicht mehr wahrnehmen konnte.

Am 7. Juli 1979 kamen Brandt und der österreichische Bundeskanzler Bruno Kreisky in Wien mit Jassir Arafat, dem Chef der palästinensischen PLO, zu einem umstrittenen Meinungsaustausch zusammen. Am 15. Oktober 1984 traf Brandt sich auf Kuba mit Staatspräsident Fidel Castro. Im selben Jahr traf Brandt sich auch mit Deng Xiaoping und Michail Gorbatschow. Am 19. September 1985 kam er in Ost-Berlin zu Gesprächen mit dem DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker zusammen.

Brandt gehörte weiterhin dem Bundestag an und eröffnete nach der Bundestagswahl 1983 erstmals als Alterspräsident den Bundestag, obwohl er nur der zweitälteste Abgeordnete war. Egon Franke hatte als tatsächlicher Alterspräsident auf diese Würde verzichtet und Brandt den Vortritt bei der Eröffnung gelassen. Nach den Bundestagswahlen 1987 und 1990 eröffnete Brandt den jeweiligen Bundestag als tatsächlicher Alterspräsident.

Am 23. März 1987 trat Brandt vom Parteivorsitz der SPD zurück, nachdem an seiner Nominierung von Margarita Mathiopoulos als Kandidatin für das neu zu besetzende Amt der Parteisprecherin harsche parteiinterne Kritik geäußert wurde. Auf dem außerordentlichen Parteitag am 14. Juni 1987 wurde er zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit gewählt; zu seinem Nachfolger als Parteivorsitzender wurde Hans-Jochen Vogel gewählt.

Am 20. Januar 1989 lud Bundespräsident Richard von Weizsäcker anlässlich des 75. Geburtstags von Willy Brandt zu einem Geburtstagsfest in die Villa Hammerschmidt, zu dem zahlreiche Freunde, Weggenossen und Politiker erschienen. Den ersten gesamtdeutschen Bundestag eröffnete Brandt am 20. Dezember 1990 wie 1983 und 1987 ebenfalls als Alterspräsident. Einige Wochen vorher, am 9. November 1990, war Brandt mit 194 Geiseln, deren Freilassung er beim irakischen Präsidenten Saddam Hussein erreicht hatte, nach Deutschland zurückgekehrt.

Nach dem Fall der Mauer gehörte Brandt zu den entschiedenen Befürwortern eines Regierungsumzugs von Bonn nach Berlin. Am 20. Juni 1991 beschloss der Bundestag – unter anderem auf Antrag Willy Brandts – schließlich den Umzug (Hauptstadtbeschluss).

Am 4. Oktober 1991 wurde bei Brandt ein Tumor im Darm entdeckt, der am 10. Oktober 1991 entfernt wurde. Am 1. Februar 1992 erhielt Brandt in Heidelberg den Dolf-Sternberger-Preis. Am 9. Mai 1992 gab Brandt dem Bild-Redakteur Ulrich Rosenbaum sein letztes Interview. Am 10. Mai 1992 wurde er erneut in die Universitätsklinik Köln eingewiesen und am 22. Mai 1992 wiederum operiert. Die Operation wurde allerdings nach zehn Minuten abgebrochen; der Krebs war zurückgekehrt und hatte in der Zwischenzeit zu stark gestreut, mehrere Organe waren bereits betroffen. Am 30. Mai 1992 verließ Brandt die Klinik und begab sich zusammen mit seiner Frau in sein Haus nach Unkel, das er bis zu seinem Tod nicht mehr verließ. Zu einem etwas unglücklichen Vorfall kam es am 20. September 1992: Als Michail Gorbatschow Brandt unangemeldet besuchen wollte und sich mit Gorbatschow an der Sprechanlage des Hauses meldete, hielt Brandts Ehefrau dies für einen schlechten Scherz und verweigerte dem Besucher den Zutritt. Sie glaubte nicht, dass tatsächlich Gorbatschow vor der Tür stand.

Brandts Gesundheitszustand verschlechterte sich ab August 1992 zunehmend. Er starb schließlich am 8. Oktober 1992 um 16:35 Uhr. Am 17. Oktober 1992 gedachte der Bundestag seiner in einem Staatsakt.

Ehrengrab Willy Brandts auf dem Waldfriedhof Zehlendorf
Ehrengrab Willy Brandts auf dem Waldfriedhof Zehlendorf

Lange Zeit wohnte Brandt in der Eschenbrenderstraße in Unkel, anschließend zog er um, blieb aber in Unkel. In seinem letzten Wohnhaus ist eine Ausstellung über ihn zu sehen. Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof in der Potsdamer Chaussee in Berlin-Nikolassee im Bezirk Steglitz-Zehlendorf neben dem seines Vorgängers Ernst Reuter.

Ehrendes Gedenken

Willy-Brandt-Denkmal in Porto: Amigo De Portugal
Willy-Brandt-Denkmal in Porto: Amigo De Portugal

Nach seinem Tode wurde Willy Brandt vielfach geehrt, Straßen und Plätze nach ihm benannt, unter anderem der Rathausplatz in Kaiserslautern sowie die Willy-Brandt-Allee in seiner Heimatstadt Lübeck. Willy-Brandt-Denkmäler außerhalb Deutschlands befinden sich in Porto (Portugal) in der Rua de Riu und in Lille (Frankreich) an der Gare de Flandres Ecke Avenue Willy-Brandt. Sein Konterfei zierte einen Teil der 2-DM-Münzen. Er ist Ehrenbürger mehrerer deutscher Städte (Heimatstadt Lübeck, Berlin).

Die Bundesrepublik Deutschland errichtete zu seinem ehrenden Gedenken als bundesunmittelbare Stiftung die Bundeskanzler-Willy-Brandt-Stiftung mit dem Sitz in Berlin nach dem Vorbild der amerikanischen Präsidentenbibliotheken. Die Stiftung plant die Errichtung einer Außenstelle in der Königstraße der Lübecker Altstadt. Daneben besteht als weitere Stiftung norwegischen Rechts die Norwegisch-Deutsche Willy-Brandt Stiftung mit dem Sitz in Oslo und Berlin.

Der ENA-Jahrgang 2007-2009 hat sich den Namen „Willy Brandt“ gegeben. Die ENA -École nationale d'administration- ist die französische Elitehochschule, die die angehenden hohen Beamten des französischen Staatsdienstes ausbildet.

Werke

  • Zur Nachkriegspolitik der deutschen Sozialisten Jocke Leufvmark. Stockholm 1944. (gemeinsam mit August Enderle, Irmgard Enderle, Stefan Szende und Ernst Behm)
  • Forbrytere og andre tyskere („Verbrecher und andere Deutsche“), Oslo 1946
  • Mein Weg nach Berlin, Kindler Verlag, München 1960.
  • Friedenspolitik in Europa, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1968.
  • Begegnungen und Einsichten 1960–1975, Hoffmann und Campe, Hamburg 1976, ISBN 3-455-08979-8
  • Links und frei. Mein Weg 1930–1950, Hoffmann und Campe, Hamburg 1982, ISBN 3455087434
  • Erinnerungen, Propyläen Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-549-07353-4

Siehe auch

Verfilmungen

Quellen

  1. Peter Merseburger: Willy Brandt, 1913–1992. Visionär und Realist., Stuttgart 2002, ISBN 3-423-34097-5, S. 429
  2. Egon Bahr in seinen Erinnerungen

Literatur

Auszeichnungen

Weblinks

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